Wenn wir gemeinsam in einen kreativen Flow in unseren Führungsrunden finden würden, was würde aus unserer gemeinsamen Arbeit erwachsen? Nicht auszudenken! Corinna Schubert zeigt in diesem Teil der Serie, worin Blockaden bestehen, die konkret der Kreativität im Führungsprozess schaden. Sie kommt direkt auf den Perfektionismus zu sprechen, den die Kreativitätsforschung als einen der mächtigsten Gegner kreativer, fruchtbarer und dynamischer Leitung ausgemacht hat.
Aber lassen wir lieber Corinna direkt zu Wort kommen:
Teil 3
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Was der Kreativität schadet
Schön wäre es, wenn sich alles so zusammenfügen würde. (Wie Corinna es im 2. Teil skizziert hat. Anmerkung Der Leiterblog’ger) Paradiesisch wäre es, wenn Menschen im Team aus unterschiedlichsten Menschen zusammen arbeiten und gemeinsam in einen kreativen Flow geraten würden. In der Praxis erleben wir das allerdings leider selten. Wir erleben Blockaden, durch die der Fluss ins Stocken gerät. Deshalb ist es spannend zu schauen, was diese Blockaden sind, die der Kreativität schaden.
Aus der Kreativitätsforschung wissen wir, dass Perfektionismus eine der größten Blockaden für den Kreativprozess ist. Grundsätzlich ist es ein erstrebenswertes Ziel, ein exzellentes Ergebnis zu erzielen, das uns (unserem Schöpfer ähnelnd) zufrieden sagen lässt: „Siehe, das ist gut“, oder sogar: „Wow – das ist aber sehr gut.“ Perfektion ist aber etwas anderes als Exzellenz. Perfektion ist der Wunsch, ein fehlerloses Resultat zu erschaffen, das nicht angreifbar ist. Dieser Wunsch bringt einige Probleme mit sich, die einem kreativen Prozess im Wege stehen oder ihn ganz verhindern.
Perfektionismus
Zum einen verhindert Perfektion, dass wir einfach anfangen und loslegen. Es fehlt der Mut zu Fehlern. Und weil es schwerfällt, Unzulänglichkeiten einzugestehen, verhindert Perfektionismus, einfach auszuprobieren und dann im Prozess dazuzulernen. Zum anderen schließen sich Perfektion und Kreativität aus. Denn sollte es (theoretisch) ein perfektes Ergebnis geben, dann ist damit das Ende von Kreativität markiert. Perfektion bedeutet, dass etwas in sich abgeschlossen und die kreative Spannung aufgelöst ist. Damit bleibt nur noch ein Einzelnes übrig, das kein Gegenüber mehr hat, um erneut einen fruchtbaren Raum für Neues zu eröffnen. Etwas Perfektes steht allein für sich da und bleibt allein.
Und was passiert mit Teams, wenn Menschen den Wunsch haben, perfekt zu sein oder perfekte Arbeit zu erzielen? Perfektionisten zerstören Teams, weil sie sich von anderen abkapseln. Sie wollen ihre offenen Flanken nicht zeigen, sie wollen nicht verletzlich sein, sie wollen nicht ergänzungsbedürftig sein, weil sie dadurch ihre Abhängigkeit von anderen zeigen würden. Die Ur-Geschichte aber zeigt, dass es nie Gottes Gedanke war, einen perfekten, autarken Menschen zu kreieren. Von Anfang an war mensch einer, der auf Hilfe angewiesen war: „Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, die zu ihm passt.“
Schließlich steckt geistlich hinter dem Perfektionismus der Ur-Wunsch des Menschen, wie Gott zu sein. Perfektionismus zeigt nicht nur, dass Menschen sich nicht durch andere Menschen ergänzen lassen, sondern auch, dass sie nicht vom Schöpfer abhängig sein wollen. Der Mensch will selbst überblicken, selbst beurteilen, selbstständig bewältigen, will sein wie Gott. Diese Selbstabkapselung vom eigenen Schöpfer wird traditionell Sünde genannt.
Misstrauen und Angst
Eng damit verbunden sind Misstrauen und Angst. In der Ur-Geschichte wird erzählt, wie Misstrauen gesät wird und der Gedanke aufkommt, dass Gott den Menschen etwas vorenthält. Daraus entsteht die Angst des Menschen, auf sich allein gestellt zu sein und allein für sich sorgen zu müssen. Das hat im Blick auf das Team Mensch zur Folge, dass Menschen sich abkapseln und verschließen. Denn die anderen sind plötzlich Konkurrenten im Kampf ums Überleben.
Auch kreative Prozesse im Team werden durch Angst verhindert: Angst, nicht genug zu bekommen, Angst, nicht genug einbringen zu können, Angst vor Ablehnung, Angst vor Versagen blockieren den fruchtbaren Raum, der zwischen Menschen entsteht. Oft können wir das auch physisch spüren. Angst macht eng, sie verkrampft und sie verhindert, dass wir frei durchatmen können. So schneidet Angst uns vom Leben ab.
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Im letzten Teil reflektiert Corinna, wie Selbstschutz, Selbstprofilierung und Machtmissbrauch dem Miteinander einen erheblichen Schaden mitgibt.
Corinna Schubert (Jg. 1983) lebt mit ihrer Familie im Großraum Stuttgart. Sie ist Pfarrerin in der evangelischen Landeskirche und engagiert sich ehrenamtlich im Netzwerk „churchconvention“. Unter dem Motto „Sag’s mit Bild“ ist sie freiberuflich als Visual Artist aktiv.
Mehr von Corinna findet ihr hier: www.corinna-schubert.de, https://www.herz-trifft-kopf.net und www.churchconvention.de
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Corinna, ich und viele andere werden im August gemeinsam mit großartigen Referenten das Thema Führung weiter denken. Der Leitungskongresse von Willow ist unser Angebot. Wir laden Dich ein: sei dabei in Leipzig!
Mit Michael Herbst, Thomas Härry und Tim Stevens wird sie eine Vorkonferenz zur Frage der dunklen Seite der Macht in Leipzig mit moderieren.
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Dieser Text von Corinna ist zuerst als Beitrag für das Buch “Von der dunklen Seite der Macht” veröffentlicht worden, das von Michael Herbst und Thomas Härry herausgegeben wurde. Das Buch ist bei Gerth Medien erschienen und als Leiterblogger empfehle ich es sehr.
Starke Gedanken. Brauchen das viel mehr in unserer Qualitätsmanagement gesteuerten Kultur 🙂
Spannend die Verbindung zwischen Perfektionismus und der Ur-Sünde ’sein zu wollen wie Gott‘. Für mich ein ganz neuer Blickwinkel und als Christ das ‚Killer-Argument‘ gegen Perfektionsmus. Ganz stark.