Anja und David Schäfer haben mich für das Magazin AUFATMEN interviewt. Es ging um die Vorwürfe des Podcast Toxic Church, um gute Selbstleitung und was man als Verantwortlicher tun kann, um die Langstrecke zu schaffen. Die Gefahren, selbst zu scheitern, falsch abzubiegen und irgendwann vor den Trümmern seiner Berufung zu stehen, sind nicht gering. Proben, Test gehören zum Weg der Nachfolge von Jesus. Auch als Führungskraft. Schon der Apostel Paulus mahnte:

¹² Wer also meint, er stehe fest und sicher, der gebe Acht, dass er nicht zu Fall kommt. | 1. Kor 10,12.

Auch dieses Interview mit mir hat für manchen Diskussionsstoff gesorgt. Vor allem die Worte: „lieber weniger heilig sein“ … Was meine ich damit? In welchem Zusammenhang sage ich das? Hier kommt nun das ganze Interview. Ich danke der Redaktionsleitung von AUFATMEN, dass sie mir das o.k. dazu gegeben haben.

Man ist ja ein guter Selbstbetrüger

Noch so ein Satz, den ich mir gerne selbst sage. Gute Leitung aus Sicht des christlichen Glaubens beginnt mit der Nachfolge von Jesus, startet bei der Selbstleitung und hat immer die Gefährdung zum Selbstbetrug im Augenwinkel. Jesus sagt:

⁴¹ Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst? | Lk 6,41.

Und manchmal ist der Balken im Auge des anderen auch nur die Reflexion des „eigenen Splitters“. Daher: Vorsicht Selbstbetrug!

Ein Wort zu Heiligkeit …

Zuerst diese Klärung: Heilig leben ist zunächst keine moralische Aufforderung. Heiligkeit ist die Aufforderung zur Exklusivität. Heilig für Gott zu leben meint, exklusiv, ausschließlich für Gott zu leben. Was immer der Kontext ist, in dem wir unterwegs sind, zeigt der Apostel Paulus im 1. Korinther 10,31 auf:

³¹ Was immer ihr tut, ob ihr esst oder trinkt oder was es auch sei – verhaltet euch so, dass Gott dadurch geehrt wird. 

Dann: Wir sind bereits Heilige und gleichzeitig dazu aufgefordert, der Heiligung nachzujagen. Nachfolge ist immer auch ein Weg. Ich finde in der Bibel ein „sowohl als auch“, einen Dualismus! Ähnlich wie beim Licht! Besteht Licht aus Teilchen oder ist Licht eine Welle? Beides! Oder anders gesagt: Die Wahrheit geht auf zwei Beinen. So beschreibt es Dr. Ulrich Wendel in seinem starken Beitrag ab Seite 58 in der aktuellen Ausgabe von AUFATMEN (3/2023).

Diese Spannung, die nicht aufzulösen sein wird, bis wir Jesus gegenüber stehen, treffen wir – meiner Einsicht nach – auch in der Frage nach der Heiligkeit auch an. Texte, die mir dazu im Sinn sind, wären z.B. diese:

14 Als Kinder des Gehorsams passt euch nicht den Begierden an, die früher in eurer Unwissenheit ⟨herrschten⟩*, 15 sondern wie der, welcher euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr im ganzen Wandel heilig! 16 Denn es steht geschrieben: »Seid heilig, denn ich bin heilig.« | 1. Petrus 1,14-16

1 Paulus, berufener Apostel* Christi Jesu durch Gottes Willen, und Sosthenes, der Bruder, 2 an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen, samt allen, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, ihres und unseres ⟨Herrn⟩. | 1. Korinther 1,1–2

Denn Gott möchte euch zu Menschen machen, die heilig und ohne irgendeinen Makel vor ihn treten können und gegen die keine Anklage mehr erhoben werden kann. 23 Voraussetzung dafür ist, dass ihr euer Leben auch weiterhin fest und unerschütterlich auf das Fundament des Glaubens gründet und euch durch nichts von der Hoffnung abbringen lasst, die Gott euch mit dem Evangelium gegeben hat. | Kolosser 1,22–23

Jagt dem Frieden mit allen nach und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn schauen wird; 15 und achtet darauf, dass nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leidet*, dass nicht irgendeine Wurzel der Bitterkeit aufsprosst und ⟨euch⟩ zur Last wird und durch sie viele verunreinigt werden. | Hebräer 12,14–15

Ja, liebe Freunde, wir sind Gottes Kinder, wir sind es hier und heute. ´Und das ist erst der Anfang!` Was darin alles eingeschlossen ist, ist uns vorläufig noch nicht enthüllt. Doch eines wissen wir: Wenn Jesus in seiner Herrlichkeit erscheint, werden wir ihm gleich sein; denn dann werden wir ihn so sehen, wie er wirklich ist. | 1. Johannes 3,2.

Heilig sein ist also keine Option, auch kein unerreichbares Ideal, sondern ein Auftrag. Gleichzeitig ist es ist auch ein Weg, der zu gehen ist, obschon wir bereits in Gottes Augen, durch Jesus, als Heilige gesehen werden. 

Der Heiligung sollen wir nachjagen. Die Gnade Gottes ist ein probates „Mittel“ um in der Heiligung voranzukommen. Niemand sollte zu kurz kommen, wenn es um Gnade in unserem Leben geht. Und doch ist es ein Weg, den wir im vollen Umfang erst in der direkten Begegnung mit Jesus abschließen können. Diese Spannung, dieser Dualismus, prägt (hoffentlich) unser Leben als Kirche. So fallen wir weder von der einen, noch von der anderen Seite vom Pferd.

Ich mag ja die Arbeiten von Tim Keller sehr! Aktuell lese ich jeden Tag in seinem Andachtsbuch zu den Psalmen. Richtig stark. Er hat heute auch zur Frage der Heiligkeit geschrieben. Ein lohnender Text:

HEILIG IST DER HERR. Was bedeutet es, dass Gott heilig ist? Das hebräische Wort für „heilig“ bedeutet wörtlich: „ausgesondert“. Im Blick auf Gott heißt das: Gott ist einzigartig; niemand ist ihm gleich; in seiner Macht, Vollkommenheit und Gerechtigkeit steht er unendlich weit über uns und allem Geschaffenen. Wenn von einem Menschen gesagt wird, dass er „heilig“ ist (3Mo 11,44; 1Petr 1,16), heißt das, dass er allein Gott gehört. Er dient Gott nicht nur notgedrungen, sondern von ganzem, ungeteiltem Herzen. Für die christliche Gemeinde heißt das, dass wir radikal anders sein sollen. Die ersten Christen hoben sich aus der heidnischen Gesellschaft der griechisch-römischen Welt ab: durch Integrität und Ehrlichkeit, Mitgefühl und Vergebungsbereitschaft, sexuelle Keuschheit und durch ihre erstaunliche Großzügigkeit in materiellen Dingen. Sie waren heilig. Sind wir es auch?

Psalmen, Tim Keller, 2. September (Brunnen Verlag)

Diesen kleinen Exkurs wollte ich ergänzend zum AUFATMEN Interview gepostet haben, um meiner pointierte Aussage etwas mehr Kontext zu geben.

Das Interview als PDF

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