Und am Ende steht Erschöpfung?

Führungskräfte – erschöpft.

Der Beitrag über den Schmerz eines Pastors, den ich letzte Woche von Pastor M gepostet habe, ist auf starke Resonanz gestoßen. Viele Leser konnten sich teilweise oder sehr in dem wiederfinden, was Pastor M beschrieb. Mit dem Schmerz, den Enttäuschungen und Herausforderungen.

Zum Jahresschluss bringe ich deshalb diesen Beitrag, da viele über die Feiertage etwas darüber nachdenken, wie es ihnen tatsächlich geht und wie es weitergehen soll.

Wir wollen nicht jammern!

Zunächst einmal diese Beobachtung: Ja, geistliche Leitungspersonen sind schon nicht schlecht herausgefordert, manchmal auch sehr belastet. Doch wir geistlichen Leiter und Leiterinnen sollten nicht vergessen: andere Führungskräfte, ganz gleich in welchem Feld, sind das auch. Wer will dieser Tage schon mit einem Spitzenpolitiker tauschen, der mit multiplen Krisen und überschaubaren Lösungsansätzen umgehen muss? Oder mit einer Führungskraft in der Wirtschaft, die von heute auf morgen sehr veränderte Rahmenbedingungen vorfindet? Lösungen von Gestern sind in vielen Sparten heute schon Makulatur. Und die Erwartung, der Anspruch an Führungskräfte, steigert sich Zug um Zug!

Der Erwartungshorizont

Andrea Wasmuth, Vorsitzende der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group hat für ihr Hausblatt den Erwartungshorizont so zusammengefasst:

»Führungskräfte sollen stets ansprechbar, ausgeglichen und nahbar sein, fachlich exzellent und technologisch auf dem neuesten Stand. Sie sollen die Werte des Unternehmens kennen, den Bedürfnissen jedes Einzelnen Rechnung tragen und natürlich das gesamte Team im Blick behalten.« Doch damit nicht genug: »Dabei sollen Führungskräfte sowohl nach unten, als auch nach oben effektiv führen und ihrem Team den Rücken freihalten. Zudem sollen sie psychologische Sicherheit bieten, klar kommunizieren, konstruktives Feedback geben und annehmen, je nach Situation als Vorbild, Coach, Teamplayer oder Experte agieren und selbstverständlich die vereinbarten Performance-Kennzahlen abliefern. Und, ach ja, bei alledem bitten den Sinn für Humor nicht verlieren.«

Pastor? Nein Danke!

Nicht nur Pastoren, aber auch Pastoren, Pfarrer und kirchliche Leitungspersonen kennen das. Immer mehr Interessierte winken ab, schlagen doch nicht diesen Weg ein oder verlassen ihn auf der Strecke. Theologische Seminare und Hochschulen schlagen Alarm, wie hier berichtet. In der Tat sind es immer weniger Studenten, die das Berufsziel „Gemeindepastor“ anstreben. Das betrifft nicht nur die beiden großen Kirchen, auch die Freikirchen quält das. Selbst junge, aufbrechende Kirchen müssen Stellenanzeigen schalten, weil für ihre offenen Stellen nicht mehr automatisch fähige Leitungsleute Schlange stehen.

Burnout Studie von Andreas von Heyl

Der leider zu früh verstorbene Professor hatte sich mit der Frage nach dem Burnout im Pfarrberuf habilitiert. 13 Belastungspotentiale hatte er ausfindig gemacht:


  1. Erwartungshorizont
  2. Diffuses Berufsbild
  3. Rollenvielfalt
  4. Arbeitsvielfalt und Aufgabenart
  5. Unzureichende Ausbildung
  6. Arbeitszeit
  7. Organisationsdesign (die Realität in der Ortsgemeinde und wie die Dinge laufen!)
  8. Pfarramts- und Verwaltungsorganisation
  9. Lohn-Leistungsverhältnis
  10. Arbeitserfolg
  11. Innerpsychische Faktoren
  12. (Eigene) Spirituelle Dürre und Glaubenszweifel
  13. Mangelnde Wertschätzung und Unterstützung

Junge Leute signalisieren im Gespräch, dass sie sich den Anforderungen nicht gewachsen sehen, die der Pastorenberuf heute an sie stellt. Und kirchliche Leiter überlegen immer neu, ob sie das durchhalten. Wie zum Beispiel Pfarrer Otte.


Jan Otte, evangelischer Pfarrer aus Leidenschaft hat im Sommer den Beruf gewechselt. Neulich hat er bemerkenswert offen darüber berichtet. Erst 40 war er, als es zum Ausstieg kam:

»Als junger Pfarrer, von einer tiefen Liebe zu Gott erfüllt und dem Wunsch, den Menschen zu dienen, durchlebte ich zunächst eine Phase der Ernüchterung. Ich wurde konfrontiert mit vielen zusätzlichen administrativen Aufgaben, bedingt durch die vielen Kirchenaustritte und den daraufhin angestoßenen Strategieprozess meiner Landeskirche. Gleichzeitig stiegen die Erwartungen an den eigenen Berufsstand, nicht nur von denjenigen die in der Kirche bleiben, sondern auch denen von außerhalb, die etwa bei einer Beerdigung, sogenannten Kasualien, ganz bestimmte Vorstellungen davon haben, wie ein Pfarrer sich zu verhalten hat.« …

»In der Kirche vor Ort erlebte ich, wie die täglichen Herausforderungen deutlich mehr wurden. Im sogenannten Probedienst, den ersten Amtsjahren als Gemeindepfarrer wurde, anders als im Vikariat, auf einmal alles gefordert – gleichzeitig, am besten überall präsent. Ich habe lange Zeit gebraucht, um mich von dem Gefühl zu verabschieden, es allen Parteien recht zu machen, zwischendurch war ich richtig wütend, …«

Die interessante Story von Jan kann man gut im Podcast hören. Klicke aufs Bild:

Ich bin häufiger durch diese Krisen gegangen …

Wie damit klarkommen? Ich selbst bin häufiger durch diese Krisen gegangen und habe daran gedacht aufzuhören. Manchmal lag es an der Überforderung, weil mir nicht die Ressourcen zur Verfügung standen, die ich gebraucht hätte: Seelsorger, Musiker, technisch versierte Leute, Verwaltungsprofis, oder auch Fachleute für Bauthemen. Dann fehlte es an Geld, an Gebäuden … Manchmal war ich selbst mit der Art und Fülle der Aufgaben überfordert. Ab und an fehlte es an Gesinnungsgenossen, Gebetskämpfern, Ermutigern …

Was mir geholfen hat:

Fakt ist, auch nach 35 hauptberuflichen Jahren bin ich (meist) fröhlich dabei und voller Vision für die Zukunft. Was hat mir geholfen?

5 Gewohnheiten & Beziehungen

  • Eine intensive, tägliche Zeit mit dem Wort Gottes! Wie oft habe ich Trost, Ermutigung, Korrektur, Ansporn, Gelassenheit … aus den Texten der Bibel empfangen.
  • Der offene, unzensierte Austausch mit meinem Vater im Himmel. Die Psalmen haben mir schon früh gezeigt, dass der Dank, Lobpreis und die Anbetung nicht die einzigen Gebetsformen sind, die die Glaubensvorbilder nutzen. Auch Klage, Schweigen, Eifer, Frust … kann ins Gebet. Das hat mir den Weg zu folgender Praxis geöffnet:
  • Abgeben, nicht aufgeben! Diese Art zu beten ist mir eine mega-Hilfe geworden Dinge nicht festzuhalten, auch nicht oberflächlich zu werden, fatalistisch. Manche Menschen, Gemeinden, Entwicklungen waren so herausfordernd, ich hätte am liebsten aufgegeben. Aber das war keine Option. Abgeben im Gebet, Verantwortung zurückgeben im Vertrauen, dass Gott einen Weg hat, auch an mir vorbei, hat mir so sehr geholfen. Ich bin nicht immer die Lösung. Ich muss es auch nicht sein. Und ich muss auch nicht der tolle Christ sein, der nie den Glauben für einen Menschen aufgibt usw. So gut, so wertvoll – FÜR MEIN EIGENES HERZ. Vor wie viel Bitterkeit, Zynismus, Traurigkeit, Versagensgefühle … mich das wohl bewahrt hat?
  • Freunde, mit denen ich offen im Gespräch bin. Hier berichte ich davon.
  • Und, hier an letzter Stelle, aber in Wahrheit direkt nach dem Draht zum Himmel: mein Dienstpartner. Mein Lieblingsmensch. Meine Ehefrau. Über 40 Jahre teilen wir die gleiche Leidenschaft für das Reich Gottes, für Jesus, für Menschen. Prediger 4,9 stimmt einfach.

Was hilft Dir?

Wo stehst Du aktuell? Was bewegt Dich? Was sind die Gedanken Deines Herzens? Hast Du innerlich gekündigt? Bist Du verzagt? Hast Du Dir Ersatzbefriedigungen gesucht, um einem Druck zu entfliehen, der Dich überfordert?

Bleib nicht im Verborgenen. Vertraue Dich einem vertrauenswürdigen Begleiter an. Es gibt einen Weg. Immer.

Und nicht vergessen:

Abgeben, nicht aufgeben!


Nachtrag 😂

Und wer noch nicht genug hat, kann dieses humorig eingefärbte Stellenprofil eines Pastors sich noch mal auf der Zunge zergehen lassen.

Hinweis. Mach das nicht! Weise diese Ansprüche zurück!

Humorvoll & realistisch? Ein Pastor soll …

… ein guter Hirte sein. Theologisch qualifiziert, didaktisch lehren und schriftstellerisch formulieren können. Fähig sein Büro zu leiten und Öffentlichkeitsarbeit tun. Er soll überzeugend wie ein Verkäufer, elegant wie ein Diplomat, geschickt wie ein Politiker und flink wie ein Schiedsrichter sein. Pfadfinder leiten können, Psychologe, Sozialarbeiter, Eheberater und Sterbehelfer sein. Gut moderieren und dynamisch predigen können. Wie ein Landschaftsgärtner und Innendekorateur geschmackvoll das Gemeindehaus in Stand halten. Singen und musizieren können, sportlich und humorvoll sein.

Er muss Antworten für alle Lebenslagen haben. Leiden und Sterben sowie göttliche Souveränität einleuchtend erklären können. Er muss zu allen Themen eine feste Meinung haben und  diese  auch vermitteln können,  dabei  darf er jedoch keine Meinungsverschiedenheiten verursachen. Er muss leidenschaftlich wie Spurgeon und evangelistisch wie Billy Graham predigen können und regelmäßig alle Neuerscheinungen christlicher Bücher lesen, natürlich auch Zeitungen und Zeitschriften der Allgemeinbildung wegen.

Er muss immer nett sein, auch dann, wenn er persönlich angegriffen wird oder einfach einen schlechten Tag hat. Er braucht Weisheit und Erfahrung, soll aber gleichzeitig jugendlich wirken. Er soll alle gesellschaftlichen Termine wahrnehmen, dabei gut essen und trinken, aber dennoch schlank bleiben. Er soll 24 Stunden erreichbar sein (Funktelefon kann aus Kostengründen leider nicht von der Gemeinde finanziert werden), er soll sich aber gleichzeitig uneingeschränkt der Familie widmen.

Seine Frau soll attraktiv aussehen und geschmackvoll gekleidet sein, aber immer einen schlichten Eindruck machen. Natürlich soll sie ein angenehmes, einnehmendes Wesen haben. Es wird selbstverständlich erwartet, dass sie eine gute Hausfrau ist, aber in der Kinder- und Frauenarbeit, im Gemeindebüro, sowie bei Empfängen alles organisiert und Hand anlegt.

Darüber hinaus soll sie in keiner gemeindlichen Veranstaltung fehlen. Falls Kinder da sind, sollen sich diese vorbildlich benehmen, aber von anderen Kindern nicht unterscheiden, jedoch immer anständig gekleidet sein. 

Das Gehalt richtet sich weder nach Leistung, noch nach Erfahrung oder Bedürfnissen, sondern allein nach dem, was in der Gemeindekasse übrig bleibt, wenn alle anderen Rechnungen bezahlt sind. Überstunden werden nicht bezahlt und können auch nicht abgefeiert werden. Kritik muss widerspruchslos hingenommen werden.

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1 Response to Und am Ende steht Erschöpfung?

  1. Trost, Ermutigung, Ansporn, Gelassenheit, alles dabei! Die Sache mit dem offenen Gebetsaustausch und den verschiedenen Gebetsformen, spannend! 👊 Diese Idee des „Abgebens, nicht Aufgebens“ im Gebet. Dinge loslassen, Verantwortung zurückgeben – das ist echt ’ne super Lebensweisheit. Respekt auch für deine Offenheit mit den Herausforderungen im Dienst, Lothar! Herzlich, Jan

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