25% weniger Leute! Wie geht es jungen Leitenden in Zeiten von Corona und Lockdown?

Corona hinterlässt einen Flurschaden. Nicht nur im Staatssäckel, auch in der kirchlichen Landschaft. Und jetzt noch der harte Lockdown! Der Schaden ist jetzt schon spürbar: 25% der Leute, die zu den Gemeinden gingen, werden wohl nicht mehr auftauchen, meint Reinhard Spincke. Er ist der Bundessekretär der Region Nord Freien evangelischen Gemeinden (FEG) in Deutschland.

Und nicht nur Gemeinden, auch Jugendgruppen erleben einen Rückgang und Verantwortliche beginnen zu überlegen, ob sie sich beruflich anders orientieren sollten. Grund genug eine wichtige Frage zu stellen:

Wie geht es jungen Leitern in der Kirche? Der LEITERBLOG hat Evi Rodemann gefragt, die innerhalb der internationalen Lausanner Bewegung und dem European Youth Ministry Network viele junge Leiter begleitet. Hier eine Zusammenfassung:

Zuerst die gute Nachricht: Viele Leitende haben bisher durchgehalten!

Das ist die gute Nachricht! Obwohl alles sehr herausfordernd ist, manchmal auch überfordernd, bleiben viele dran. Zuweilen müssen Verantwortliche aber „wie im Nebel“ leiten! Das kostet richtig Kraft. Bislang haben sie das gut geschafft, aber es beginnt zu kippen. Das sollte uns nachdenklich stimmen!

Mutig, experimentierfreudig!

Während der Lockdown im Frühjahr sich mehr nach einem Abenteuer anfühlte, ist der Herbst grau und kraftzehrend. Damals schafften Kirchen und Gemeinden innerhalb weniger Tagen oder Wochen den Sprung in die digitale Welt! Online-Gottesdienste schossen wie Pilze aus dem Boden. Und junge Leitende hatten einen entscheidenden Anteil daran. Ein Lob an die junge Generation! Sie waren oft mutiger und experimentierfreudiger, als wir älteren Kollegen (zu denen ich (Lothar) mich zähle). Ihr Bezug zur digitalen Welt ist einfach unmittelbarer, erprobter, trainierter. Das zahlte sich jetzt aus. Für viele unsere Kirchen und Gemeinden.

Digitale Müdigkeit

Doch bald war sie da, diese digitale Müdigkeit. Nicht bei allen, aber bei vielen. Nicht noch ein Zoom-Meeting, noch ein Gottesdienst am Notebook. Und junge Leiter erlebten, dass sie ihre Schützlinge nicht mehr wirklich erreichen konnten. Sie entzogen sich. Ganz einfach. Ohne große Erklärung. Die neue Studie vom Evangelischen Jugendwerk Württemberg (EJW) macht es deutlich: Nicht wenige ehrenamtliche Mitarbeiter sind in dieser Covid-19 Zeit einfach abgetaucht. Man muss wohl mit dramatischen Auswirkungen auf die Gemeinde- und Jugendarbeit rechnen. Kurzfristig. Aber vielleicht auch mittelfristig. Nicht überall, aber an vielen Orten.

So vieles ist anders …

Gemeindearbeit, wie wir sie kannten, ist irgendwie Geschichte. Zumindest fühlt sich das gerade so an. Noch haben Verantwortliche keine wirklich klare Perspektive, wohin sie ihre Leute leiten sollen. Wie wird es werden? Wie kann es werden? Das kostet Kraft … Nicht jeden begeistern Herausforderungen „dieser Qualität!“

Zwei Typen von Leitenden …

Evi unterscheidet zwei Typen von Leitenden, die unterschiedlich auf die Trendprognosen reagieren. Die einen fühlen sich „wie gemacht“ für diese Zeit. Sie nehmen mit Energie die Herausforderung an. Ihr Motto: „Lasst uns mutig und experimentierfreudig ins Ungewisse leiten!“ Der andere Gruppe besteht aus Verantwortlichen, die an der Situation (eher) leiden.

Leiten oder leiden!

Leiten oder leiden! – das scheint eine wichtige Frage zu sein! Um diese zweite Gruppe macht sich Evi Sorgen. Große Sorgen! Bis zu einem Drittel der jungen Leitenden, die Evi begleitet, überlegen, ob sie nicht aus der Verantwortung aussteigen sollten. Was brauchen sie jetzt? Unterstützung, Ermutigung, Begleitung. Definitiv keine Vorwürfe!

Das wird jetzt gebraucht!

Junge Leitende sehnen sich nach Vorbildern, sagt Evi. Frauen und Männer, die gerade jetzt mutig ins Ungewisse leiten und von der Hoffnung des Glaubens getragen sind. Leute, die als Ermutiger an den Start gehen und denen auch Rückschläge nicht den Boden unter den Füßen wegziehen.

Wenn „Kirche nicht mehr geht, wie bisher“, wie soll es dann weitergehen? Mit wem kann die junge Leiterin, der junge Leiter darüber im Gespräch sein? Wer wird sie ermutigen, mit ihnen reflektieren, wenn nötig korrigieren und auf alle Fälle mit begründetem Zuspruch stärken?

Zuspruch. Junge Verantwortliche brauchen gerade jetzt den Zuspruch der vorangegangenen Generation. Und konkrete Anleitung: wie geht man das jetzt mit der Hilfe von Gott an?

Der offene Austausch, der auch Platz für Zweifel, Enttäuschung, Anfechtung hat, ist gefragt. Jüngere Leiter erleben, dass ihre Identität und ihre Rolle, ihr Einfluss, zu eng miteinander verwoben sind. Ich bin was ich leiste, darstelle, erreiche?! Wir Leitungs-Veteranen kennen diese Gedanken. Wie war das bei uns? Was begründet und trägt unsere Identität. Wie kommen wir aus dieser unguten Vermischung wieder in die Balance? Genau das wollen junge Führungskräfte jetzt von uns wissen. Coaching gefragt!

Räume der Wahrheit und Begleitung

Junge Leitende suchen also Räume, in denen ein Miteinander über die Generationen hinweg möglich ist. Räume, in denen man offen, ehrlich, authentisch und ermutigend miteinander unterwegs ist. Gemeinsam um Lösungen ringt, die heute noch nicht da sind. Vielleicht auch noch kaum einer von uns erahnt. Auf alle Fälle gilt: Unsere Kirche kann es sich nicht leisten, die jungen Nachwuchskräfte einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Ganz gleich ob Landeskirche, Freikirche, neue Gemeinden oder Gemeinschaften. Wir sitzen in einem Boot.

Der LEITERBLOG dankt Evi Rodemann für diesen Einblick aus der Praxis, den wir in diesem Blogbeitrag verarbeiten durften.

Evi Rodemann, Theologin und Eventmanagerin, mit großer Leidenschaft engagiert im Bereich Förderung von jungen Leitenden und Jugendleitern innerhalb der internationalen Lausanner Bewegung und der Koordination vom European Youth Ministry Network

 

 

Die Studie der Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg

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Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
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Eine Antwort zu 25% weniger Leute! Wie geht es jungen Leitenden in Zeiten von Corona und Lockdown?

  1. Werner Wegener schreibt:

    … danke, Evi, für diesen Beitrag!
    Denn ich befinde mich in beiden „Altersgruppen“. Wie das? Ich habe im August eine neue Gemeinde in Neumünster (S.H.) gegründet, bin also ein junger, besser ein neuer, Leiter. Und … ich bin 70 Jahre alt – äh jung – und habe nur dem Ruf meines Herrn gehorcht (obwohl ich ehrlich gesagt keine rechte Lust mehr hatte – aber pssst, okay? 🙂
    Jetzt stehe ich mit meinen Gemeindegliedern vor denselben Fragen, die Ihr, die Leser, wahrscheinlich alle habt: Was sollen wir wann wie und wo tun? Auch wir Alten brauchen Ermutigung, Ideen, eingepackt in Weisheit (Jak.1:5), um unseren Weg weiter gehen zu können und zu WOLLEN.
    Zzt. ermutigt mich das Buch „Wahre Geschichten und Wunder der AzusaStreet“, weitergegeben von Tommy Welchel. Ich zähle auf eine Prophetie, die ca. 1909 gegeben wurde, in der es heißt, dass nach ca. 100 Jahren eine weltweite Erweckung kommen wird und nicht mehr endet, bis der Herr zurückkommt. Diese Zeit ist JETZT! Darüber bin ich ganz aufgeregt, denn daran möchte und werde ich teilhaben. LG und Seinen Segen.

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