Als Vorbild leiten. Muss das sein?

Muss ich als Leitungsperson ein Vorbild sein? Andere Leute schauen auf uns als Verantwortliche und machen aus uns etwas, ob wir es wollen oder nicht. Sie machen uns zu einem Vorbild, manchmal auch zu einem Feindbild, weil wir nicht so sind, wie sie es sich wünschen! Das liegt durchaus eng beieinander. Wir müssen als Leiterinnen und Leiter damit umgehen. In den Zeiten der Pandemie und danach ist so manchem Verantwortlichen deshalb die Puste ausgegangen. Wie passen Ideal und Realität zusammen?

Vorbild sein, ob es uns gefällt oder nicht!

Ein Vorbild sein ist eine mühsame Sache, wie Tobias Teichen treffend feststellte. Manchmal würde ich mich selbst gerne aus der mir zugeschriebenen Erwartungsrolle herauswinden. Aber ich komme da nicht raus! Wenn ich dann versage, was passiert, hat das Auswirkungen. In dem Bereich, in dem ich aktiv bin. Dort, wo ich Einfluss habe. Die Skandale in der Gesellschaft, auch in den Kirchen und Freikirchen, zeigen das. Oft sind sie ausgelöst durch ihr Führungspersonal. Durch Leute wie mich. Mir macht das zu schaffen. Ich will das ja nicht. Aber vermeiden kann ich es auch nicht. Mein Handeln hat Auswirkungen. Oft positiv, aber auch negativ. Was wir tun, oder lassen, spielt also eine Rolle. „Du kannst deinen Kindern sagen was du willst, sie machen dir doch alles nach!“ Dieser Satz bringt es auf den Punkt. Passt diese Überlegung zum biblischen Befund?

Die biblische Sicht auf die Rolle

Der Befund: Verantwortliche sollen Vorbilder sein. Allerdings: die ersten Leiter in der Kirche waren nicht nur begeistert darüber!

Hier ein O-Ton vom engen Vertrauten von Jesus, Petrus:

„Sorgt für die Gemeinde Gottes, die euch anvertraut ist, wie ein Hirte für seine Herde. Seht in der Verantwortung, die ihr für sie habt, nicht eine lästige Pflicht, sondern nehmt sie bereitwillig wahr als einen Auftrag, den Gott euch gegeben hat. Seid nicht darauf aus, euch zu bereichern, sondern übt euren Dienst mit selbstloser Hingabe aus. Spielt euch nicht als Herren der ´Gemeinden` auf, die Gott euch zugewiesen hat, sondern seid ein Vorbild für die Herde.“

1. Petrus 5,2–3.

Petrus ist mit der Erwartung, das Verantwortliche als Vorbilder ihre Aufgabe interpretieren, nicht allein. Ein kurzer Blick ins NT zeigt es:

Eine Aufzählung der konkreten Erwartungen an Leitungspersonen in der Kirche mündet bei Petrus in der Aufforderung, die wir häufiger im NT antreffen: „… sondern seid ein Vorbild für die Herde.“

Einige finden die Erwartungen zu hoch, die im Bild der Antike (Hirte, Herde von Schafen …) veranschaulicht werden. Schauen wir sie uns an:

  • sorgt … für die, die uns anvertraut sind
  • ihr habt Verantwortung (für sie)
  • bewertet diese Verantwortung nicht als eine lästige Pflicht
  • sondern stellt euch bereitwillig zu ihr
  • seht darin einen Auftrag, den Gott euch gegeben habt
  • nutzt die Rolle nicht aus, um euch materiell zu bereichern (oder sonstige Defizite der Seele mit ihr zu kompensieren? Meine Anmerkung!)
  • lebt eine selbstlose Hingabe an die Herde
  • wir sind dabei nicht die „Herren“ der Gemeinde (der Boss, Chef, Ratsherr …)
  • Gott hat den Leitungspersonen die Rolle zugewiesen als DIENER (so wie Jesus als Diener gekommen ist)

Als Alternative zu den kritisierten Einstellung sollen wir Vorbilder als Leitungspersonen sein (nicht werden!!! – Es hat jetzt schon Auswirkungen, wie wir das angehen mit der Kirche!) schreibt Petrus. Mancher meint: das ist zuviel. Das packt man nicht. Das ist eine Überforderung! Sollte man deshalb davon abrücken?

Eine Überforderung! Sollte man deshalb davon abrücken?

Was passiert, wenn man davon abrückt? Wann die Latte tiefer gelegt wird? Ich versuche mich mal an der Liste:

  • PRAXIS: wir sorgen nicht für die Leute der Gemeinde …
  • HALTUNG: betrachten sie nicht als uns von Gott anvertraut
  • tragen nicht Verantwortung (für sie)
  • Im Gegenteil: wir sehen diese Verantwortung als eine lästige Pflicht
  • Widerwillig kämpfen wir mit der Aufgabe
  • lehnen den Auftrag, den Gott gegeben hat, ab
  • nutzt die Rolle aus, um uns materiell zu bereichern (oder auch sonstige Defizite der Seele zu kompensieren? Meine Anmerkung!)
  • leben eine selbstsüchtige Haltung gegenüber der Herde
  • wir sind die „Herren“ der Gemeinde (der Boss, Chef, Ratsherr …)
  • nehmen die uns von Gott zugewiesene Rolle nicht als DIENER an

Vorbild zu sein, wie Petrus mich auffordert, gelingt mir an manchen Tagen ganz gut, an anderen Tagen eher nicht so. Die Reaktionen und Folgen sind schön (wenn es gelingt) und schwer (wenn ich versage) zugleich.

Und dann ist da noch die Herde!

Gar nicht einfach, in so einer Ortsgemeinde zu leiten. Das war es offenbar auch für Paulus, den großen Apostel, auch nicht. An die Kolosser schreibt er über seinen Kollegen Epaphras:


„Ich bezeuge ihm, dass er viel Mühe hat um euch und um die in Laodizea und in Hierapolis.“

Kolosser 4,13

Das macht was mit uns! Was? Mühe. Es ist zuweilen echt mühsam! Manchmal klopft Selbstmitleid – genau in diesen Momenten – an der Tür!

Du stehst nicht allein mit dieser Erfahrung! Und das ist auch nicht auf die hauptberuflichen Leitungspersonen in Kirchen, Gemeinden, Gemeinschaften … beschränkt. Ehrenamtlichen Verantwortlichen, die nach Feierabend ihr Herz, ihre Kraft und ihre Zeit investieren, geht es immer wieder auch so.

Wir müssen uns ihr stellen und eine Strategie im Umgang mit Selbstmitleid und den Erwartungen, die an uns Leitungspersonen gerichtet sind, entwickeln.

Was hilft DIR im Umgang mit dieser »Vorbilderwartung«?

Hast du gute Wege gefunden, wie du als Leitungsperson mit der Spannung umgehst? Ich bin auf deine Erfahrungen und Gedanken gespannt. Die Kommentare sind geöffnet.

Über Lothar Krauss

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3 Antworten zu Als Vorbild leiten. Muss das sein?

  1. Daniel Allgaier schreibt:

    Habe erst vor einigen Tagen gehört, dass die Haupteigenschaft eines Leiters seine Rolle als Vorbild sein sollte. Dein Blogeintrag bestätigt mir das genau zur richtigen Zeit. Ich selber habe das Vorbildsein für andere in meine Lebensvision verankert, weil ich es für so essentiell halte.

  2. Egard Tetzlaff schreibt:

    Vorbildfunktion hat für mich etwas damit zu tun, welches Bild bzw. welche „Realität“ ich mit meinem Leben offenbare bzw. vorgebe (vorbilde).
    Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der Leiter nicht oder fast nie über ihre Kämpfe und Schwächen gesprochen haben. Als Junggläubiger dachte ich, ich bin der einzige, der Kämpfe hat. Alle anderen sind superheilig, nur ich nicht. Mit der Zeit sah man die zum Teil eklatanten Defizite von Führungskräften mit entsprechenden Folgen für die Kirche.
    Eine wichtige Vorbildfunktion ist für mich der Umgang mit Schwächen und Versagen. Wer sich einen Nimbus der Unfehlbarkeit aufbaut kann andere nur enttäuschen. Als Leiter gilt es unseren Umgang mit Schwächen und Versagen in einem zumutbaren Rahmen transparent zu machen und den Umgang damit aufzuzeigen. Fehler eingestehen, um Verzeihung bitten, sich entschuldigen und anderen immer wieder vergeben.
    Es ist im Kern eine Fehler- und Vertrauenskultur die es gilt aufzubauen. Räume zu schaffen, in denen Menschen in vertrauter Umgebung ihre Kämpfe und Schwächen benennen dürfen. Das wird maßgeblich durch die Vorbildfunktion des Leiters erzeugt und durch seinem Umgang mit dem eigenem Versagen und dem der Anderen.
    Eine Studie besagt, dass erfolgreiche Teams mehr Fehler machen als andere. Bei näherem hinschauen stellte man dann fest, dass die erfolgreichen Teams nicht mehr Fehler produzierten, sondern diese nur transparenter machten und darin Lernchancen erkannten.

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