Leiter wollen erfolgreich sein. Ich gehöre dazu! Doch das kann ins Auge gehen. Erfolg als eine Droge, die zerstört? Von Selbstausbeutung der Arbeitssüchtigen berichtete neulich ZEIT ONLINE. Arbeit würde als identitätsstiftend in unserer Kultur glorifiziert, schrieb Sascha Nicke. Ist der berufliche Erfolg für Führungskräfte Grundlage der eigenen Identität? Begründet das, was man tut, den eigenen Wert? Und wenn ja, was macht das mit einem als Führungskraft? Aber auch mit jedem anderen, der etwas bewegen und bewirken will?
Christliche Szene: Arbeitssüchtig? Erfolgssüchtig?
Säkulare Führungskräfte kann man ja kritisch reflektieren. Aber wie ist das mit Pastoren, christlichen Leitern? Bahnt der Wunsch nach beruflichem Erfolg auch bei ihnen den Weg zur Arbeitssucht? Züchtet die christliche Szene mit ihren Erwartungen und Vorbildern nicht genau diese Muster? Sind christliche Leiter anfällig für Erfolgs- und Arbeitssucht?
Mit diesem Beitrag tauchen wir mal wieder in ein brisantes Thema ein, das in der kommenden Zeit mit weiteren Beiträgen vertieft wird. Beginnen wir bei dem beliebten Rollenmodell:
Der erfolgreiche christliche Leiter!
»Erfolgreiche christliche Leiter!« Sind das nicht auch unsere Stars der Konferenzen, im Internet und den sozialen Medien? Schaut man nicht gerade zu den erfolgreichen Persönlichkeiten der Kirche, wie Fußballfans zu ihren Ronaldos, Messis und Lewandowskis? Und bei uns ist das eben alles auf „fromm“?! Von ihnen wollen wir hören, lesen, lernen. Oder? Schmückt man sich nicht gerne mit den Stars der Szene bei den Events? Aber auch im persönlichen Coaching? Erwartet der Besucher von Tagungen und Kongressen nicht gerade die großen Namen? Wer spricht denn auf Konferenzen? Wen wollen die »normalen Besucher und Mitarbeiter« hören? Für »wen« nehmen sie sich den knapp bemessenen Urlaub? Fliegen zu Fortbildungen. Konferenzen … Von wem also lernen? Von den Erfolglosen? Eher nicht … Woran wird der Erfolg gemessen? Oft (nur?) in Zahlen: Gottesdienstbesuch. Gemeindewachstum. Gemeindegründungen. Mitarbeiter. Budget. … Ein Dilemma! Fördert diese Kultur das TUN statt das SEIN? Macht sie uns alle am Ende krank? Treiben wir es auf die Spitze:
»Erwartet der Besucher von Tagungen und Kongressen nicht gerade die großen Namen? Wer spricht denn auf Konferenzen? Wen wollen die »normalen Besucher und Mitarbeiter« hören?«
Wer wird bei uns anerkannt?
Konsequenterweise ist der erfolgreiche christliche Leiter anerkannter, als es der unscheinbare Verantwortliche je sein könnte! Warum auch? Größe und Erfolg beeindrucken. Wer Erfolg hat, hat recht! Wie groß muss also die Gemeinde sein (oder wie schnell wächst sie – warum sie wächst, wird selten gefragt!), die der Leiter voranbringt? Sicher, das ist immer kontextabhängig. In Deutschland: 300 Leute, 500 oder 1000 Personen? Und wenn der Leiter aus den USA kommt: 10.000 oder doch 20.000 +? Afrika, Südamerika, Asien: 50.000 oder doch 100.000 + 🙂
AUSNAHME: Wenn man einen Zusammenbruch hatte, nachdem man sich lange und weit über jedes gesunde Maß investiert hatte und dabei erfolgreich war und zurückkehrt. Dann kann das Tempo auch geringer sein, mit dem man unterwegs ist. Ich gebe zu: Von einer wachsenden Kirche, von effektiven Leitern (Leute, die integer sind, tun was sie sagen und dabei erfolgreich sind) zu lernen ist für mich auch attraktiver, als von Leitern zu hören, die ebenfalls aufrichtig und hingegeben sind, dabei aber wenig geschieht. Autsch …, aber wir wollen hier ehrlich sein …
Erfolg haben! Ist das überhaupt o.k.?
Für manche Christen ist diese Vokabel schon verwerflich. Ein bekannter Leiter geißelte den Begriff in einem Artikel. Die Bibel spreche nicht von Erfolg. Basta. Nun, da fiel mir gleich der Bibeltext aus Josua 1,8 ein. Gott spricht der Führungskraft Josua folgende Worte zu: »Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Mund weichen, und du sollst Tag und Nacht darüber nachsinnen, damit du darauf achtest, nach alledem zu handeln, was darin geschrieben ist; denn dann wirst du auf deinen Wegen zum Ziel gelangen, und dann wirst du Erfolg haben.« Also doch Erfolg!*
*(שָׂכַל – sakal) Ich weiß: der hebräische Begriff hat darüber hinaus viele weitere klärende Aspekte – für die Fachleute unter meinen Lesern 🙂
Was ist überhaupt Erfolg?
Die Frage müsste also vielleicht eher lauten, was ERFOLG im Zusammenhang mit der Kirche, dem Glauben überhaupt ist! Ist die »Maßeinheit« für Erfolg »Zahlen«? Oder eine wachsende Kapazität zu lieben? Den Armen zu dienen? Die wachsende Gesinnung selbstlos zu handeln. Schrumpfende Selbstsucht? Mehr »Jesus-ähnliche-Charakterzüge« im Leben der Christen? …
Ganz schlaue Kenner der Bibel werden an Johannes 15 erinnern: Frucht bringen! Steht da in Vers 5 nicht was von »reicher Frucht«. Messbar scheint es wohl allemal zu sein. Die Frage ist doch eher, was gemessen werden soll!
Erfolg für mich?
Wenn ich das Thema persönlicher durchdenke, wird es für mich schwieriger. Was ist Erfolg für mich? Ich finde die Antwort darauf zweischneidig! Auf der einen Seite ist mir klar, was ich als Pastor antworten sollte. Und dann erlebe ich in meiner Seele eine Reaktion auf „Erfolge“ (Maßeinheiten, die ja nicht so wichtig für mich sein sollten!), die mich irritiert. So wichtig sollte mir das nicht sein, so intensiv sollten die Gefühle nicht ausfallen! Was passiert da? Gefühle sind wichtige Hinweise auf Prozesse, die mein Verstand, meine Prägung, meine Ideale … möglicherweise unterdrücken wollen. Das bringt mich zum Kern:
Was macht Erfolg mit mir?
Könnte die Frage nach dem Erfolg dann besonders schwierig werden wenn ich frage: Was ist in Wahrheit ERFOLG für mich? Und noch weiter: Was macht Erfolg mit mir? Was macht Erfolg mit meiner Beziehung zu Gott, meiner Beziehung zu meiner Frau, meinen Kindern, meinen Mitarbeitern, meinem Selbstwert, meiner Identität … Und wie geht es mir in meinem Misserfolg, oder wenn ich den ERFOLG meiner Kollegen erlebe. Vor Ort, in der Region, bundesweit … Ich weiß wie ich als Pastor darüber denken und fühlen sollte … schon klar!
Erfolg fragt mich …
… nach meinem Selbstbild. Nach den Quellen, aus denen ich lebe. Nach meiner Identität, nach „meinem Gott“ (und eben meinen Götzen). Ich lande bei der Frage nach meiner eigenen Berufung, meiner Identität und meinen Werten. Letztlich der Frage nach meinem Gottesbild, meinem Vertrauen IHM gegenüber im Blick auf mein Leben und meine Beziehung zu ihm. Die Grundfragen meines Lebens die letztlich alles beeinflussen was ich bin und tue!
Jeder stellt sich diese Fragen, irgendwann …
Über kurz oder lang muss sich jeder Leiter, der als Christ Verantwortung trägt, sich dieser Frage stellen. Und er wird es tun. Die Frage nach der eigenen Identität lässt ihm keine andere Wahl! Ich stelle mir diese Fragen seit mehr als drei Jahrzehnten. Nun bin ich immer noch unterwegs damit. Mal geht es mir besser damit, mal ringe ich mit diesen Fragen. Die Theorie ist mir schon klar – seit langer Zeit. Bei der Umsetzung kommt „mein Motor“ immer wieder ins stottern …
Mein Fazit
Mein Fazit: Ich bin super froh, dass ich einen Retter habe. Jesus. Der haut mich immer neu raus. Seit über 30 Jahren. Ich brauche einen Retter. Und das ist gut so!
Es geht weiter: Weitere Beiträge zu dieser Fragestellung erscheinen in loser Folge in der nächsten Zeit auf dem LEITERBLOG.
Zur direkten Vertiefung:
- Beiträge zum Thema auf dem LEITERBLOG
- Ordne dein Leben – Gordon MacDonald,
- Es ist nicht alles Gott was glänzt, Tim Keller