Bei uns bewegt sich viel. Im Kreis herum.

Es liegt nun schon über 30 Jahre zurück, seit ich diesen Satz zum ersten Mal gehört habe. Gerhard Kirschenmann, mein damaliger Kollege in Altensteig, hatte ihn gerade in die Runde geworfen. Wir hatten als Team mal wieder (zu) viele Events, Angebote, Ideen am Start. Alles war in Bewegung. Wir surften die Erfolgswelle. Aber kamen wir wirklich voran? Oder waren wir nur beschäftigt, ohne etwas tatsächlich zu bewegen?

Diese Fragen haben mich nicht mehr losgelassen. Wie ist das in unseren Organisationen, Kirchen, Gemeinden, Firmen? Viel Lärm um nichts? Viel Staub aufwirbeln, aber doch nicht vorankommen? Gut präsentieren, Eindruck schinden, aber faktisch wenig in Gang setzen? Keine einfachen Fragen, oder?! Eine Führungskraft muss sie von Zeit zu Zeit stellen. Wie Gerhard, Ende der 1980er Jahre. Und dann, 30 Jahre später …

30 Jahre später: die gleiche Frage!

Genau genommen: letzten Mittwoch. Wir sitzen als Team in Mannheim zum ersten Treffen nach der Sommerpause zusammen. Die Stimmung ist gut. Alle freuen sich, die anderen wieder zu sehen. Einer ist neu in der Runde, unser Jugendreferent. Ein toller Typ. Er findet gleich rein. Der Morgen läuft gut.

Irgendwann werfen wir dann den Blick in den Kalender für das Restjahr. Da ist viel geplant. Von uns, aber auch von übergemeindlichen Angeboten, die stark von Viva Leuten mitgetragen werden. Wir sehen, dass wir viel – eigentlich zu viel – auf der Laderampe haben. Was tun? Die Diskussion wird intensiv. Gut so! Und dann fällt mir wieder dieser Satz aus Altensteig ein. Ich fragen in die Runde, inspiriert von Gerhard Kirschenmann:

»Bauen wir etwas, oder sind wir nur beschäftigt, aktiv, am Tun …?«

Nun sollte man mich nicht falsch verstehen. Aktiv zu sein ist ein Kennzeichen eines Leiters, den ich gerne als Beweger charakterisiere. Aber nur aktiv sein, um aktiv zu sein, ist es dann auch nicht. Was ist der Plan? Verfolgen wir einen? Bringt uns das, was wir tun, im Blick auf den Plan auch voran?

Wie wichtig das ist, sehe ich jeden Tag, wenn ich aus unserer Wohnung komme.

Um uns herum wächst ein neuer Stadtteil. Mannheim-Franklin. Hier wird richtig viel gebaut. 10.000 Leute werden hier am Ende wohnen. Viele, viele Leute sind dafür jeden Tag aktiv. Unmengen an Material wird beigeschafft. Energie eingesetzt. Was alle unterschiedlichen Bauprojekte in Franklin gemeinsam haben: sie haben einen Auftraggeber und folgen einem eigenen Plan. Am Ende entstehen viele Gebäude.

Was bauen wir?

Wer ist unser Auftraggeber? Kopieren wir ein anderes Gebäude, oder werden wir ein Original? Nach welchem Plan gehen wir vor, sollen wir vorgehen? Das sind zentrale Fragen im Aufbau einer jeden Organisation. Wir wollen ja kein Beschäftigungsprogramm auflegen, um die Leute bei Laune zu halten. Deshalb diese Fragen. Sie sind so entscheidend! Es braucht ein klares Zielbild! Sonst kann die Mühe vergebens sein, wie Mark Twain es gut auf den Punkt bringt:

»Als wir unser Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.«

Viele erleben einen Druck im Alltag des Gemeindelebens. Oft brauchen wir schnelle Erfolge, oder schnelle Lösungen, damit es läuft! Probleme zu lösen, Störungen zu beheben und mit Teams die Gemeinde zu Erfolgen zu führen, ist Teil der Führungsaufgabe. Also alles gut, könnte man sagen. Wenn es gelingt, fühlt es sich auch richtig gut an. Eine erfolgreiche Veranstaltung oder ein gelungenes Projekt, kann einen schon begeistern und manchmal sogar berauschen! Als wir das Brauhaus in Gifhorn kaufen konnten und mit vielen Leuten aus der Stadt eröffneten, war das so ein Moment. Er wird unvergessen bleiben. Aber so ein toller Moment klärt nicht zwingend, was wir mit den Events, Angeboten, Projekten, Initiativen … eigentlich genau bauen wollen! Auf der Langstrecke ist diese Antwort aber entscheidend!

Ein bekanntes Cartoon visualisiert den Punkt sehr gut:

Die langfristige Frage!

Persönlich gefragt: An was baust du gerade mit deinem Leben: wofür investierst du deine Zeit, Kraft, Geld, Träume …? Gemeindlich gefragt: Was genau bauen wir überhaupt mit dem, was wir ständig tun? Sind wir strategisch auf das ausgerichtet, was unser Bauauftrag als Organisation, als Gemeinde ist? Sind wir an etwas Großem dran, oder wollen wir nur das Programm des nächsten Monats stemmen. Oder streben wir nur den „nächsten Erfolg“ an, lösen das “nächste Problem“ oder stopfen das „nächste Loch“? Wie eine Feuerwehr. So empfanden das viele von uns damals in Altensteig.

Woran also bauen wir planmäßig, systematisch, gründlich, fokussiert und konstant? Und wie überprüfen wir den Baufortschritt? Was schützt uns vor Selbstbetrug? Und wie sorgen wir dafür, dass am Ende nicht der Satz auch auf uns zutrifft: „Bei uns bewegt sich viel. Im Kreis herum.“

Die Falle: Gute Dinge tun!

Eine gute Antwort auf diese Fragen, bewahrt uns vor einer gefährlichen Falle: »Die gute Aktion!« Bekanntlich ist das GUTE der Feind vom BESTEN. Um unsere Bestimmung zu leben, braucht es ein klares »JA mit Commitment« zum Bauherrn, seinem Bauauftrag, dem Zielbild sowie dem konkreten Plan und der passenden Strategie.

Das schließt ein notwendiges NEIN – auch zu den für sich genommen guten Dingen – mit ein. Wir könnten gute Dinge mit Überzeugung tun, aber wenn sie nicht zum Plan passen, werden sie uns nicht weiterbringen. „Bei uns bewegt sich viel. Im Kreis herum.“

Die Priorität auf das zu legen, was wir bauen sollen, ist dagegen kraftvoll und wirksam! Die kleinen sinnvollen Einzelaktionen, Projekte, Prozesse … fügen sich in das große Bild und ergeben Sinn. Wie ein Mosaik aus vielen kleinen, unterschiedlichen Steinen besteht, so könnte das auch bei uns sein. Tolle Details, die aber erst im Gesamtbild ihre eigentliche Bedeutung entfalten. Deshalb ist diese grundlegende Frage, was wir bauen sollen, so kritisch!

Wie packen wir das an?

Um zu einer Antwort zu kommen, stelle ich mir jeweils diese Fragen:

  1. WAS IST DIE MISSION? Wir klären den Auftrag
    • (Jesus ist der Bauherr!)
  2. WAS IST DIE VISION? Ein Bild der Zukunft, ein ein Traum, geweckt durch den Auftrag und verknüpft mit unserem Kontext.
    • (Architekten in der Kirche! Sind das die Leitenden, die die Wünsche des Bauherrn kreativ, klug, stimmig und ästhetisch entwerfen?)
  3. WAS IST UNSERE STRATEGIE? Wie sieht der Weg konkret aus, um den Auftrag tatsächlich zu folgen und den Traum erfüllt zu sehen?
    • (Die Bauleitung plant die Umsetzung. Alles hat seine Ordnung, seine Reihenfolge! So wichtig bei einem komplexen Bau. Das sind sicher die Frauen und Männer in der Gesamtleitung der Gemeinde, unter Beratung der Bereichsleiter und weiterer Fachleute.)
  4. WAS SIND UNSERE AKTIONEN? Wie bringen wir unsere spezifischen (geistlichen und natürlichen) Gaben, Talenten an den Start? Wir reflektieren: was ist unser gesellschaftlicher Kontext …, was brauchen die Menschen, denen wir dienen … So entwickeln wir Angebote (Events, Projekte, Programme, Produkte …) die wir als Konsequenz aus Schritt 1 – 3 aufsetzen.
    • (Alle Leute der Kirche bringen ihre Gaben ein. Wir sind alle die Mitarbeiter von Gott!)

Diese Schritte, in der Reihenfolge, schaffen für mich viel Klarheit. Leitende stellen sich diese Fragen und finden Antworten beim Bauherrn. So inspirieren sie mit ihren Antworten auch ihre Teams und sorgen damit für Einheit und Begeisterung.

Wir beginnen zu bauen, anstatt uns im Kreis zu drehen!

Über Lothar Krauss

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