
Kirche: Traum oder Trauma?
Nicht wenige Menschen, die noch vor kurzem mit Leidenschaft und Begeisterung in Kirchen und Gemeinden mitgearbeitet haben, wenden sich frustriert ab. Sie besuchen nur noch gelegentlich einen Gottesdienst, wenn überhaupt. Und viele von ihnen waren gerade noch engagiert. Doch jetzt empfinden sie, dass ihr Engagement dazu führte, nur noch zu funktionieren. Wie in einem Hamsterrad. Genau das wollen sie nicht mehr. Konsequenz: Sie wenden sich ab.
Berechtigte Problemanzeige?
Je größer und vielfältiger eine Gemeinschaft ist, je schneller kann sich so ein Gefühl einstellen. Um in der Viva in Mannheim eine größere Veranstaltung zu stemmen, braucht es tatsächlich eine Menge Leute, die „funktionieren“.
Und wenn wir sonntags als Kirche zusammenkommen und dabei ein Angebot für die ganze Familie machen, treffen sich oft 100 + Kids in 6 Altersgruppen. Die VivaKids. Man kann sich vorstellen, dass wir da ein Heer von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern brauchen. Sie müssen sozusagen „funktionieren“.
Das bringt uns zur Frage: ist ehrenamtliche Mitarbeit „unter der Hand“ bei uns zu einem Business geworden? Ein weiterer Arbeitsplatz? 2. Schicht? Wollten wir nicht als Markenkern „Beziehungen“ leben? Zu Gott und zueinander?! Gar nicht so einfach! So vieles muss einfach funktionieren, wenn viele Leute sich treffen! Da kann man in der Frage der Beziehungen schon schnell ins Straucheln kommen. Das ist definitiv nicht von der Hand zu weisen.
Noch einmal der Blick zum „Ehrenamtler“: Die Anforderungen in Beruf, Familie, Studium, Freundeskreis … lasten viele Leute schon gut aus. Da ist man nicht scharf auf noch mehr Verpflichtungen. Was suchen Leute stattdessen?
Nette Leute treffen, nicht zu viel Probleme, nicht noch mehr Anforderungen. Und wenn man Familie ist, sollte die Kirche ein gutes Angebot für Kinder bieten. Das soll kreativ, besonders und pädagogisch wertvoll sein. Und geistlich ansteckend, biblisch fundiert. Die Kids sollen ein Fundament bekommen, auch wenn man nur 2x im Monat auftaucht. Wie genial wäre es, wenn die Kids Freunde in der Kirche fänden und gerne kommen? So könnten sie für die kritischen Teeniejahre gewappnet sein! Ein Traum?
Ein Traum von Kirche?
Aber wo findet man so eine Gemeinde? Und wer sorgt beständig für Angebote dieser Qualität, wenn viele so ausgelastet und auch überfordert sind? Es geht sicher nicht nur um die Kids, sondern auch um die Erwachsenen.
Veranstaltungstechnik, Musik, starke inhaltliche Impulse … Auch Lebenshilfe, Seelsorge kleine Gruppen … wären super. Wenn die Kirche darüber hinaus auch soziale Verantwortung übernimmt und coole Freizeitevents organisiert? Großartig! Aber welche Durchschnittsgemeinde kann das konstant anbieten, ohne Menschen dazu zu bringen, einfach zu „funktionieren“? Das ist eine 1 Mio $ Frage.
Jesus: wie hast du dir das gedacht?
Die Kirche hat von ihm ihre Identität und ihren Auftrag bekommen! Gemeinschaft durch Teilhabe (Koinonia). Jeder hat etwas beizutragen, jeder ist auf den anderen angewiesen. Die Kirche ist Organismus, der aus vielen einzelnen Teilen besteht, und nur gemeinsam lebt. Petrus, ein enger Vertrauter von Jesus schreibt:
»Wie jeder eine Gnadengabe empfangen hat, so dient damit einander als gute Verwalter der verschiedenartigen Gnade Gottes!« | 1. Petrus 4,10
Wir lernen von Petrus:
- Jeder und jede ist beschenkt!
- Das Geschenk wird empfangen.
- Das Geschenk, die Gabe ist für andere gedacht. Wir sind Vermittler!
- Unsere Aufgabe: Verwalter.
- Wir können gute Verwalter sein.
- Das impliziert, dass wir auch schlechte Verwalter sein können!
- Die Gaben, Talente, Geschenke …, die Gott uns als Verwalter anvertraut, sind unterschiedlich.
- Vielfalt auf ein Ziel, versöhnte Vielfalt. Das ist der Plan.
Zuschauer oder Mitspieler?
Vor dieser Frage sind Christen gestellt: Tribüne oder Spielfeld? Bei der Mannschaft, oder in der Kommentatorenbox als kritische Kommentatoren? Die Akteure aus Distanz reflektieren?!
Statistiker behaupten, dass 90 % des gemeindlichen Lebens von 10 – 15 % der Leute getragen werden. Man denkt bei diesen Zahlen an der Paretoprinzip. Die 20 – 80 Regel. Würde der „Funktionsdruck“ abnehmen, wenn die 85 – 90 % der Leute der Kirche, die sich nur um die restlichen 10 % der Aufgaben kümmern, aktiv Verantwortung übernehmen? 1. Petrus 4,10, oder 1. Korinther 12, oder Epheser 4,11ff legen es nahe.
Den schlafenden Riesen wecken!
Die christliche Gemeinschaft muss den „schlafenden Riesen“ wecken. Das Geheimnis einer wirksamen Kirche sind nicht ihre besonderen Talente, ihre „Superstars“ (die reihenweise in meiner „Bubble“ zu Fall kommen). Auch nicht neue Systeme, Methoden oder Strukturen. Und schon gar nicht neue Lehren, nach denen den Leuten die Ohren jucken (2. Timotheus 4,3). Alles faszinierend, aber – auf der Mittelstrecke – oft ungesund oder in die Irre führend!
Das Geheimnis der Kirche sind die Menschen, die Gott bewegen kann. Sie sind der „schlafende Riese“. Wenn alle ihren Platz einnehmen, wird die Überforderung reduziert. Dabei muss es nicht perfekt sein! Die Kraft von Gott kommt gerade in unserer Schwachheit zur vollen Blüte (2. Kor 12,9).
Menschen inspirieren
So bleiben ich also auch nach Jahrzehnten weiter dran. Der „schlafende Riese“ soll geweckt werden. Immer mehr Leute der Kirche sollen, ja müssen ins Spiel kommen, um das „funktionieren müssen“ zurückzudrängen.
Aktuell habe ich letzte Woche 10 kurze Videoepisoden aufgenommen, die dazu inspirieren. Ich möchte Menschen der Viva ermutigen, einen nächsten Schritt in die Mitarbeit zu wagen. Unsere Kultur als Kirche soll gestärkt werden.
Der Klick auf die Grafik bringt dich zum YouTube Kanal. Dort erscheinen die Episoden noch bis zum kommenden Donnerstag. Jeden Tag um 17:00 Uhr.
Was sind Deine Erfahrungen dazu?

