
Eine unerwartete Rückmeldung. Offen. Persönlich. Schmerzhaft.
Pastor M ist mir persönlich bekannt. Es ehrt mich, dass er zu den Lesern dieses Blogs gehört. Neulich habe ich etwas gepostet, worauf er mir einige bemerkenswerte Zeilen schrieb. Ich bat ihn um einen weiteren Einblick in seine persönliche Reflexion, die sicher nicht Mainstream ist. Und er hat sich darauf eingelassen!
Hier ist er, der Einblick: Persönlich. Bewegend. Anrührend. Pastor M spricht Dinge an, die oft verschwiegen werden. Seine Zeilen machen mich betroffen und rühren mich gleichzeitig an. Aus meinen vielen Jahren im Beruf, der Berufung weiß ich: Pastor M steht nicht allein mit dem, was er anspricht, auch wenn nicht jeder Kollege es so erlebt. Er hat für sich 10 Learnings abgeleitet. Sie können zum Ausgangspunkt einer wertvollen Eigenreflexionen werden. Ob man ihnen nun folgen mag, oder auch nicht.
Danke, Pastor M!
Silberjubiläum – Fluten der Trauer
Vor 25 Jahren wurde ich in einer Freikirche ordiniert. Zu den silbernen Haaren gesellt sich nun das silberne Pastorenjubiläum. Was habe ich erlebt? Wie ist es mir ergangen? Es ist jetzt Zeit, über diese Jahre zu reflektieren.
Der Artikel von Lothar über den „Preis der Führung“ hat einen wesentlichen Aspekt meiner persönlichen Reflexionen getriggert.
Ja, zu leiten bedeutet (auch) zu leiden. Dabei steht das „auch“ in der beständigen Gefahr von Fluten der Trauer hinweggeschwemmt zu werden.
Die größte Herausforderung für mich in diesen vergangenen Jahren war, das „alles“ zusammen zu halten. Ich meine damit nicht das System Church. Organisatorisch schafft man das schon „alles“ irgendwie. In meiner Konfession gibt es für alles Ordnungen und Strukturhilfen.
Aber, wie halte ich mein eigenes Herz in dem allen zusammen?
Jesus spricht vom „eins sein“. Ja, wie bleibt oder wird mein Herz (wieder) eins in aller Zerrissenheit?
Es sind einfach so (zu?) viele Verluste auf allen möglichen Ebenen (Tod, Krankheit, Mitarbeit, Verlust von Freundschaften, Ethik, …), die ich in diesen Jahren erfahre habe.
- Wir feiern einen großen Ostergottesdienst in der Stadthalle. Es kommen viermal so viele Leute wie zu den normalen Gottesdiensten, ca. 400 Personen und das in einer Kleinstadt auf dem Land. Wir haben Momentum. Doch es ist schwer, Menschen in die Gemeinde zu integrieren. In den nächsten 3 Jahren verlassen uns aus beruflichen Gründen dann noch 5 junge Familien, das waren enge Freunde, 10 Mitarbeitende und 14 Kinder – fast die Hälfte der Kinder im KIGO.
- Jeden Sommer segnen wir Jugendliche für das Reich Gottes, in die wir jahrelang investiert haben. Das ist uns als Kirche sehr wichtig. Unsere Gemeinde bleibt aber Ausbildungsverein. Für mehr reicht es nicht. Zuzug ist selten. Zukauf und Zulauf von anderen Kirchen gibt es bei uns nicht.
- Wir berufen neue Älteste, die Nachfolge der Leitung in unserer KITA ist hervorragend geglückt. Da erkrankt unsere neue Kindergartenleiterin an einer tödlichen Krankheit und Jesus ruft sie zu sich in die Ewigkeit. Ihr Ehemann ist Ältester in unserer Kirche. Ihre Tochter bei uns Jugendreferentin. Unsere Kindergartenleiterin ist mit vielen leitenden Personen in unserer Kirche befreundet.
- Ehemalige wertschätzende Wegbegleiter in der Kirche stellen sich plötzlich gegen einen, Freundschaften gehen auseinander, Menschen gehen, weil sie mit den Entscheidungen der Leitung zu ethischen oder anderen Themen nicht einverstanden sind….
- Sieben schwere Jahre liegen hinter mir. Gott war mir in dieser Zeit nicht fern. Ich habe ihn als fürsorglich erlebt. Doch nun bete ich sehr eindrücklich dafür, dass der Herr mir und uns nun „sieben fette Jahre“ schenken möge. Nur einige Wochen nach diesem Herzensgebet erhält meine Frau eine erneute, schwerwiegende Krebsdiagnose.
Wie schaffe ich es mit dem „24-7 Trauerdienst“ (wir sind ja eigentlich immer dabei, etwas zu betrauern) zu leben und gleichzeitig fröhlich und zuversichtlich zu bleiben und mein Herz dabei „eins“ zu halten?
Im Laufe der Jahre habe ich einige Entscheidungen für mein Leben getroffen, die mir helfen, mich nicht zu verlieren und mich als „eins“ zu erleben. Nicht an jedem Tag, aber doch andauernd.
„Mich nicht verlieren!“
10 Entscheidungen
10 dieser Entscheidungen (learnings) will ich hier mit euch teilen.
- Pastor M akzeptiert seine schwermütigen Tage und trägt tapfer den Ring
Es gibt Tage (Jahre), die scheinen nicht nur ohne Sinn, die bleiben ohne Sinn. Alles Hinterfragen und Durchdenken führen meistens nur zu noch mehr Traurigkeit.
„Die Vertreibung aus dem Paradies ist ein ‚Fall ins Denken‘. Hier klingt ein Ton an, wie er von Augustinus bis zu Franz Kafka das Notgedrungene aller geistigen Anstrengung signalisiert und zugleich ihre Vergeblichkeit“ (aus „Warum Denken traurig macht“ von George Steiner). Ich werde mein Lebensschicksal nie „denkerisch“ zu Ende erklären können. Es bleibt Unverständnis. Eine Erklärung ist mir unverfügbar.
Mir bleibt zu akzeptieren, dass ich ein Leben und eine Berufung und ein Schicksal (der eine „Ring“) bekommen habe. An einer Stelle im Film „Der Herr der Ringe“ wünscht sich Frodo, „dass er den Ring nie bekommen hätte“, dass „das alles nie passiert wäre“. Wie oft habe ich diesen Wunsch die letzten Jahre mitgeträumt!
Aber es liegt nicht an mir, zu entscheiden, was mir zugemutet wird. So antwortet der weise Gandalf: “Das tun alle, die solche Zeiten erleben. Aber es liegt nicht in ihrer Macht, das zu entscheiden. Du musst nur entscheiden, was du mit der Zeit anfangen willst, die dir gegeben ist.“
Es ist meine Zeit, es ist meine Geschichte. Es ist an mir zu entscheiden, was ich mit meinem Leben, meiner Zeit und Berufung anfangen will. (und ja, mein Schicksal und meine Lebensberufung fühlen sich manchmal wirklich so an wie der eine Ring, der uns alle knechten will…)
- Pastor M verkauft seine Leitungs- und Managementbücher und kauft sich stattdessen Gartenbücher
In all diesen Jahren habe ich mich viel zu sehr von den großen christlichen und säkularen Leitungs- und Managementhelden und ihren Büchern inspirieren lassen. Das tue ich fast nicht mehr.
Meine leidvollen, traurigen Erfahrungen haben mich von Machermentalität und Leitbildillusionen geheilt. Wer weiß, wo ich heute wäre, wenn ich all die Traurigkeiten nicht erlebt hätte. Sicher wäre ich weniger barmherzig und mitfühlend, weniger „wie Jesus“.
Heute lerne ich fast alles für den gesunden Gemeindeaufbau aus Gartenbüchern und vor allem aus eigenen Anschauungen aus der Natur. Wie wichtig sind doch die Effektiven Mikroorganismen für den Boden! Und nein, die Natur wuchert nicht andauernd – es gibt dort sehr lange Ruhephasen. Ewig lang ist nichts zu sehen, bis eines Tages was Kleines, Zartes, Grünes durch den Boden bricht.
Aktuell denke ich über das folgende Bild nach: Der Pastor als Arborist (Baumpfleger)
- Pastor M ist nicht mehr brav, sondern brave
Es muss nicht mehr alles gut gehen. Und schon gar nicht muss es mir immer gut gehen. Und schon gar nicht, gar nicht, muss ich immer dafür sorgen, dass es allen gut geht.
Ich werde mutig sein und aufhören, dafür zu beten, dass es mir immer wohl ergeht. (vgl. Apg 4) Ich verabschiede mich bewusst vom „Amercanized Jesus“! (vgl. Pete Scazzero „EHD“).
Meine Predigten werden liebevoller und prophetischer.
Konsumorientiertes und an den westlichen Lifestyle angepasstes Christsein ist für die nächsten Jahre auf jeden Fall vorbei.
Schwarzbrotpredigten, die ja so heißen, weil sie ohne Gnade auskommen, sind für mich out. Ich halte Vollkornpredigten, sie sind voller Gnade und Klarheit. Da hat auch meine Traurigkeit Raum.
Und nicht zuletzt – ich stopfe nicht mehr alle ach so guten Ratschläge und Feedbacks und gutgemeinten Meinungen in mich hinein, sondern achte auf eine gute Verdauung und lass auch mal einen kräftig fahren: Auch ein Hirte muss mal „kacken“, nicht nur die Schafe!
- Pastor M belächelt seine Vorfahren nicht mehr, sondern feiert die Schätze seiner Familiengeschichte
Jahrzehntelang war mein Vater Meister im Ertragen aller möglichen Lebensumstände. Im Beruf, in der Gemeinde, in der Familie – er war der komische Kauz.
Als Teenager habe ich mich oft gefragt: Warum lässt mein Vater das alles mit sich machen, warum wehrt er sich nicht? Mein Vater hat nicht gekämpft, ist aber auch nicht geflohen. Er hat ertragen.
Inzwischen für mich verständlich, wenn man als Kriegskind mit 9 Jahren Vollwaise wurde. Nur so konnte er überleben. Er entwickelte unglaubliche Nehmerqualitäten. War mehrmals todkrank in seinem Leben und wurde doch 84 Jahre alt.
Mein Vater war treu bis an den Tod. Mein Vater war ganz von seinem himmlischen Vater abhängig und lebte ein hingegebenes Leben.
Nein, mein Vater war kein Mose und kein Josua – er war Hur, der Mose einen Arm hielt, als es schwer wurde. (vgl. Exodus 17, 2)
Er ging bei schönstem Wetter nicht in die Berge sondern in den Gottesdienst und ebenso auch bei Nieselregen und 3 Grad. Jahrelang mehrere Kilometer zu Fuß, ein Auto hatten wir nicht. Der CO2-Fußabdruck meiner Eltern ist unterirdisch.
Heute inspiriert mich diese Nehmerqualität meines Vaters und sein Wille, auch schwerste Lebenserfahrungen auszuhalten. In meiner Familiengeschichte liegen Schätze verborgen, die mir immer wieder helfen, meinen Weg treu weiterzugehen. („A Long Obedience in the Same Direction“ – Eugene Peterson/Friedrich Nietzsche)
- Pastor M schaut verbotene Kunst und tanzt zu böser Musik
Ich flippe aus. Auf der Tanzfläche. Manchmal kann ich nicht anders, da muss ich meine Beine bewegen, meine Hände zum Himmel heben. Da muss ich meinen Körper spüren.
Es ist Ausdruck von Freude. Aber auch Frustbewältigung von zu viel trauriger Ernsthaftigkeit und Overthinking. Ich mag Musik, wenn sie laut und rhythmisch ist, da höre ich endlich auf zu denken.
Daneben habe ich meine Liebe zur Malerei wieder entdeckt. Als Kind war ich bereits in einer Malschule. Ich bin kein großer Maler, aber ich gehe gerne auch zu Ausstellungen. (Mein Highlight dieses Jahr: Die große Vermeer Ausstellung in Amsterdam)
Jahrelang war mir das unheimlich. Da waren diese Stimmen: Darf man das schauen, darf man das hören – die wollen ja nur deine Seele!
Das ist vorbei. Ich befreie mich davon – und verdränge fröhlich tanzend oder anmutig betrachtend meine traurigen und schwermütigen Momente. (klar bei manchen Liedern verlasse ich immer noch die Tanzfläche, die gehen gar nicht!)
Ich bin frei, muss niemanden mehr überzeugen. Soll jeder hören und schauen, was er oder sie will. Was ich will, dass tue ich.
- Pastor M erfindet das Rad nicht immer neu und stellt im Dezember Kirschzweige in eine Vase
Umso älter ich werde, um so dankbarer bin ich für meine Kindergartenzeit. Im St. Michael Kindergarten habe ich den Wert von Ritualen und Bräuchen kennengelernt. Und das Vorbild einiger Heiliger.
So stelle ich jedes Jahr am St. Barbaratag (4. Dezember) Kirschzweige in eine Vase und warte, bis die Knospen, meistens um die Weihnachtstage, dann aufblühen. Keine Ahnung, ob ich der einzige freikirchliche Pastor bin, der St. Barbara feiert, aber es macht mich glücklich und vertreibt in dunkler Zeit einige Trauergeister.
Über das Jahr verteilt, habe ich mir einige Bräuche meiner Heimat erhalten. Sie erden mich. Und bewahren mich davor, einer gemeindlichen Erneuerungssucht und Kreativitätsgier zu verfallen, die einen ständig beschäftigt halten. Und meine Trauer und meinen Schmerz überspielen.
Meine Kirschzweige sind ein Protest gegen alle frommaktivistische Verdrängung der eigenen Verluste und der Schmerzen, die sich daraus ergeben.
- Pastor M folgt nicht mehr dem Feuermonster sondern dem Parakleten
Es ist wundervoll an der Feuerschale zu sitzen. Mit Familie & Freunden, einigen langen Stöcken und einer Schüssel voll mit Stockbrotteig.
Es ist nicht wundervoll, wenn ein unkontrolliertes Feuer unseren Dachstuhl abfackelt.
Das Wirken des Geistes wurde in meinem Umfeld oft mit dem Feuer gleichgesetzt. Oder der Flut. Oder dem Sturm. Groß und mächtig sollte die Erweckung sein. Lass dein Feuer fallen!
Ich muss das nicht mehr erleben. Ich will das nicht erleben. Zu oft habe ich mich in den vergangenen Jahren als Feuerlöscher betätigen müssen, weil das vermeintliche geistliche Feuer zerstört und nicht gewärmt hat. Der Heilige Geist wurde zum Feuermonster.
In den letzten Jahren habe ich neu entdeckt, dass der Heilige Geist der Tröster ist. Ihn kann ich herbeirufen in meiner Trauer und Not. Da muss nicht immer alles erweckt und erneuert werden. Er ist da und wärmt, wie ein Taschenwärmer. Da geht es um exotherme Zustandsänderungen, die erst durch einen Bruch („Knick“), die nötige Aktivierungsenergie für die Wärmeproduktion erhalten. Leid und Traurigkeit sind für mich wie ein Knick des Metallplättchens. Erst der Bruch bringt die erhoffte Nähe und Wärme Gottes.
Ich folge dem Tröster und seiner Lebensart. Höre hin, wenn jemand mich herbeiruft, um zu trösten. Für alles andere, Erweckung und so, ist der Paraklet zuständig. Und auch dafür, dass sein Feuer der Liebe lebenslang in mir brennt.
- Pastor M proklamiert keine „vollmächtigen“ Gebete mehr und spricht dafür das Willkommensgebet
Nein, ich marschiere nicht mehr in der Siegesschar und nein, Jesu Herrschaft ist immer noch nicht vollständig offenbar geworden. Ich vermisse den Himmel auf Erden immer noch. Und ja, mein Gott ist größer, doch ich singe dieses Lied mit vielen traurigen Gedanken und warte noch darauf, dass meine Gefühle nachkommen. Ich will mich ja als „eins“ erleben in Gottes Gegenwart.
Im Willkommensgebet, das ich täglich bete, stelle ich mich der Wirklichkeit des Lebens. Seiner ganzen Fülle. Ich nehme alles an, was Gott mir an diesem Tag zumutet. Allein in der Wirklichkeit meines Lebens erfahre ich, dass mir alles, wirklich alles zu meinem Heil dient. („Ich heiße alles willkommen, was mir heute begegnet, weil ich weiß, dass es meiner Heilung dient“)
Nicht nur einmal habe ich dabei erlebt, dass in dieser realen Wirklichkeit meines Lebens, auch gerade in den schwersten Momenten, Jesu Trost mir ganz nah war.
- Pastor M liebkost die Rachepsalmen und verbannt frommpastellige Kalendersprüche
Auch als Pastor sind mir hässliche Gefühle nicht unbekannt. Vor allem Neid und Rachegefühle gehören dazu.
Da sehe ich auf einem Account, wie andere Gruppierungen und Kirchen aufblühen und stolz ihre Mitarbeitenden vorstellen, die wir als Kirche vor Ort ausgebildet haben.
Sie stehen nun in deutschlandweit bekannten Kirchen auf der Bühne und fördern das Reich Gottes. Ja, hin und wieder freue ich mich gerne mit. Aber nicht selten bin ich neidisch und fast schon wütend (was ja fast identisch ist mit Trauer).
Rachepsalmen sind da hilfreich. Für mich. Natürlich wünsche ich meinen Glaubensgeschwistern nicht alles an den Hals, was David da in Poesie gefasst hat. Nur manches 😊 Psalmschnipsel sind da wenig hilfreich. Es braucht schon den ganzen Psalter, um mein ganzes Herz bei Jesus auszuschütten. So schütze ich mein Herz davor, dass ein Giftpilz sich schmarotzend in meiner Seele ausbreitet.
Alsbald kann ich mich dann immer öfter auch ehrlich und aufrichtig mitfreuen – an den Früchten „meiner“ Arbeit, die auf den Bäumen anderer Menschen und Gemeinschaften wachsen.
- Pastor M weint öffentlich – so wie Jesus
Wann hast du, wann der Pastor deiner Church/Kirche öffentlich geweint?
So wie Jesus, der über Jerusalem weinte. Am Grab von Lazarus war Jesus Herr über seine Gefühle und konnte seine Trauer ausdrücklich zeigen.
Es ist ein Weg, doch hin und wieder wage ich es, meine Tränen nicht wegzudrücken, sondern sie öffentlich zu eigen. Nicht sie zur Schau zu stellen, das ist nicht gemeint. Aber auch nicht so zu tun, als ob ich als Pastor/Leitender über meinen Gefühlen stehe. Weil wir uns ja immerzu freuen müssten oder alles stoisch im Griff haben müssten als die großen Vorbilder. Ich will Vorbild für öffentliche Tränen sein.
Das alles ist Trauerarbeit. Braucht viel Zeit. Und diese gestehe ich mir immer wieder zu. Es gibt Verluste. Die müssen betrauert werden. Wenn wir es nicht tun, werden sie uns davon abhalten, frei und ehrlich in Gottes Gegenwart und mit anderen Menschen zu leben.
Niemand entkommt Leid und Verlusten in seinem Leben. Vor allem die Menschen nicht, die Gott in eine pastorale Berufung ruft. Wie auch immer die aussieht.
Unter anderem ist jede pastorale Arbeit eine Entscheidung, sich auf höchst persönliche und intime Weise mit Verlust und Leiden auseinanderzusetzen. Dem eigenen Verlust und Leiden und dem der anderen.
Aber es bleibt eine ständige Herausforderung:
Wem wird im kulturell amerikanisierten freikirchlichen Gemeindealltag die nötige Zeit gegeben für diese umfassende Trauerarbeit? Liegt unsere Hoffnung da nicht eher in den Vorbildern der verfolgten Kirche? Von ihr könnten wir wahrscheinlich viel lernen für unsere Trauerarbeit.
„Es ist besser, in ein Haus zu gehen, wo man trauert, als in ein Haus, wo man feiert; denn da zeigt sich das Ende aller Menschen, und der Lebende nehme es zu Herzen!“
Prediger 7,2

Ich denke. Jeder der leitet kennt diese down und muss mit ihnen leben. In machen ist darum ein Zurück zu den alten Wurzeln Hilfe. Weg von sich selbst immer wieder feiern müssenden Aufforderungen. Alt gewordene Strukturen in Kirche haben da auch etwas halt gebendes weil sie nicht emotional aufgeladen gelebt werden müssen.
Was für ein Beitrag!!! Ich lese die Artikel in diesem Blog sehr oft. Lieber Lothar, danke für diesen Beitrag. Wie gerne würde ich mal mit Pastor M ins Gespräch kommen. Ja, es gibt sie, die großen Erfolgsgeschichten. Aber für so manchen Pastor irgendwo auf dem Land sind sie eher eine Bedrohung als eine Ermutigung. Sie malen dir deine Erfolgslosigkeit noch mehr vor Augen. Wer wäre nicht gerne erfolgreich. Höher, weiter, größer- das ist ja in uns allen angelegt. Und irgendwie muss man damit klarkommen, wenn es dann nicht so ist. Ich glaube, dass viele Pastoren aus diesem Beitrag echte und ehrliche Hilfe ziehen können. Man könnte noch so viel berichten. Aber hier mal nur ein einfaches Dankeschön.
Lieber Pastor M, du berührst mich. Ich fühle das so sehr, was du da schreibst und ich liebe es, wie du damit umgehst. Ich möchte mich von vielen deiner Gedanken inspirieren lassen. Denn das ist das wahre Leben ohne Hype. Und das erleben die Menschen in ihrem Leben täglich. Ich selbst habe auch erlebt, dass ich mich irgendwann gefragt habe, warum mein Leben und die freikirchlichen Gottesdienste die ich besuchte so weit auseinander gehen. Irgendwann hab ich mich auf die Reise gemacht und mich den Fragen ehrlich gestellt und bin heute ein etwas anderer Mensch und erst recht ein anderer Leiter. Ich bin jetzt Pfarrer in einer Landeskirche und mag es, obwohl da auch nicht alles gut ist – im Gegenteil. Und doch liebe ich das Kirchenjahr mit seinem – gerade erst wieder durchlebten – Ende mit den schweren, ehrlich angesprochenen Themen. Leid, Schuld, Tod, Ungerechtigkeit. Das bleibt manchmal einfach so stehen und gibt keine billige Antwort. Es muss ausgehalten und ertragen werden. Und dann kommt Advent, mit seiner Hoffnungsaussicht und dann Weihnachten mit seinem hellen Licht… ich liebe das. Es erdet mich und ich spüre wie sehr es auch den Menschen etwas gibt.
Vielen Dank für das hineinnehmen in deinen Schmerz und deinen Umgang damit. Es hat mir gut getan und mir Mut gemacht.
Herzlichen Dank lieber Mitbruder M für die offenen, wohltuenden Worte, die mir aus dem Herzen sprechen. Nach 27 j der Gründung und Leitung einer Freikirche in einer Kleinstadt teilen wir die beschriebenen Erfahrungen voll. Letzte Woche war unsere letzte Veranstaltung- wir gehen nun in den Ruhestand und orientieren uns neu.
Danke für diesen ehrlichen Beitrag. Mögen wir grundsätzlich lernen bei uns anzukommen, in uns hineinzuhören und auf uns aufmerksam zu werden. Die Bibel gibt uns den ein oder sanften Hinweis, wenn ich z.B. an die 40-jährige Vorbereitungszeit von Mose denke bevor er – widerwillig 🙂 – die große Aufgabe von Gott annahm (dabei geht es mir nicht im die Größe). Er wird sicherlich einiges in diesen Zeiten über sich erfahren haben viel Zwiesprache mit dem „großen Hirten“ gehabt haben 🙂
Danke für den ehrlichen Beitrag! Möge er uns helfen auf uns selbst zu achten, uns zu entdecken und herauszufinden, was uns wichtig ist. Gott hat uns in den einsamen Stunden einiges zu zeigen.
Sehr mutig und ehrlich!