
Bevor der Blog in den Winterschlaf geht, noch dieser Impuls:
Warum wollen eigentlich immer weniger Menschen Führungsverantwortung übernehmen? – Mit dieser Frage verabschiede ich mich an dieser Stelle vorerst für eine unbestimmte Zeit. Ob und wann es weitergeht, bleibt offen. Wenn du den Neustart nicht verpassen möchtest, kannst du den Blog gerne abonnieren.
Die gute Nachricht: Alle bisherigen 1.300 Beiträge bleiben weiterhin online. Die Website ist solide finanziert und wird auch für längere Zeit kostenfrei zugänglich sein. Nun zum Impuls:
Der schwindende Reiz von Führungsverantwortung – und was wir daraus lernen können
Wir nehmen eine gesellschaftliche Entwicklung in den Blick, die uns alle betrifft: Immer weniger Menschen sind bereit, Führungsverantwortung zu übernehmen. Diese Herausforderung ist in Vereinen, Parteien und Kirchen längst spürbar – nicht nur bei Führungsaufgaben, sondern auch bei der Übernahme verantwortlicher Mitarbeit im Ehrenamt. Jetzt zeigt sich dieser Trend auch immer deutlicher in der Wirtschaft. Aber woran liegt das?
David Gutensohn beleuchtet dieses Thema auf Zeit Online. Das war meine Anregung für diesen Blogpost. Im Folgenden fasse ich zentrale Thesen und Fakten zusammen und stelle einige Fragen zur Reflexion, insbesondere im Hinblick auf unsere Arbeit in Kirchen und Gemeinschaften.
341.000 Führungskräfte fehlen bis 2030!
Führungspositionen galten lange als das Symbol für beruflichen Erfolg: mehr Verantwortung, mehr Gehalt, mehr Ansehen. Doch immer mehr Menschen verzichten bewusst auf diese Rollen – mit weitreichenden Konsequenzen. Laut der Boston Consulting Group droht Deutschland bis 2030 ein Mangel von 341.000 Führungskräften.
Warum wird Führung unattraktiv?
Experten wie Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, schreibt Gutensohn, führen mehrere Gründe an, warum Führung heute immer häufiger abgelehnt wird:
- Eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten
Viele Führungskräfte haben kaum echte Freiheit, Dinge zu bewegen. Stattdessen sind sie oft in Bürokratie, Kontrolle und Mikromanagement gefangen. - Stress und Überstunden
Führungsrollen bringen häufig eine ungesunde Arbeitsbelastung mit sich, die Beruf und Privatleben schwer vereinbar macht. - Weniger Anreize
Gut ausgebildete Fachkräfte können auch ohne Führungsverantwortung gutes Geld verdienen und Einfluss ausüben. Der zusätzliche Aufwand einer Leitungsposition steht oft nicht im Verhältnis zur Belohnung. - Gestiegene Ansprüche
Führungskräfte sind in einer „Sandwichposition“: Sie müssen sowohl die Erwartungen des Managements erfüllen als auch die wachsenden Bedürfnisse ihrer Teams managen. Gleichzeitig nehmen Konflikte und schwierige Mitarbeitende mehr Raum ein als früher.
Wie Unternehmen gegensteuern können
Damit Führungsaufgaben wieder attraktiver werden, müssen Unternehmen ihre Strukturen und Erwartungen überdenken. Kritikos schlägt folgende Maßnahmen vor:
- Mehr Gestaltungsspielraum
Führungskräfte brauchen echte Möglichkeiten, etwas zu bewirken – und dürfen nicht nur als Ausführende von Vorgaben agieren. - Zeit für Familie
Flexible Modelle sind entscheidend, um Führung mit einem erfüllten Privatleben zu vereinbaren. Führung darf nicht automatisch Dauerstress und Überstunden bedeuten. - Angemessene Vergütung
Gerade in der mittleren Führungsebene müssen zusätzliche Aufgaben auch finanziell spürbar honoriert werden, damit der Mehraufwand gerechtfertigt ist. - Moderner Führungsstil
Verantwortung abgeben, Fehler zulassen und eine Kultur der Wertschätzung fördern: Dies sind zentrale Aspekte, um Führung an die heutigen Anforderungen anzupassen.
Führung als Frage der Kultur
„Kultur schlägt Strategie“, sagte schon Peter Drucker – und das gilt besonders für Führung. Eine moderne Führungskultur zeichnet sich durch Wertschätzung, realistische Erwartungen und zeitgemäße Gestaltungsspielräume aus. Nur so wird es gelingen, dass mehr Menschen bereit sind, Führungsverantwortung zu übernehmen.
Was bedeutet das für Kirchen, Freikirchen und Gemeinschaften?
Auch in der Gemeindearbeit stellen sich viele der oben genannten Fragen. Hier einige Gedanken zur Reflexion:
- Gestaltungsspielraum
Haben unsere haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden ausreichend Ressourcen und Freiheit, um ihre Aufgaben zu gestalten? Oder sind sie durch Struktur- und Ressourcenmangel zu sehr eingeschränkt? Braucht es neue Ansätze, um diesen Herausforderungen zu begegnen? - Zeit für Familie und Ausgleich
Wie schaffen wir es, dass Leiterinnen und Leiter in Gemeinden auch Zeit für Familie, Freunde und geistlichen Ausgleich finden? Sabbatzeiten und Erholung sind biblische Prinzipien – leben wir sie in der Praxis?- HINWEIS zur Differenzierung dieses Punktes: Oft ist es so, dass nur 10 – 15% der Leute in der Gemeinde mitwirken. Sie tragen 90% und mehr der Gemeindearbeit. Die Überlast der 85 – 90% Gemeindeleute entsteht nicht durch die Kirche, sondern durch ein volles Leben außerhalb der Kirche!
- Angemessene Vergütung
Können wir unter den sich wandelnden finanziellen Bedingungen unserer Gemeinden hauptamtliche Stellen angemessen finanzieren? - Moderner Führungsstil im biblischen Kontext
Wie können wir eine moderne Führungskultur mit biblischen Werten und Prinzipien verbinden? Was bedeutet es, Verantwortung abzugeben, Vertrauen zu fördern und gleichzeitig die Rolle der Leitung im Licht unserer Zeit zu reflektieren?
Fazit: Neue Wege für die Führung
Die schwindende Bereitschaft, Führungsverantwortung zu übernehmen, ist eine Herausforderung, die alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft – auch Kirchen und Gemeinschaften. Sie bietet aber auch die Chance, überholte Strukturen zu überdenken und neue Wege zu finden, wie wir Leitung gestalten. Das Ziel sollte eine Führung sein, die Menschen inspiriert, ermutigt und Freiräume schafft – in der Kirche, in der Wirtschaft und darüber hinaus. Welche konkreten Schritte wollen wir als Gemeinschaft in diese Richtung gehen?
Danke für dein Interesse. Ich wünsche dir eine gute Zeit auch 2025!
Noch der Hinweis: Mit der Serie »Einfach leiten!« kann du ganz individuell deinen Kurs zum Thema Leitung bauen. Für junge Leute, die du begleitest. Für Leute, die bereits Verantwortung tragen. Und alle dazwischen.

Zu jeder der 21 Episoden gibt es ein Video, Audio und auch einen Blogpost. Beim Post sind dann Arbeitsblätter zur Selbstreflexion und zum Austausch in Gruppen als Download angefügt.
Wir sehen uns!
Lothar
