BEWAHRENDE BEWEGER? | Neue Leiter … Teil 4

»Die Kirche braucht an ihren Schlüsselstellen Beweger, nicht Bewahrer!« Die These aus dem 2. Teil der Serie fordert heraus und will differenziert werden. Wir sprechen in den nächsten Teilen deshalb über »Bewahrende Beweger«, »Bewegende Bewahrer« und von »Bewahrern« die denken, »Beweger« zu sein. Vorsicht Zündstoff, mag man da denken. Stimmt. Los geht’s:

»Bewahrende Beweger«

»Bewahrende Beweger« sind Frauen und Männer, die etwas bewegen! Sie setzen etwas in Bewegung und bringen es nach vorn. Das tun sie auf einer Grundlage, die bereits besteht. Warum? Weil diese Grundlage für die Zukunft der Kirche, Gruppe … auch weiterhin Sinn ergibt. Deshalb ist es für eine Kirche (Organisation …) wertvoll und soll bewahrt werden. Der Fokus der »bewahrenden Bewegern« liegt – bei aller Bewahrung – jedoch eindeutig auf der Zukunft! Während das der Fokus ist, wird im Rückspiegel all‘ das Gute, das da ist, im Auge behalten. Konkret?

Ein Beispiel …

In Gifhorn leite ich in der FCG den fünften Erneuerungsprozess in einer Kirche an, seit ich 1988 in den Dienst als Pastor gestartet bin. Einen Einblick, wie wir das konkret in der FCG mit dem BEWAHREN & BEWEGEN machen, ermöglicht diese Serie auf dem Blog. In Kürze kommt noch ein Update dazu, nachdem letzte Woche die erste Phase (ca. 2 Jahre) zum Abschluss gekommen ist. Auch an allen anderen Orten habe ich in den letzten drei Jahrzehnten den Prozesse in ähnlicher Art gestaltet. Dabei entdeckte ich meine Berufung als »bewahrender Beweger«.

Diese Rolle gestaltete ich so, dass wir eine sorgfältigen Analyse der Geschichte der Gemeinde vornahmen, das aktuellen Potential an motivierten Mitarbeitenden feststellten, die bestehenden Strukturen kritisch reflektierten, eine Kontextanalyse  machten u.a.m. Alles, was für die Zukunft taugen könnte, wollten wir bewahren und weiterverwenden! Aus Überzeugung. Ich habe das als »bewahrender Beweger« gesucht und war immer sehr begeistert, wenn wir fündig wurden. Aber es war und ist auch mühsam!

Bewahren = bremsen?

Wirkt sich das bewahrende Element bremsend aus? Auf alle Fälle! Manche Entwicklung hat sich dadurch sicher verlangsamt. Und manchmal habe ich – fast – neidisch auf Kollegen geschaut, die als »Vollblutbeweger« etwas richtig Neues an den Start brachten. Erfolgreich. Nachhaltig. Dynamisch! Respekt.

Aber was sollte ich tun?

Man kann nicht jede Straße mit »Vollgas« fahren. Ich hatte und habe eine andere Berufung! Meine Strecke erfordert, dass ich ein überlegtes Zusammenspiel von »Gas geben« und »bremsen« lernen und beherrschen musste. Durch manche Kurve bin ich trotzdem zu schnell, auf anderen Streckenabschnitte zu langsam gefahren. Bis heute geht mir das noch so. Ein Leid, mit dem sich »bewahrende Beweger« auseinandersetzen müssen. Und versöhnen. Bin ich deshalb kein guter Leiter, Beweger? Was ist überhaupt ein guter Leiter? Vielleicht muss die Frage lauten: Welchen Leiter erfordert die konkrete Situation? Meine ehrliche Frage muss aber trotz aller Differenzierung »am Ende des Tages« lauten: Bewegt sich etwas durch mich in einem angemessenen Zeitraum? 

»Werde die beste Version von Dir!«

Es ist für Gott nicht so entscheidend, ob ich ein »Beweger« oder ein »bewahrende Beweger« bin. ER hat mir mit der Berufung eine Identität und Möglichkeit gegeben, in die ich hineinwachsen kann. Meine Absicht: Die beste Version von Lothar Krauss zu werden, die von Gott her gesehen möglich wäre! Und: Auf beste Art meine Berufung leben, die mir gilt. Das waren und sind meine einzigen echten Chancen!

Ich bin nicht für jede Situation die gute Leitungsbesetzung!

Und das bedeutet, dass ich nicht für jede Gemeindesituation die gute Besetzung bin! Das ich nicht alles tun kann, was ich gerne tun würde. Und das ich nicht in jede Rolle hineinfinden kann, die ich gerne ausfüllen würde. Das ist nicht immer einfach einzusehen, das schmerzt mitunter und manche meiner Träume mussten einfach platzen. So ist das! Hätte ich das früher verstanden, hätte ich mir manche Not erspart.

Was nicht erspart bleibt!

Auch dem »bewahrender Beweger« bleibt es dabei nicht erspart, dass er oder sie Leute frustriert, Erwartungen nicht erfüllt und Wünschen nicht nachkommt. Auch »bewahrender Beweger« müssen Veränderungen einleiten, die schmerzen. Jeder, der bewegen will, hat diesen Preis zu bezahlen. Zu viel Harmoniebedürfnis ist kontraproduktiv! Auch bei einem »bewahrenden Beweger«!

Zu viel Harmoniebedürfnis ist kontraproduktiv!

Welche Situationen brauchen »bewahrende Beweger«?

Im Gegensatz zu starken Pionieren, die ganz Neues in Bewegung bringen, wird der »bewahrender Beweger« häufig behutsamer, nachdenklicher und im Tempo langsamer vorangehen wollen. Das hat den Vorteil, dass er oder sie mehr gute Veteranen mitnehmen kann. Für Kirchen, die bereits eine längere Geschichte haben, ist das wichtig. Für junge Kirchen, die in Zukunft durch diesen Prozess gehen werden, wird es wichtig. Meine Freikirche lebt mit einer längeren Geschichte und über 800 Ortsgemeinden. Nicht alle Gemeinden werden von Grund auf – mit jungen Leuten – neu gestartet werden 😉 Viele brauchen aber bald »bewahrender Beweger«, um eine Zukunft zu haben. ABER: manchmal braucht es in der bestehenden Gemeinde einen krassen Neustart!!! Da hilft kein »bewahrender Beweger« , da hilft nur ein »Beweger«! 

Hunderten, vielleicht tausenden von Kirchen sind in der westlichen Welt verschwunden, weil sie nicht mehr in Bewegung blieben. Das lehrt uns, dass wir in keine falsche Sicherheit geraten dürfen. Wir brauchen immer »Beweger«! Und wenn es  »bewahrender Beweger« sind. 🙂

»Bewegende Bewahrer«

Im Unterschied zum »bewahrenden Beweger« liegt beim »bewegenden Bewahrer« der Schwerpunkt auf dem BEWAHREN! Dieser Impuls ist Teil seiner Identität und Berufung. Der bewegende Anteil taucht jetzt als Adjektiv auf. Immer noch vorhanden, aber eben nicht der Schwerpunkt. »Bewegende Bewahrer« sind tolle Teamplayer. Sie haben ein gutes Verständnis für die Notwendigkeit, dass sich Dinge bewegen müssen. Sie verstehen die eigenen Grenzen, im Blick auf diese Notwendigkeit. Das verhindert, dass sie zu »Bremsern« werden. Ihre Fähigkeit, gute Entwicklungen und Errungenschaften konstruktiv zu stabilisieren, stärkt die »Mannschaft« und sorgt dafür, dass Erfolge eingefahren werden. Wie in einer gut funktionierenden Fußballmannschaft.

Das Bild der Fußballmannschaft

Das Spiel durchläuft unterschiedliche Phasen in den 90 Minuten. Die Mannschaft braucht Beweger, von denen Impulse ausgehen, die das Spiel lenken und die Mannschaft nach vorn treiben. Toni Kroos scheint so ein genialer Lenker und Impulsgeber zu sein. Sie müssen Entscheidungen treffen, Mut aufbringen, Initiative ergreifen und etwas riskieren. Und dann gibt es Phasen im Spiel, in denen die Mannschaft den Ball sicher durch ihre Reihen laufen lassen muss, das Ergebnis halten, gefährliche Situationen vermeiden sollte. Alle müssen dann verteidigen, lange Wege gehen, nicht am Mittelkreis stehen bleiben. Immer geht es um das gemeinsame Ziel. »Beweger« und »Bewahrer« haben ihre Rollen und in gegenseitiger Wertschätzung stellen sie sich in den Dienst der Mannschaft.

»Große Spieler sind große Entscheider. Sie wissen, wann sie passen, wann sie schießen, wann sie verteidigen und wann sie angreifen müssen – stets zum größtmöglichen Nutzen der Mannschaft.« | Carlo Ancelotti

Im nächsten Teil: APOSTEL – die »Beweger« der Kirche.

Fortsetzung folgt.

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Über Lothar Krauss

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12 Antworten zu BEWAHRENDE BEWEGER? | Neue Leiter … Teil 4

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  5. Stefan Dupont schreibt:

    Danke für die Differenzierung, dass tut gut. Nicht alle Leiter sind gleich. Und es hilft nicht, nur einen Typ Leiter als das einzige Vorbild hinzustellen.
    Ich entspreche nicht dem „Beweger“ der alles neu macht. Deshalb habe ich an meiner Berufung als Leiter manchmal gezweifelt. Dieser Beitrag holt mich wieder ab, auch wenn er mich nach wie vor herausfordert. (Was gut ist.)

  6. Bernhard Olpen schreibt:

    Sehr guter Beitrag, Lothar, deine demütige Art dich selbst einzuschätzen hat mich beeindruckt- Respekt!! Beste Grüße Bernhard

    Von meinem iPhone gesendet

    >

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