Wer ist dabei, im neuen Leben bei Gott?

In den letzten Wochen lesen Heike und ich intensiv im Buch der Offenbarung – und wir entdecken Dinge, die uns neu staunen lassen.

Dieses Buch, oft missverstanden oder gemieden, wird nicht ohne Grund „Trostbuch“ genannt. Zwischen erschütternd klaren Analysen unserer Welt und starken Zukunftsbildern liegt ein tiefer Friede, der trägt.

Je tiefer wir eintauchen, desto deutlicher wird: Viele der geheimnisvollen Bilder lassen sich nicht über fremde Mythologien entschlüsseln, sondern über die großen Linien des Alten Testaments. Die Kommentare von Gerhard Maier öffnen uns faszinierende Türen. Und dank Logos kann ich den Verknüpfungen direkt nachgehen.

Eine Entdeckung hat mich überrascht und beschäftigt mich:

Mein „Offenbarungs-Mentor“ aus den 1980er Jahren, Ernst Gerhard Fitsch, vertritt in seinem Buch (Die Vision von Patoms) zu Offenbarung 20,15ff eine Sicht, die ich so noch nicht gesehen – und die ich in gängigen Kommentaren bislang nicht gefunden habe.

Sie ist mutig. Herausfordernd. Und theologisch spannend.

Meine Frage an euch Theologen, Bibelnerds und Offenbarungs-Liebhaber:

Kennt ihr Stimmen, die diese Perspektive teilen?
Wie ordnet ihr diese Sicht ein?

Ich freue mich sehr auf eure Gedanken – hier im Blog, auf Facebook oder auf Instagram.


Und hier kommt die These von Ernst Gerhard Fitsch:

»Im Blick auf das Gericht Gottes bleiben für uns manche Fragen offen. Unser menschliches Gerechtigkeitsempfinden wird auf einige Proben gestellt. Unsere Urteile dürften mit Gottes Urteilen kaum übereinstimmen, wenn Jesaja 55,8-9 (LUT 17) zutrifft: 

„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“

Einen unscheinbaren, aber folgenreichen Hinweis enthält Offenbarung 20,15:

„Und wenn jemand nicht gefunden wurde aufgeschrieben im Buch des Lebens, wurde er in den Feuersee geworfen.“

Da steht nicht: „Weil er nicht gefunden wurde“, sondern „wenn jemand nicht gefunden wurde im Buch des Lebens“. Das Finden oder Nichtfinden setzt voraus, dass etwas verborgen oder verhüllt war, also eine Offenbarung. Da werden Namen gefunden, die nicht erwartet wurden; und Namen, mit denen man fest gerechnet hat, werden fehlen. Gottes Urteile stimmen nicht unbedingt mit denen durch Menschen überein. „Und wenn jemand nicht gefunden wurde“ lässt das Ergebnis auch zum Positiven hin offen. Aber warum wird davon nichts angedeutet oder gesagt? Ist das nicht Spekulation?

Es wird etwas angedeutet und gesagt! Im griechischen Original gibt es keine Kapiteleinteilung, die wurde erst viele Jahrhunderte später eingefügt. Wenn wir von 20,15 direkt weiterlesen, sehen wir die andere, gegenüberliegende Seite vom Feuersee.

Im neuen Himmel und auf der neuen Erde befindet sich nicht nur „die Braut des Lammes“, das Volk Gottes (21,1-2), sondern auch „Völker Gottes“ (21,3)*. In 22,2 ist ebenfalls die Rede von ethnon, also „Völkern“ oder „Heiden“: „Und die Blätter des Baumes sind zur Heilung der Völker.“ Ohne zu viel in diese überraschenden Andeutungen hineinzulegen, können wir doch festhalten, dass auf der neuen Erde nicht nur die Gemeinde des Messias, die Braut Christi, sondern nach dem Endgericht auch noch weitere „Völker“ zu finden sind.

Die Bibel beantwortet an dieser Stelle nicht alle unsere Fragen. Aber was ist zum Beispiel mit den vielen Milliarden Menschen vor und nach der Geburt Christi, denen nie die gute Nachricht von Jesus verkündet wurde und die nie die Gelegenheit hatten, das Wort zu ihrer Rettung zu hören und anzunehmen? Und was geschieht mit den früh verstorbenen unmündigen Kindern? Was wird mit den gewaltsam christianisierten Völkern Europas, die dadurch geradezu mit einer inneren Abneigung gegen diese Religion gereizt wurden? Wer in diesen Völkern ist je wirklich der guten Nachricht in der Liebe und Kraft des Heiligen Geistes begegnet? Und wie mag Gottes Urteil über Menschen ausfallen, die psychisch und geistig behindert und darum zu einer echten Antwort auf das Evangelium gar nicht in der Lage waren? Sie werden auch vor dem Richterstuhl Gottes stehen. Gott nimmt auch ihr Tun und Lassen und Erleiden ernst und urteilt gerecht. Enthält „das andere Buch“ nicht auch solche Namen? Gilt das Opfer Jesu nicht auch ihnen? Wenn das Buch geöffnet wird, werden Namen „gefunden“ und enthüllt, die zuvor verborgen waren. Das Gericht Gottes über die Menschheit ergeht nach beiden Büchern. Gott wird gerecht urteilen, nicht nur nach unseren unvollkommenen Maßstäben und Einblicken. Er erkennt auch, wie ein Mensch sich entschieden hätte, wenn er Jesus in Klarheit begegnet wäre. So ist im Jüngsten Gericht durchaus noch einiges offen.

Die Offenbarung handelt nicht von fantasievollen Vorstellungen eines Tausendjährigen Reiches, wie es in vielen Büchern zu lesen ist; sondern von dem letzten Gericht, das eine Revision vieler fragwürdiger Gerichtsentscheide auf dieser Erde darstellt, und das ein gerechtes Gericht ist. Bleiben wir beim Text und tragen nicht Gedanken von außen hinein, zeigt Offenbarung 20 einen in sich geschlossenen und zusammenhängenden Gedankengang.«


Auszug aus: Die Vision von Patmos | Die Offenbarung des Johannes neu entdecken, Fitsch, Ernst Gerhard.

*Anmerkung von mir: Im griechischen Grundtext findet sich eine aufschlussreiche Änderung in V. 3 gegenüber Levitikus 26,12 und Hesekiel 37,27 statt: Der Singular „Volk“ (λαός) im AT Zitat wird zum Plural (λαοί). Die Gegenwart Gottes ist mit „seinen Völkern“.

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1 Response to Wer ist dabei, im neuen Leben bei Gott?

  1. Avatar von Christian Borchert Christian Borchert sagt:

    SEHR INTERESSANTE EINBLICKE, die E.G.Fitsch hier gibt – ist bei mir gerade 1Buch von 3en!

    Auch im „jüngsten-Gericht“ ist unser ALLMÄCHTIGER Gott nicht plötzlich „ratlos“! Er kennt auch hier für ALLE MENSCHEN die Ziellinie(Buch des Lebens)!

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