Habgier. So heißt die Episode #7 vom Podcast »Toxic Church« die mit diesen Worten angekündigt wird: „Wir haben Post – von einem Whistleblower, der sich uns gegenüber als Markus vorstellt. Von ihm bekommen wir ein internes Dokument zugespielt, das uns ziemlich tiefe Einblicke in die Finanzen von Hillsong Germany e.V. ermöglicht. Markus erzählt uns, dass die Führungspersönlichkeiten seiner Kirche nicht rechtens mit den Zehnten und weiteren Spenden der Mitglieder umgehen würden.“ In meiner Reflexion orientiere ich mich weiter am eigenen Anspruch der Podcaster, nämlich den Fokus auf die Arbeit von Hillsong Germany zu legen.
- Was nehme ich wahr?
- Was kann ich nachvollziehen?
- Was macht mich nachdenklich am Podcast?
- Anfragen aus dem Podcast, die ich mir stelle:
- Was schlussfolgere ich daraus?
Was nehme ich wahr?
Es geht ums Geld!
Kirche, Glaube und Geld. Das ist eine Zusammenstellung, die immer Interesse erzeugt. Und mit den Dokumenten, die der Whistleblower, der aus den eigenen Reihen von Hillsong Konstanz kommt, wird es konkret.
Kräftige Vorwürfe!
Der Whistleblower sagt, dass „ … die Führungspersönlichkeiten seiner Kirche nicht rechtens mit den Zehnten und weiteren Spenden der Mitglieder umgehen“ würden. „Markus“ (nicht sein richtiger Name), stellt einen gewichtigen Vorwurf in den Raum, den die Podcaster in der Episode öffentlich machen.
Der Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP K.d.ö.R.) wird eingeschaltet
Der BPF, mit dem ich seit 1986 verbunden bin und der mich zum Pastor ordiniert hat, wird vom Whistleblower eingeschaltet. Mit Peter Bregy, Generalsekretär und Pastor im BFP, bin ich schon lange verbunden. Wir kennen uns gut. Das ist spannend für mich. Ich kann direkt nachfragen.
Und ja, sachlich betrachtet bin ich befangen! Obwohl mir meine „eigenen Leute“ zum Teil das Gegenteil unterstellen 😉. Andere werfen mir das aber vor, weil ich ja aus dem gleichen Stall komme. Ich hätte es verschleiert. Naja, in der Episode #1 habe ich das direkt, also zu Beginn der Reflexionen, offengelegt. Meine Reflexionen sind – auch nichts Neues – persönlich und eben meine Sicht, wie ich die Episoden höre und mich dazu verhalte. In Episode #0 der Reflexionen habe ich das ausgeführt.
Die Excel-Datei
Das Corpus Delicti ist eine Excel-Datei, die „Markus“ als Anhang unrechtmäßig erhalten hat. Namen der Spender sind darin zu finden, auch die Spendenhöhe. Über Jahre liegt diese Datei auf seinem Rechner. Im August 2021 (42:21), also neun Monate bevor er auf die Hillsong Church zugeht, wendet er sich mit dieser Datei an den BFP. Im April 2022 (35:25) dann auch an Hillsong. Der Generalsekretär des BFP, Peter Bregy, hat sich damals der Sache sofort angenommen, sagt die Podcasterin. Er konfrontiert Hillsong mit den Vorwürfen. Der Vorstand von Hillsong Germany reagiert und geht auf die Vorwürfe ein.
Aber die Antworten, die der BFP auf Nachfrage von Hillsong Germany bekommt, reichen dem Whistleblower nicht. Er will einerseits der Kirche in Konstanz nicht schaden, andererseits plagt ihn sein Gewissen. Entgegen seiner ursprünglichen Absichten, reicht er die Dokumente schließlich doch an die Presse weiter.
Mir wurden interne Daten im Zuge meiner Reflexionen auch angeboten. Aus rechtlichen und ethischen Gründen (Namen der Spender, Spendenhöhe) habe ich das für mich abgelehnt. Ich bin kein Journalist. Und darüber hinaus ist eine Excel-Datei immer nur ein Bericht aus dem Finanzprogramm Optigem, mit dem Hillsong seine Buchhaltung erstellt. In dem Programm können für diese Excel-Auswertungen Filter gesetzt sein, von denen ich nichts weiß. Auch die Datei selbst, kann ja bearbeitet werden. Wie kommt man da zu einer soliden Einschätzung? Für mich war das nicht möglich.
Die Datei soll einen Blick auf das Konto von Hillsong Germany aus den Jahren 2010 – 2015 ermöglichen. Enthält sie alle Daten? Alle Buchungen? Ein geprüfter Jahresabschluss mit gleichzeitigem Einblick in die Buchhaltungssoftware ist vermutlich der einzige Weg, um diese Fragen zu beantworten.
Kein Statement von Hillsong!
Immer wieder erwähnen die Podcaster diesen Punkt. Hillsong hat dazu schon Stellung bezogen. Ich habe den Lead Pastor in unserem Gespräch, das am kommenden Donnerstag als Video u. Audio online gehen wird, dazu noch einmal befragt.
Recherchequalität
Neben der insgesamt doch dünnen Quellensituation bemängele ich in meinen Reflexionen auch immer wieder die überschaubare Recherchequalität. Hier wieder Beispiele aus dieser Episode:
»Der BFP sei ein Verbund aller deutschen Freikirchen, in dem auch Hillsong Mitglied sei.«
Nun, der BFP ist selbst eine der Freikirchen in Deutschland. Der Verbund der Freikirchen ist die Vereinigung evangelischer Freikirchen, die VEF. Viele Freikirchen haben sich dort verbunden, aber nicht alle Freikirchen, die es in Deutschland gibt.
Frau Funk hat sich selbst den Anspruch gesetzt, über Hillsong Germany investigativ zu podcasten. In #7 ist ihr Thema das Geld, das Geben bei Hillsong Germany. Sie sagt, „dass das Geben in der pfingst-evangelikalen Freikirche wirklich ganz großgeschrieben wird.“ Und dann sagt sie, dass sie das aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Ab Minute 10:36 ihr O-Ton, der mich stutzig machte:
„Bei den beiden Gottesdiensten, die ich in New York und Berlin besucht habe, lagen Briefumschläge auf jedem einzelnen Stuhl …“
Sie machte einen Podcast über Hillsong Germany, besucht aber gar keinen Gottesdienst, keine Location von Hillsong Germany? Sondern die in New York City und Berlin? Und dann wechselt sie fliegend wieder zu Germany, ohne das in ihrer Moderation kenntlich zu machen:
„Und auch online adressiert Hillsong das Thema Geld sehr klar. Freimut Haverkamp, der Lead Pastor von Hillsong Germany erklärt in einem auf der Webseite eingebunden Video, warum Gott von seinen Anhänger:innen erwartet, regelmäßig und reichlich Geld zu spenden.“
Ich frage mich an diesem Punkt wieder einmal, ob es nicht besser für den Podcast gewesen wäre, sich nicht auf Hillsong Germany zu fokussieren, um genau diese Ungenauigkeiten zu vermeiden? Überrascht war ich allerdings schon, dass Frau Funk selbst keinen (!) Gottesdienst der deutschen Locations aufgesucht hat, während sie an einer 8-teilige Podcastserie arbeitete.
Die pfingst-evangelikale Freikirche
Und noch etwas ist mir aufgefallen: Sie spricht oft von der pfingst-evangelikalen Freikirche, wenn sie von Hillsong redet. Dieser Begriff ist meines Wissens und meiner Erfahrung nach weder national, noch international gebräuchlich. International spricht man von den Pentecostals, von Pentecostalism oder dem classical Pentecostalism der eine Protestantische charismatische Bewegung von Christen ist. In Deutschland ist der größte Zusammenschluss pfingstlicher Gemeinden im BFP anzutreffen, der sich als evangelisch-pfingstliche Freikirche bezeichnet und auch so bei Wikipedia vorgestellt wird.
Wollen die Podcaster Hillsong, den BFP … in Verbindung mit dem – in der Öffentlichkeit – verbrannten Begriff der Evangelikalen bringen, wenn sie von einer pfingst-evangelikalen Freikirche sprechen?
Last but not least: Kingdom Builder: müssen sie 1.500,- € (22:55) oder doch 3.000,- € (21:35) zusätzlich spenden, um zu dieser Gruppe aufsteigen zu können?
Was kann ich nachvollziehen?
Das Thema Geld!
In meinen Begegnungen mit Hillsong spielte das Thema Geld immer eine Rolle. Die „Kollektenpredigt“ ist mir – wie auch Sandra – aufgefallen. Nicht nur bei Hillsong, sondern in viele deutschen Freikirchen, die sich mehr von internationalen Quellen inspirieren lassen.
In unserer hiesigen freikirchlicher Kultur ist das „Thema Geld“ eher ein Tabuthema. Zumindest wenn ich die letzten 44 Jahre Revue passieren lasse. International wird damit offensiver umgegangen. In den USA sind „Spendengalas“, Missionsevents, bei denen Missionare „versteigert“ werden (also Spendenzusagen für einen Zeitraum erhalten), eher üblich als in unserem – auch kirchlichen – Kulturraum.
Dass Großspender besonders „betreut“ werden – alles ganz normal – in Übersee! Aber bei uns? Und überhaupt, ist das gut, wenn das so geschieht? Ich frage nicht, ob das Erfolg bringt, also Geld. Jakobus 2,1-9 würde mich zu einer anderen Strategie inspirieren. Doch der kulturell internationale Einfluss im Umgang mit Spendensammlungen ist auch in säkularen Bezügen häufiger anzutreffen. Spendengalas, Events für besondere Spender … Das kommt auch in unserem Kulturraum immer häufiger vor.
Hillsong ist eine Kirche, die sehr stark internationale Einflüsse mitbringt. Kulturell ist uns etliches fremd. Auch die Kingdom Builder und wie die Gruppen alle heißen, liegt uns nicht so. Und ja, hier muss man sorgfältig nachdenken! Biblisch, und auch kulturell!
Was macht mich nachdenklich am Podcast?
Hillsong und Geld!
Wie geht Hillsong mit Finanzen um? Sie haben wirklich hohe Einnahmen. Die Aktion „Mein Herz für sein Haus“, im November einen jeden Jahres, also zu der Zeit im Jahr, in der es Weihnachtsgeld oder Sonderzahlungen gibt, ist in der Tat klug gewählt. Entsteht durch so eine Aktion über einige Wochen ein Druck, der Menschen zu Entscheidungen verleitet, die sie im Nachhinein bereuen? Weil sie mitgerissen wurden? Gibt es eine ungute Kultur dazu bei Hillsong Germany?
Gibt es eine zu große Betonung auf Geld, Zahlen, Wachstum? Vielleicht auch eine vereinfachte Theologie, die Erfolg und Reichtum in Aussicht stellt, wenn man gibt? Ein Leben voller Segen, wenn man nur richtig …?
Aus drei Besuchen in den Jahren 2010 – 2016, kann ich das nicht seriös reflektieren. Doch ich denke, dass man hier als Kirche immer genau hinschauen muss. Und Hillsong, weil sie richtig viel Geld bewegen, sicher noch intensiver. Das kritisch in die eigene Selbstreflexion zu nehmen, wie das auch bei der Frage nach der ehrenamtlichen Mitarbeit nötig ist, ist eine „Lebensversicherung“ für die Church. Und nicht nur für Hillsong Germany, für uns alle in den Freikirchen!
Lebt Hillsong eine Mindesttransparenz?
Mindesttransparent müssen Vereine sein, sagt Burkhard Wilke. Er ist der Geschäftsführer und wissenschaftliche Leiter des DZI (Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen). Sie vergeben das begehrte Spendensiegel für gemeinnützige Einrichtungen und Organisationen. Hillsong Germany e.V. muss sich diesen Anforderungen besonders stellen. Zumal bei diesen Spendensummen! Tut das Hillsong Germany?
Vereine sind gesetzlich nicht verpflichtet einen Finanzbericht zu veröffentlichen. Das wird im Podcast auch gesagt. Hillsong tut das dennoch seit einigen Jahren mit ihren Jahresberichten. Sie sind hier im Netz zu finden. Darin enthalten: viele Zahlen (liebt Hillsong Zahlen?) und die Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine Bilanz. Das 8P Steuerbüro in Siegen, 2021 durch die Herren Sluiter und Pauly vertreten, die Juristen und Steuerberater sind, hat den Jahresabschluss angefertigt. Das sei schon einmal gut, wie das im Podcast festgestellt wird. Stimmt. Ich kenne nicht zu viele Kirchen, die das so machen.
An dieser Stelle füge ich einen Hinweis ein, der zur sachlichen Einordnung nötig ist, in wie fern die Finanzberichte geprüft wurden:
Die Finanzberichte weisen keine Zertifikate auf, die eine externe, fachkundige Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit und rechtlichen Übereinstimmung mit Gesetz und Satzung von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern oder vereidigten Buchprüfern bestätigen. Ein Certificate ist ein Prüfvermerk eines Verbandes (zugelassene Prüfstelle) oder eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers.
Alle drei Geschäftsberichte, die Hillsong Germany auf seiner Internetseite zum Download bereitstellt, weisen eine Bescheinigung der Steuerberatungsgesellschaft vor, die im Lauf der letzten drei Jahre zwar graduell angepasst wurde, letztlich aber nur bescheinigt, dass eine fachkundige Erstellung stattfand. Eine Prüfung wird nicht bescheinigt. Das ist im Vereinsrecht auch nicht immer üblich.
Es wird im Podcast bemängelt, das nicht die einzelnen Gehälter der Angestellten ausgewiesen werden. Das war mir neu, dass Vereine das tun sollten. Ich habe einen Freund, der als Jurist schon Jahrzehnte sehr erfolgreich tätig ist, um seine Einschätzung dazu gefragt:
„Zur Frage, was (im Finanzbericht) erwartet werden kann: Vereinsinteresse, Steuergeheimnis und Datenschutz verbieten eigentlich die Veröffentlichung von Einzelgehältern. Jeder Mitarbeiter könnte und müsste für sich entscheiden, ob er etwas zu seinem Einkommen veröffentlichen will. Und wenn in der Hillsong Satzung die Veröffentlichung nicht vorgeschrieben ist, muss der Vorstand im Finanzbericht nur die Summe angeben. Aber auch der Finanzbericht ist nicht öffentlich.“
Die Mitarbeitergehälter
Verdienen die Pastoren von Hillsong Germany zu viel? Das ist ja eine zentrale Frage, die im Podcast mitschwingt.
Bei Personalkosten von 1.575.576 € liegt diese Frage auf der Hand! Die Podcaster deuten am Ende der Episode die Sachlage klar (54:50):
„Auf uns macht es den Eindruck, als könnten sich die Pastoren, von den Spenden ihrer Gemeindemitglieder, einen feinen Lebensstil finanzieren.“
Wir müssen genauer hinschauen: Fast 1.6 Mio € für Personal? Ist das normal, viel, wenig? Was ist zu bedenken? Die Lohnnebenkosten, der Arbeitgeberanteil ist in der Summe enthalten und der Betrag umfasst alle Angestellten.
Die Lohnnebenkosten setzen sich in Deutschland aus folgenden vier Posten zusammen:
- Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung.
- Kosten für berufsbedingte Aus- und Weiterbildung.
- Sonstige Aufwendungen. Berufsbekleidung. Umzugskosten. …
- Steuern auf Lohn-, bzw. Gehaltssumme …
Bei Hillsong waren 2021 45 Personen angestellt:
- 21 Personen in Vollzeit
- 18 Personen in Teilzeit
- 6 Personen mit einem Minjob
Zu diesen 45 Personen, sagen die Podcaster (17:56), dass die Hauptarbeit in der Church ja die Ehrenamtlichen tun würden (lt. Jahresbericht 2021: 576 Ehrenamtliche an 6 Standorten! – Ist das viel oder wenig?) Und die Podcaster unterstellen, dass „diese Personalkosten in der Hauptsache das Gehalt der Pastoren und Pastorinnen, sowie der wenigen anderen Personen, die Hillsong für ihre Arbeit tatsächlich bezahlt“, abdecken würde.
2021 hatte Hillsong Germany (Konstanz, Düsseldorf, München, Zürich, Wien und damals auch noch Köln) 10 Personen als Pastoren beschäftigt. Mit den Schwerpunkten als Lead Pastoren, Campus-Pastoren, Kids-Pastoren, Youth-Pastoren und Pastoren für „Pastoral Care“. Die weiteren 35 Angestellten der Kirche waren mit anderen Aufgaben betraut.
Was verdient ein Pfarrer in Baden-Württemberg?
Diese Frage muss hier zum Vergleich angesprochen werden, wenngleich kaum ein Pfarrer eine ähnliche Aufgabenstellung, wie die Lead Pastoren von Hillsong Germany, in ihrem Berufsfeld vorfinden. Und wie das Gehalt eines Pfarrer ausfällt, der beispielsweise eine große Einrichtung in der Diakonie leitet, ist mir nicht bekannt.
Indeed, der Karriere Guide schreibt: „In Baden-Württemberg wird das höchste Lohnniveau in diesem Job erreicht. Statistisch gesehen verdienen Pfarrer*innen im Südwesten Deutschlands monatlich 5855 € brutto.“
Die Gehaltstabellen der evangelischen Landeskirche in Baden-Württemberg sind öffentlich hier einsehbar.
Im Gespräch mit dem Lead Pastor habe ich das Thema aufgegriffen und auch über die Rahmenbedingungen der Gestaltung der Gehälter bei Hillsong Germany gesprochen. Wer legt fest, was einzelne Angestellte verdienen und was sonst noch zu ihrem Gehalts-Packet gehört? Mehr dazu in den Videos und Audios „Das Gespräch – 3 Teile“. Ab Donnerstag, 25.5.23.
Eine Einordnung
Wenn man also 1.6 Mio € durch 45 Anstellungsverhältnisse (unterschiedlicher Art), inklusive aller Lohnnebenkosten betrachtet, bekommt man ein realistischeres Bild.
Um eine weitere Relation zu erlangen, noch dieser Hintergrund:
Eine Freikirche finanziert sich ausschließlich aus Spenden, was der Podcast als legitim bewertet und Frau Funk aus ihrer Kindheit bei der Mennonitengemeinde auch kennt. Die Frage ist: Wie viel % ihrer Einnahmen wendet eine klassische Freikirche in Deutschland für Personal auf?
In den letzten 25 Jahren habe ich Freikirchen in meinen Umfragen auch diese Frage immer wieder gestellt. Ergebnis: Nicht mehr als 40 % war die angestrebte Marke. Das schafften aber nicht alle Freikirchen! Von Zeit zu Zeit stieg der Anteil auch auf 50 % und mehr. Und auch genau anders herum: Wenn sie gerade gebaut hatten, einen hohen Schuldendienst leisten mussten, fiel der Anteil. Meist aber nur für kurze Zeit, da die Defizite in der Gestaltung des Gemeindelebens schnell sichtbar wurden. Es brauchte Personen, die mehr Zeit investieren konnten.
Woran liegt das? Das hängt mit dem Engagement der Ehrenamtlichen zusammen und dem Anspruch der Kirche. Vor 40 Jahren lag der Anteil ehrenamtlicher Stunden deutlich höher, was heute aber völlig unrealistisch ist. Unser Leben ist ein anderes! Aufgaben, die früher Ehrenamtliche übernehmen konnten, werden heute oft von Hauptamtlichen geschultert.
Hillsong, – eine Kirche, die genau genommen aus 5 Kirchen, 2021 aus 6 Kirchen bestand, – hat einen prozentualen Personalanteil von 37,4 %. Das ist im Vergleich richtig gut. Was aber damit noch nicht beantwortet ist: Haben die Haverkamps den Löwenanteil davon und leben sie diesen „feinen Lebensstil“ von dem die Podcaster und der O-Ton sprechen?
„Die Lead Pastoren würden ein ziemlich gutes Leben führen“, heißt es. (32:45). Wohnen sie in einer Villa, tragen teure Markenklamotten und predigt der Lead Pastor mit einer eigenen Rolex am Handgelenk, wie nun oft genug erwähnt? Und ja, das wollte ich von Freimut wissen und habe direkt gefragt: „Hast du eine Rolex für 10.000,- €? Was hat Dein Haus gekostet? Markenklamotten? Übernachtest Du in „Four Season Hotels“ für 2000,- € die Nacht?“ Die Antwort kommt dann am Donnerstag!
Ach, und auch noch das: dass ein Arbeitgeber ein spannendes Packet schnüren kann, um seine Arbeitnehmer zu motivieren, ist ja allgemein bekannt. Auch kann dabei ein Zuschuss für eine Lebensversicherung rechtlich und steuerlich gewährt werden, wie eine kleine Recherche im Internet schnell zeigt.
Der Whistleblower und die gescheiterte Kontaktaufnahme
„Er wolle der Church nicht schaden.“ Eine Kontaktaufnahme mit der Church im April 2022 scheitert, (35:33) – es gab nie eine Antwort. „Markus“ will anonym bleiben. Hier wird es etwas unübersichtlich für mich.
Ich habe Peter Bregy, den Generalsekretär des BFP angerufen und bin mit ihm sein Erleben der geschilderten Vorgänge durchgegangen. Er konnte vieles, was ihn betrifft, direkt bestätigen. Zur Frage, ob Hillsong nicht reagiert hat, gab er mir noch ein Detail weiter, das zur Vollständigkeit des Bildes vermutlich gehört. Ich zitiere aus meiner Zusammenfassung des Gespräches mit Bregy:
„Der BFP Generalsekretär Peter Bregy sagte mir, dass Hillsong die konkreten Vorwürfen von „Markus“ hören wollte und ein Gespräch anbot, das „Markus“ aber ablehnte.“
Private Flüge nach Kapstadt 2015
Aus der Excel-Datei geht hervor, dass die Familie nach Kapstadt flog und Hillsong die Kosten in ihrer Buchhaltung hat. Die Podcaster können nicht sagen, ob die Reise dienstlich veranlasst ist (Hillsong Global hat eine Church in Kapstadt). Der Whistleblower bringt das dem Generalsekretär des BFP zur Kenntnis, der das Management von Hillsong damit konfrontiert. Er erhält Antwort:
Die fällt so aus: (46:30) „Von Hillsong verauslagte Kosten für mitreisende Familienangehörige, wurden von MitarbeiterInnen erstattet.“
Ich höre aus der Erklärung: die Haverkamps haben die Kosten für die Familienmitglieder, die privat mitreisten, selbst übernommen und an Hillsong erstattet. Die Podcasterin hört es anders:
Sie nimmt dieses Statement von Hillsong Germany nicht auf sondern denkt laut nach (46:55):
„… auch wenn es einen beruflichen Hintergrund für die Reise gab, stellt sich die „moralische Frage“, ob die gesammelten Flugtickets der Familie von Spendengeldern gebucht werden können, und sollten.“
Die Frage, ob Hillsong Germany die private Reise nun bezahlt hat, oder ob die Haverkamps ihre privaten Anteile an die Church überwiesen haben, ist jetzt nicht mehr das Thema. Funk wirft eine „moralische Frage“ in den Ring.
Ich habe Freimut Haverkamp explizit auch danach gefragt! Er hat mir bestätigt, dass sie die Privatanteile der Reise an Hillsong Germany erstattet haben. Dass diese Zahlung nicht in der Excel Datei des Whistleblowers auftaucht, kann eben daran liegen, dass die Tabellen nicht die gesamten Buchungen enthalten. Wir sprachen darüber weiter oben.
Anfragen aus dem Podcast, die ich mir stelle:
Leiterinnen und Leiter, Kirche und Geld!
- Kirche und Geld, das ist ein Thema, das ich mehr als genau anschauen muss!
- Leiter und Geld könnte fast noch brisanter sein!
- Wie transparent gehen wir als Viva Kirche mit unseren Einnahmen und Ausgaben um? Nach der letzten Jahresmitgliederversammlung sagte mir ein Gast, dass er schon lange nicht mehr so detailliert Zahlen von einer Kirche präsentiert gesehen hat. Das hat mich etwas erleichtert.
- Ab welchen Spendensummen wäre eine externe Prüfung sinnvoll, wann müsste der Jahresabschluss von Fachleuten erstellt werden. Ich erinnere mich an meine Dienststellen in Altensteig und Esslingen: da haben wir Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit der Aufgabe beauftragt. In Esslingen mussten wir mehr als 2.500,- € Spendengelder für diese Dienstleistung aufwenden. Heute denke ich: gut investiertes Geld!
- Was ist ein faires Gehalt für einen Pastor in Deutschland? Woran lehnen wir uns an? Ein alter Satz ist mir in den Sinn gekommen, der ein „Gebet“ sein soll: „Herr, halte unseren Pastor demütig. Arm halten wir ihn!“
- Wieviel Arbeit für welchen Lohn? Ich investiere 40 Stunden pro Woche, wie viele Arbeitnehmer, die zur Viva Kirche gehören. Dann lege ich jede Woche 10 Stunden drauf. Als Ehrenamt. Machen engagierte Mitarbeiter auch. Inklusive Gottesdienst. Die Zeit darüber hinaus schreibe ich auf und versuche, sie zu anderen Zeiten als Freizeitausgleich zu nehmen. Bis April hatte ich 200 Stunden plus angesammelt, seit Juni 2021.
- Meine Kompetenz – spielt die auch eine Rolle? Nach 35 Jahren hauptberuflichem Pastorendienst mit dem Schwerpunkt Gemeindeerneuerung eilt mir ein guter Ruf voraus. Ich bringen richtig viel reflektierte Erfahrung mit ein, verfüge über beste Kenntnisse in dem Thema und schreibe einen Blog für Leiter, der viel gelesen wird. Mein Netzwerk ist großartig und erstreckt sich auch auf internationale Kontakte, die der Viva Kirche zugute kommen. Wie sollte sich das niederschlagen im Gehalt?
- Gleiches auch auf die Frage, welche Verantwortung ich trage?
- Wird es da nicht immer Leute geben, die sagen, dass ich viel zu wenig verdiene (ein Zahnarzt an einem meiner Dienstorte war richtig erschrocken, als er mein Gehalt – aus dem Jahresabschluss – rückrechnete). Harz 4 Empfänger mussten schlucken, als sie die Summen sahen. Die Lohnnebenkosten für den Arbeitgeber und die Minijobber hatten sie nicht bedacht. In ihren Augen war es dennoch nicht wenig.
- Und wie sieht der Einsatz meiner Frau in alle dem aus? Sie arbeitet seit drei Jahrzehnten häufig als „unbezahlte Hauptamtliche“ an meiner Seite. Das war mindestens einen Halbtagsjob. Wann darf sie mich, auf dienstlich veranlassten Reisen, auf Kosten der Kirche begleiten? Andere Ehrenamtliche bekommen die Konferenz … ja auch nicht bezahlt!
- Und wie oft repräsentieren wir als Pastorenehepaar unsere Viva Kirche auf „unsere Kosten“: bei Einladungen zum Essen, die wir aussprechen und finanzieren. Geschenke, Hochzeiten, Geburtstage, Trauerfälle … Und wieder taucht die Vermischung auf, die zu unserem Berufsbild untrennbar dazugehört: Es ist für uns Beruf, Berufung, private Leidenschaft, Ehrenamt, Hauptamt … Wann bin ich in welcher Rolle und auf welche Rechnung am Start? Kein privater Geburtstag mit Leuten der Viva, wo es nicht auch um die Viva geht. Und wir lieben das!
- Während wir unser Bestes versuchten zu investieren, gerieten wir immer wieder einmal in die Situation, dass wir „Opfer“ einer „Übertragung“ wurden. Das ist besonders bitter, weil es so schwierig ist nachzuweisen und man, nachdem man sein Bestes versuchte zu geben, sich unter einem schwierigen Verdacht wiederfand. Da können sicher viele Menschen, die Verantwortung tragen, auch etwas dazu sagen.
- Ich bin durch diese Episode neu sensibilisiert, dass das alles offen angegangen werden muss. Und wenn es die Finanzen betrifft, noch noch offener in dieser Zeit.
- Mir kommen noch viele weitere Fragen. Dir sicher auch. Lasst sie uns offen angehen. In unseren Freikirchen. Nicht nur Hillsong Germany, muss sie sich stellen. Wir alle!
Was schlussfolgere ich daraus?
Ein Bibelwort ist mir im Sinn, wenn ich über diese Episode reflektiere:
„Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.“
Lukas 12,48
Hillsong Germany ist viel anvertraut! Deshalb ist ein hoher Anspruch an sie, ihre Leitung, gerechtfertigt! Das gilt auch und gerade für den Umgang mit den Finanzen. Da habe ich direkt noch einen Bibeltext im Sinn. Sorry, ich bin halt Pastor:
„Wenn ihr nun mit dem ungerechten Mammon nicht treu gewesen seid, wer wird euch das Wahrhaftige anvertrauen?“
Lukas 16,11
Eine Kultur der angstfreien Offenheit, die mit Wertschätzung und Ehrerbietung allen begegnet, ist konstituierendes Element der Jesus Gemeinschaft, der Kirche. Wo wir das nicht leben, machen wir uns – zu recht – angreifbar. Kein Druck, kein Hype der einen mitreist etwas zu tun, was nicht aus einer eigenen gefestigten Überzeugung gewachsen ist, soll ein Teil unserer Kultur, und schon gar nicht unserer Strategie (!) sein. So, so wichtig. Reife ist das Stichwort. Dahin will ich die Menschen der Viva begleiten, so gut ich kann.
Tiefer fragen. Auch das ist mir deutlich geworden. Zuerst dachte ich, dass mit der Excel Datei ja alles klar ist. Im Gespräch mit Finanzleuten, die mit der Software Optigem Erfahrung haben, ist mir klar geworden, dass diese Tabellen nicht vollständig sein müssen. Und das man da noch was machen kann, was ich aber niemandem unterstelle. Aber einen Gegencheck braucht.
Kultursensibel agieren. Das ist mir in #7 richtig deutlich. Unsere Kultur tickt im Blick auf Finanzen anders. Sehr anders. Die internationalen Einflüsse auf die junge Freikirchenszene muss das sicher noch mehr reflektieren. Nicht nur im Blick auf Finanzen, auch im Blick auf Leitung, Hierarchie, Autorität und den Lebensstil.
#0 | #1 | #2.1 | #2.2 | #3.1 | #3.2 | #4 | #5 | #6 | #7 | #8
Hi Lothar
Ich möchte auf dem Weg dir danken für deinen Blog und aktuell für die Reflexionsserie. Ich bin selbst 30 Jahre bereits als Pastor aktiv und lese Deinen Blog und gerade diese Serie mit viel Gewinn! Du arbeitest Fragen und Impulse heraus, die elementar sind für unsere Position als Pastoren! Danke dafür!
Carsten
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Hui, also ich bin verwirrt. Ich kann mich als Leser nicht entscheiden.
Du bist befangen aber doch nicht?!
Die Tabelle kann gefälscht sein oder auch nicht?!
Freikirchliche Pastoren sind unterbezahlt oder auch nicht?!
Das ist zwingend zu vergleichen mit Pfarrern der Landeskirche, oder auch nicht.
Du hast die Liste der Bezüge von Pfarrern vorliegen ziehst aber Indeed zur Rate.
Ein Leiter einer großen Diakoniestation ist für dich vergleichbarer mit dem Job als Pastor von Hillsong als der von Pfarrern?
Gibt es Ehrenamt bei Hauptamtlichen überhaupt?
Wow, ok, ich geb zu, ich bin verwirrt von all dem, obwohl ich viele Dinge schon auch nachvollziehen kann. Aber irgendwie sind für mich da zu viele Nebelkerzen und Neben(kriegs-)schauplätze dabei. Sicherlich entsteht sowas bei einer Relfexion, die nicht fertig ist, aber dieses Mal geht mir doch einiges durcheinander, was sicher auch am Thema liegt, denn da geht einiges durcheinander. Ich war schon in mehreren „Systemen“ als Ehren- und Hauptamtlicher drin und finde, man kann das so nicht alles in einen Mixer werfen und auf den Knopf drücken.
Sehr, sehr starke Analyse. Vielleicht wirst Du noch Journalist?! 😊 Du hast auch wunderbar gezeigt, warum rund 1,6 Millionen für Personal nicht der Skandal sind, als der es dargestellt wird. Top!
Der Bruder bringt es auch super auf den Punkt: