Frauen & Männer: Besser zusammen leiten!

Wie sieht gute Führung aus? So viele bekannte Führungspersönlichkeiten in der christlichen Szene scheitern! Diesem Fakt kann man sich kaum noch entziehen. Gerade wir Männer tragen unseren unrühmlichen Teil bei.

Meine Kollegin im Vorstand von Willow Creek Deutschland, Corinna Schubert, hat das Thema weiter reflektiert und sehr relevante, wichtige und wertvolle Anstöße zusammengetragen, die wir bedenken und diskutieren sollten. In mehreren Teilen lasse ich sie hier zu Wort kommen. Zunächst einige Überlegungen zu dem Rahmen, in dem wir das Thema denken könnten. Corinna, du hast das Wort:

Teil 1

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Gott ist kreativ. Mensch auch.

Als Gott seine Schöpfung vollendet hatte, als er sich alles angesehen hatte und voll Freude sagte: „Ja, das ist sehr gut“, da waren seine ersten Worte an die Menschen: „Das alles vertraue ich euch an. Ihr sollt es euch aneignen und vermehren. Füllt damit die Erde. Übernehmt Verantwortung. Gestaltet. Bewahrt. Gebt weiter. Das soll eure Aufgabe sein.“ Gott hatte unheimlich kreativ (creator – das ist sein Name, das ist sein Wesen) in unterschiedlichsten Formen und Farben, bunt und „wimmelig“, die Welt ins Leben gerufen. Und nun übergab er sie seinen Menschen und vertraute sie ihrer Verantwortung an. Der erste Auftrag an sie ist, fruchtbar zu sein: das zu vermehren, was Gott Gutes geschaffen hat. Dabei ist der Mensch aber nicht nur in der Lage, etwas Vorhandenes zu reproduzieren. Als Ebenbild Gottes kann er auch kreativ gestalten, weiterentwickeln und Neues entstehen lassen. Zwar nicht so wie der Schöpfer, der aus dem Nichts etwas Neues schafft, der das Nichtseiende ins Sein ruft (vgl. Röm 4,17). So völlig aus dem Nichts kann der Mensch nichts erschaffen. Dennoch können Menschen schöpferisch aktiv sein und Neues entwickeln, indem sie das, was Gott ihnen gegeben hat, neu kombinieren.

Auf Geburtsanzeigen ist oft eine Gleichung zu lesen, bei der jeder Grundschullehrer zusammenzuckt: 1 + 1 = 3. Hinter dieser Gleichung steckt die Erkenntnis, dass zwei einzelne Menschen zusammen nicht einfach zwei einsame Menschen zusammen sind, sondern dass aus ihrer Gemeinschaft etwas wird, das über das hinaus geht, was vorher war. Mann und Frau geben zusammen Leben weiter, indem beide ihren je eigenen Teil dazu beitragen. Daraus entsteht ein einzigartiger neuer Mensch. Dieser Mensch kann zusammen mit einem anderen wieder einen neuen Menschen zeugen. Was biologisch einleuchtend ist, ist ein Grundprinzip menschlicher Kreativität: Wenn zwei unterschiedliche Menschen, zwei Aspekte, zwei Dinge aufeinandertreffen, dann kann zwischen ihnen eine produktive Spannung entstehen, ein fruchtbarer Zwischenraum, in dem etwas Neues entstehen und wachsen kann, das über die reine Summe der Einzelteile hinausgeht: 1 + 1 = 3 + x.

Leitung als kreative Aufgabe

Warum kann dieser Aspekt der Kreativität im Zusammenhang mit Leitung wichtig sein? Traditionell wird Leitung weniger mit Kreativität assoziiert. Wir denken eher an Verwaltung oder In-Ordnung-Halten und haben aus dem biblischen Kontext Begriffe wie „Herrschen“ und „Untertanmachen“ im Hinterkopf, die uns aus Martin Luthers Bibel-Übersetzung im Ohr klingen: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht“ (Gen 1,28; LUT 2017). Von diesen Begriffen aus wird bei dem Auftrag an die Menschen schnell an Machtpositionen und Hierarchien gedacht. Alles soll seine Ordnung haben, sodass dem Chaos gewehrt wird.

Ich möchte mit dem Aspekt der Kreativität eine andere Perspektive auf die Leitungsaufgabe einnehmen. Es geht in Gottes Auftrag an die Menschen um eine gestalterische Aufgabe, die in die Zukunft weist. Gott stellt ihnen seine Schöpfung zur Verfügung und sie dürfen vermehren und ausbreiten, gestalten und erneuern. Es geht weniger um eine Art Führungsaufgabe, in der es um Recht und Ordnung geht, in der ein ursprünglicher Status quo gesichert werden soll.

Das spiegelt sich in dem Begriff der „Autorität“ wider, den wir in der deutschen Sprache verwenden. Dem genauen Wortsinn nach meint der Begriff Autorität „die Macht, die vermehrt, die wachsen lässt – die Macht, die Leben schafft“. Dabei wird klar, dass bei Leitung Macht eine Rolle spielt. Es ist aber keine absolute Macht, sondern eine zielgerichtete Macht, die dem Leben Raum schaffen und die Leben fördern soll. Und das ist eine wunderbare Definition für Leitung: Wer Leitungsverantwortung hat, soll vermehren, wachsen lassen und dem Leben Raum geben. So gedacht ist Leitung eine kreative, dynamische Aufgabe. Denn die Welt ist ständig in Veränderung begriffen: Wir verändern uns, die Menschen um uns herum verändern sich, die Rahmenbedingungen ändern sich, unsere Mittel verändern sich. Gute Leitung identifiziert in diesen sich verändernden Bedingungen den Raum, in dem fruchtbare Spannung liegt, und sie gestaltet ihn so, dass Menschen darin wachsen und reifen können.

Teil 1 | 2 | 3 | 4

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Im nächsten Teil reflektiert Corinna, wie dieses Grundsetting gut im Rahmen von Teams zur Wirkung kommt. Teams, die von Frauen und Männern gebildet werden. Ihr könnt schon gespannt sein.

Corinna Schubert (Jg. 1983) lebt mit ihrer Familie im Großraum Stuttgart. Sie ist Pfarrerin in der evangelischen Landeskirche und engagiert sich ehrenamtlich im Netzwerk „churchconvention“. Unter dem Motto „Sag’s mit Bild“ ist sie freiberuflich als Visual Artist aktiv.

Mehr von Corinna findet ihr hier: www.corinna-schubert.de, https://www.herz-trifft-kopf.net und www.churchconvention.de

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Corinna, ich und viele andere werden im August gemeinsam mit großartigen Referenten das Thema Führung weiter denken. Der Leitungskongresse von Willow ist unser Angebot. Wir laden Dich ein: sei dabei in Leipzig!

Mit Michael Herbst, Thomas Härry und Tim Stevens wird sie eine Vorkonferenz zur Frage der dunklen Seite der Macht in Leipzig mit moderieren.

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Dieser Text von Corinna ist zuerst als Beitrag für das Buch “Von der dunklen Seite der Macht” veröffentlicht worden, das von Michael Herbst und Thomas Härry herausgegeben wurde. Das Buch ist bei Gerth Medien erschienen und als Leiterblogger empfehle ich es sehr.

Der Nachdruck des Textes erfolg mit ausdrücklicher und freundlicher Genehmigung von Gerth Medien.

Über Lothar Krauss

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