
TOXISCH! GIFTIG! GEFÄHRLICH! So vieles kann für Führungskräfte zum Gift werden. Zum Beispiel die Arbeit. Ich meine die intensive, engagierte, leidenschaftliche und manchmal grenzenlose Arbeit. Ich selbst liebe meine Arbeit und gehe „all in“. Dass das zu einer ernsten Gefahr werden könnte, war mir lange nicht bewusst. Bis meine Frau mir vor über 30 Jahren, ich war als Jugendpastor in Altensteig bei JMS erfolgreich aktiv, die gelb-rote Karte zeigte.
Man kann sich so mit seiner Arbeit identifizieren, dass es sozusagen zu einer »Fusion« kommt. Die Führungskraft als „Fusionierer“? Was meint das? Es ist ein Mensch, der sich mit seiner Arbeit so identifiziert, dass seine Identität sich mit ihr toxisch verbindet: „Die Arbeit und ich sind eins. Klappt es gut, bin ich happy. Ist es mühsam, erleide ich Rückschläge und Misserfolge, sieht alles dunkel aus.“
Auf diesem Weg kann sich der Fokus so verengen, dass die Führungskraft zuweilen bei dem Selbstbetrug landet, die Andy Stanley in diese Worte fasste: „If I don’t – it won’t“ (Wenn ich es nicht in die Hand nehme, dann wird nichts draus.)
Ganz klar: Das ist definitiv ungesund. Mehr noch, das kann vergiften! So vergiftet sich der Leitende nach und nach selbst und über Zeit auch sein Umfeld. Es kann soweit kommen, dass die Führungskraft alle kontaminiert, die mit ihr in Berührung kommen.
VERGIFTET?
Das hört sich nach einem Thriller an, einem Geheimdienstkomplott aus Osteuropa. Vergiftet? Sind giftige Substanzen im Spiel? Kann die Arbeit für die Führungskraft zu so einer giftigen Substanz werden? Ja, definitiv. Wir sind alle herausgefordert uns gut selbst zur reflektieren. Es beginnt mit Fragen, die wir uns selbst und unserem Umfeld stellen.
Eine einfache Frage
Beginnen wir mit der einfachen Frage: Warum arbeite ich? Besser noch die Frage: Wozu arbeite ich? Welchen „Gewinn“ strebe ich an. Welche Bedeutung und welche Sicherheit erhoffe ich mir davon? Eine Frage, die Tim Keller in seinem Buch Es ist nicht alles Gott was glänzt brillant aufgreift!
Und was sind meine Gedanken und Gefühle, wenn meine Arbeit richtig gut gelingt, oder wenn sie eher mäßige bleibt? Schlechte oder geringe Ergebnisse bringt? Was erhoffe ich mir von meiner beruflichen Rolle? Purpose? Sinn? Bestimmung? Das wird heute oft empfohlen, aber auch immer häufiger hinterfragt! Mancher erlebt seine Erfolge und die Arbeit selbst als eine Erlösung. Sie erlöst aus der eigenen Bedeutungslosigkeit, Minderwertigkeit, Sinnlosigkeit. Nur bei der Arbeit erlebt sich der Mensch lebendig, als ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft.
Früher haben die Menschen gearbeitet, um ihr Leben zu bestreiten. Sie mussten arbeiten, um für sich und ihre Familie zu sorgen. Damit Essen auf dem Tisch, ein Dach überm Kopf und Kleidung für alle da war. Nicht alle mussten das! Der Adel beispielsweise konnte das locker handhaben. Im antiken Griechenland herrschte die Meinung vor, dass Arbeit eine Strafe der Götter sei. Und heute? Vielfach das Gegenteil. Wer Verantwortung übernimmt arbeitet hart. Zum Beispiel die Führungskräfte, geistliche Leiter, in meinen Kreisen:
»Ich bin wichtig!«
Erfolgreiche christliche Leiter stehen Gemeinden und Initiativen vor, die von sich Reden machen. Sie sind gefragte Konferenzsprecher, Berater und arbeiten in wichtigen Gremien mit. Sie organisieren Events mit ihren Teams, von denen alle reden und schreiben nebenbei Bücher, befüttern ihre Podcasts und Blogs. Und nicht nur das! Sie relaxen an fantastischen Orten und treffen immer neu wichtige Leute. Ihr Insta-Storys sind beeindruckend. Dabei haben sie viel Zeit für ihre Kinder und Ehepartner, während sie mit exotischen Hobbys entspannen! Überzeichne ich? Vielleicht!
Fatale Träume
Zumindest träumen einige Nachwuchsleiter der christlichen Szene von so einem Leben. Aber nicht nur sie. Die »High Potentials«, die schon in der Schule richtig durchstarten, ihr Auslandsjahr fest im Plan haben, um akzentfrei die Fremdsprache zu beherrschen und kosmopolit zu leben, gibt es in allen Bereichen der Gesellschaft. In der Politik, der Wirtschaft, an der Börse und bei den Non-Profits! Zurück zur Arbeit als solches:
Natürlich arbeiten wir auch heute noch, um unser Leben zu bestreiten. Doch damit ist die Fixierung auf die Arbeit in unserer Gesellschaft nicht zu erklären. Es scheint, dass unsere Arbeit für uns zur Hauptquelle unserer Anerkennung geworden ist. Ein Teil unserer Persönlichkeit, unsere Identität. Ich leiste, also bin ich. Deshalb sehnen wir uns unbewusst, neben der regelmäßigen Gehaltserhöhung, vor allem nach Anerkennung. Manchmal kann das ein einfaches Lob sein, eine Geste des Respektes. Und je nach Persönlichkeit: Auch mal die Laudatio im passenden Rahmen. Die Wirklichkeit: Es ist eher selten, dass wir die erwünschte Bestätigung in ausreichendem Maße durch unsere Arbeit bekommen.
Konsequenz für die ambitionierte Führungskraft? Noch mehr Einsatz, mehr Stunden, mehr Verantwortung, mehr Stress … Zähne zusammenbeißen, Familie vernachlässigen, Freunde abhängen und dran bleiben. Der Job hat Vorfahrt. Es wird schon klappen mit dem ersehnten Schulterklopfer. Irgendwann. „Irgendwann hab ich es geschafft!“ Die Wahrheit ist: dieses Irgendwann wird auf diesem Weg nie kommen!
Abstreiten: Nein, ich doch nicht …
Mit dieser Dynamik konfrontiert zu werden ist unangenehm. „Alles gut! Ich doch nicht, andere vielleicht schon.“ Das kann ein erster Reflex sein, der im Grunde auch ein Hinweis auf den eigenen Blinden Fleck sein kann. Jesus spricht diesen Reflex mit seinem Splitter/Balken Vergleich in seiner zeitlosen Bergpredigt an. (Matthäus Evangelium Kapitel 7)
DIE FATALE KONSEQUENZ
Weil der Wunsch nach Anerkennung so stark ist, kann die Überarbeitung zur völligen Erschöpfung und in den Burnout führen. Der sorgt dann dafür, dass man dann gar nicht mehr arbeiten kann. Das Gift hat sein Ziel erreicht!
Fragen
- Wie schätzen Deine nächsten Freunde, Familie, Begleiter Dein Verhältnis zur Arbeit ein?
- Welche Rolle spielt die Wertschätzung, Anerkennung durch Deine Arbeit für Dich? Was sagen andere, wie sie Dich dabei erleben?
- Welche anderen Quellen der Wertschätzung, Anerkennung und des Lobes gibt es in Deinem Leben für Dich, die Dir gut tun?

