(M)Ein anspruchsvoller Job!

Am Wochenende sind wieder viele von uns im Einsatz. Die letzten zwei Jahre waren nicht ganz einfach. Aber auch jetzt ist es nicht ganz ohne, so „nach der Pandemie“ – zumindest „gefühlt“ ist es „nach“. Ich spreche von der Aufgabe als geistlicher Leiter, als geistliche Leiterin. Unserer Berufung, wie viele es sagen würden.

Es war schon immer eine schöne, aber auch anspruchsvolle Aufgabe, wie es Danny Slavich wunderbar zusammenfasst. Sicher, auf den ersten Blick stehen die besonderen Privilegien, wunderschönen Erfahrungen, SINN-stiftenden Inhalte … im Blickfeld. Aber auf den zweiten Blick drängen sich dann diese vielfältigen „Herausforderungen“ und eine Rollenvielfalt, die ihresgleichen sucht, ins Bild!

Ganz ehrlich: wir geistlichen Leitenden brauchen Dich als Unterstützer mehr, als uns oft bewusst ist. Mach Deinen geistlichen Leitenden Mut lieber Leser. Leiter brauchen Ermutigung! Dieser kurze Beitrag gibt Einblick in die Vielfalt der Berufung, die Belastungspotentiale, die ich aus erster Hand nun seit 1988 hauptberuflich kenne. Je besser wir das verstehen, je besser können wir unterstützen! Investiere doch diese 5 Minuten …

Der Job – nicht nur ein Job!

Als bloggender Pastor schreibe ich mal mit „Pastoren“ im Sinn weiter. So als ein Sammelbegriff für alle Rollen, die geistliche Leitung wahrnehmen. Es fängt alles schon mit der Entscheidung für diesen Berufsweg an: Man will ja anders sein als andere, seine Zeit anders nutzen und Leute dazu herausfordern, anders als die Anderen zu leben! Transformation. Lebensveränderung. Life-Change. Jüngerschaft. Selbstverleugnung. Alles das – und noch viel mehr – sind „unsere“ Themen. Deshalb haben wir den Job ergriffen, der viel mehr als ein Beruf ist. Eine Berufung!

Absicht und Vorwurf!

Mein Job als Pastor ist anders, schon allein was meine Arbeitszeiten betrifft. Bin ich auf einer Party Privatperson oder Repräsentant? Gibt es mich privat? In Privatgesprächen mit Leuten der Kirche, in der ich arbeite? Mit Nachbarn? Offiziellen? Oder fällt alles wieder auf die Kirche zurück, wenn ich als Pastor nicht so bin, wie es erwartet wird. Aber auch wie ich sein sollte! Wir alle versagen immer wieder, was uns aber nicht zu Versagern macht! O.k., was mache ich mit dem Druck der Erwartung von innen, außen und auch oben?

Wie gesagt, ich will anders sein; soll aber auch anders sein: so gut wie jeder in meinem Berufsstand kennt den Vorwurf: Du bist so anders, wie ich mir einen guten geistlichen Leiter vorstelle. Dankeschön. Hey, keiner von uns kann alles, was der Job fordert. Und schon gar nicht alles gleich gut. Und immer gibt es Kollegen und Kolleginnen, die etwas viel besser können, als das bei uns der Fall ist. Das liegt in der Natur der Sache.

Augustinus bringt es auf den Punkt

Schon Augustinus von Hippo hat das Feld umrissen, in dem wir gefordert sind. Ob wir das bringen? Leistungsdruck? Unrealistische Erwartungen? O-Ton Augustinus: 

„Unruhestifter zurechtweisen, Kleinmütige trösten, sich der Schwachen annehmen, Gegner widerlegen, sich vor Nachstellern hüten, Ungebildete lehren, Träge wachrütteln, Händelsucher zurückhalten, Eingebildeten den rechten Platz anweisen, Streitende besänftigen, Armen helfen, Unterdrückte befreien, Gute ermutigen, Böse ertragen und – ach – alle lieben.“

Belastungspotentiale des Berufes

Der viel zu früh verstorbene Andreas von Heyl hat für seine Habilitation die Belastungspotentiale des pastoralen Berufes untersucht, die zum Burnout führen können. Ich habe sie einige Jahre an unserem Theologischen Seminar unterrichtet, mit den Studenten reflektiert, beraten, durchdacht. Diese Punkte (und manche mehr) sorgen also dafür, dass es so anstrengend, heftig und mühsam für geistliche Leiter werden kann. Hier sind sie:

  • Erwartungshorizont
  • Diffuses Berufsbild
  • Rollenvielfalt
  • Arbeitsvielfalt und Aufgabenart
  • Unzureichende Ausbildung
  • Arbeitszeit
  • „Organisationsdesign“ (Wie die Organisation „Kirche“ tickt)
  • Pfarramts- u. Verwaltungsorganisation (betrifft mehr die Landeskirchen)
  • Lohn- Leistungsverhältnis (mehr die Freikirchen)
  • Arbeitserfolg (was ist eigentlich Erfolg im Beruf???)
  • Innerpsychische Faktoren (die Person im Beruf! Robust, resilient … oder … ?)
  • Spirituelle Dürre und Glaubenszweifel (jo, das kommt bei den besten Kollegen vor!)
  • Mangelnde Wertschätzung und Unterstützung
  • Lösungsversuche (beständig Probleme lösen, was systemisch oft nicht möglich ist!)

Was könnte man für geistliche Leiter tun?

Aus meinen 34 Jahren Erfahrung und viel Jahre der Begleitung von Leitern, Leiterinnen und aus der Beratung von Gemeinden, kommen mir diese Vorschläge. Sie sind zu ergänzen, allerdings nicht aus einem verletzten Herzen, sondern aus einer unterstützenden Gesinnung:

  • Sie nicht auf den Sockel stellen!
  • Wir – nicht DER! Miteinander auf den Weg gehen
  • Den eigenen Anteil an geistlicher Leitung treu übernehmen
  • Mitmachen, unterstützen
  • Den Menschen hinter der Rolle nicht übersehen
  • Fehler und Versagen einkalkulieren
  • Ermutigen, fördern, freisetzen
  • Eigenen Erwartungen auf ein gesundes Maß reduzieren
  • Für die Leiter beten. Regelmäßig.
  • Über die Verantwortlichen gut reden.
  • Schlechtes Reden beenden: Entweder direkt klären, oder Klappe halten!!
  • Grenzen setzen: Leiter sollten nicht zu wichtig werden!

Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
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5 Antworten zu (M)Ein anspruchsvoller Job!

  1. Ingo Scharwächter schreibt:

    Danke mal wieder für die gute, ehrliche, barmherzige Art, wie du die Dinge auf den Punkt bringst, lieber Lothar!

    Hier noch ein paar mögliche Ergänzungen bzw. Konkretisierungen für den Schlussabsatz:

    * Großzügig sein, auch finanziell.
    * Konkret und nicht pauschalisierend loben. Und kritisieren.

    * Fragen stellen:
    – Wie geht es dir?
    – Wie kann ich dir helfen?
    – Wofür kann ich für dich beten?
    * Konkrete Rückfragen z.B. zur Predigt stellen und damit zeigen, dass du mitdenkst.
    * „Und – ach – alle lieben.“

  2. Horst Engelmann schreibt:

    Danke Lothar, für deine Ausführungen.

    Als ein Beispiel, wie man als Leiter mit den unterschiedlichsten Erwartungen umgehen sollte, sei das Interview von Rick Warren durch Carey Nieuwhof genannt (vor allem ab der Mitte des Interviews). Ich finde es enthält so viel Lebens- und Dienstweisheit:

    Liebe Grüsse Horst Engelmann

  3. Matthias Czepl schreibt:

    Lieber Lothar, danke für diesen wunderbaren Artikel … er bringt so viele Dinge meines „Jobs“ auf den Punkt und hat mich einerseits ermutigt und andererseits getröstet, da es nicht nur mir so geht, bzw. meine Gefühle und Gedanken was meinen „Job“ betrifft stimmig sind. Ach ja … die Ergänzung von Ingo betr. der Großzügigkeit kann ich nur unterstützen 🙂

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