Gestern sind wir in der VM Mannheim eingeführt worden. Das Abenteuer beginnt. „Was ist für dich jetzt wichtig zum Start?“ Eine gute Frage, die mir gerade häufiger gestellt wird.
Mit ihr beginne ich die kleine Reihe, die den Prozess des Onboardings und der Gemeindeentwicklung in Mannheim beschreibt. Viele Leser und jüngere Kollegen haben mich gefragt, ob ich etwas Einblick in den Prozess geben könnte. Die Ältesten der VM sind freundlicherweise einverstanden, dass ich darüber schreibe. Nun versuche ich es. Hier kommt eine erste Reflexion:
Meine Identität!
Es beginnt nicht mit Strategien, Methoden oder Techniken. Auch nicht mit geistlichen Highlights oder besonderen Erfahrungen. Es beginnt in mir. Mit meiner Identität. Die Identität ist die wichtigste Komponente meiner Entwicklung als Führungskraft. Die Auswirkungen einer guten oder unsicheren Identität sind so grundlegend. Das spüren Mitarbeitende in Unternehmen, Organisationen und auch in den Kirchen, wenn eine Führungskraft nicht aus einer belastbaren, guten Identität heraus agiert. Obwohl „man alles nach Lehrbuch macht“, will es nicht gelingen. Zumindest nicht auf der Langstrecke. Mir ist auch in Mannheim klar: Wenn ich in einer befestigen Identität ruhe, stimmig bin, vertrauen mir Menschen. Dann kann ich gut leiten. Vertrauen ist „die Währung“ der Führungskraft.
Floyd McClung, von dem ich seit 1984 viel profitiert habe, sagte es so:
»People buy into who we are before they buy into our Vision or cause.«
Die Frage, wer ich bin, trumpft die Frage nach dem, was ich leiste, aus. Immer. Deshalb ist das meine Ausgangsfrage zum Start (und wird die entscheidende Frage auf dem ganzen Weg bleiben!). Eigentlich sollte das nach über 40 Jahren mit Gott geklärt und gefestigt sein, könnte man meinen. Richtig. Eigentlich. Die Wahrheit ist: ein Leben lang bleibt diese Frage aktuell. Und an Schnittstellen, wie einem Wechsel, tritt das noch mehr in den Vordergrund. Warum? Wegen der Erwartungen. Meine Erwartungen an mich selbst. Vor allem! Und wegen der Erwartungen meines Umfeldes an mich. Konkret:
Empfindest du Druck?
„In Mannheim wartet auf dich der sechste Prozess der Gemeindeentwicklung und Erneuerung. Hast du Druck?“ Spannende Frage, die mir da gestellt wird. Ja und nein.
JA – wenn ich die Erwartung spüre und bedenke, wie wenig „in meiner Hand“ liegt. Ich bin so vielen Faktoren abhängig, auf die ich nur bedingt Einfluss habe. Und wenn ich darüber nachdenke, welche Hoffnungen und Erwartungen an unseren Dienst gestern formuliert wurden, dann wächst der Druck. Wenn es nicht dieses Aber gäbe, das mich die Frage schließlich mit NEIN beantworten lässt.
NEIN – wenn ich mir ausreichend Zeit vor Gott nehme, seine Berufung für mich festmache. Vor allem die Berufung und das Vorrecht, dass ich sein geliebtes Kind bin. Was immer passiert. Das kann mir keiner nehmen. Ich bin wertvoll, kostbar, gewollt, gewünscht, beschenkt, geachtet … vom Gott des Universums. Meine Zukunft ist gesichert. Mein „Erbe“ geklärt. „Alles gut!“, wie man heute so sagt. Ich kann mich entspannen.
Gott ist der „Leistungsträger“. Ich bin sein Mitarbeiter. Das ist das Bild, das ich mir jeden Tag abrufe. Alles ist vorbereitet (Eph. 2,10). Ich muss nichts „bringen“. Ich darf mitmachen. Das ist ein großartiges Privileg! Deshalb will ich mein Bestes geben, egal wie andere das handhaben. Es ist ein Vorrecht auf dem Weg mit dem Chef des Universums unterwegs zu sein. Er macht, ich mache mit. Mein Wert wird durch meine Beziehung zu ihm bestimmt, nicht durch meiner Leistung. Diese „Aussicht“ darf ich mir durch nichts „verbauen“ lassen. Er segnet mich und uns. Beruft uns und setzt uns ein. Heike und ich verstehen uns als Team.
Die Theorie ist mir also soweit klar. Die konstante Umsetzung ist – offen gesagt – meine Herausforderung. Mal bin ich gelassen, sicher und gewiss. Mal kämpfe ich. Wer bin ich? Was bin ich wert? Bin ich gut genug? Andere sind besser, erfolgreicher, einflussreicher … Was macht das mit mir? Dieses doofe Vergleichen! Weißt Du, wovon ich hier schreibe? Es ist ein Fluch, oder?! Diese Gedanken und Gefühle können einen total blockieren. Mein Ausweg? Ich nutzte diese beiden Ansatzpunkte:
1. Eine klare Definition, worum es für mich geht
„Ich will die beste Version von mir werden, die möglich ist. Die Version, die mein Schöpfer im Sinn hatte, als er mich erdachte!“ Also keine Kopie eines tollen anderen Menschen. Sondern die beste Version von Lothar Krauss, die denkbar ist. Ich soll, will und „muss“ ein Original sein wollen. Mit allen Chancen und Grenzen. Und meine Mängel, meine Unzulänglichkeit und mein Versagen sind für Gott auch kein echtes Hindernis! Dietrich Bonhoeffer findet dafür großartige Worte:
»Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. … Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.«
Das ist der springende Punkt. Gott kommt mit mir klar! Ich darf sein. Ich darf der sein, der ich sein soll. Andere Leute können mich inspirieren. Das ist gut. Aber ich soll mich weder mit ihnen vergleichen, noch sie imitieren. McClung dazu:
»A secure identity results from an accurate comprehension of who God has created us to be.«
Also, was ich an Persönlichkeit, Begabung, Geschichte und auch Macken mit an den Start bringe kann, will und wird Gott gebrauchen können. Er kann mit mir seine Geschichte schreiben. Mit Dir auch!!!
2. Mich beständig beschenken lassen
Wenn ich die Liebe von Gott tief in mich aufnehme, sein JA zu mir meine Gedanken, Gefühle und meine Selbstwahrnehmung bestimmt, dann bin ich „save“. Dann wird meine Identität stabil, ich kann mit mir und alle dem, was in Mannheim auf mich zukommt, umgehen. Gottes Heiliger Geist erfüllt mich mit dieser Liebe, diesem Zuspruch, von dem ich lebe. Römer 5,5, Matt. 4,4 sind mir im Sinn.
Noch ein wichtiger Sidekick: Gottes Wort ist dabei für mich die Quelle, aus der ich diesen Zuspruch erhalte. Wichtiger als Gefühle denn gerade wenn meine Identität im Kreuzfeuer steht, sind meine Gefühle und auch Gedanken im Schleudergang, nicht so zuverlässig! Gerade dann gilt für mich auch das Wort Dietrich Bonhoeffers:
»Dieses Wort aber hat Gott in den Mund von Menschen gegeben, damit es weitergesagt werde unter den Menschen. Wo einer von ihm getroffen ist, da sagt er es dem andern. Gott hat gewollt, daß wir sein lebendiges Wort suchen und finden sollen im Zeugnis des Bruders, in Menschenmund. Darum braucht der Christ den Christen, der ihm Gottes Wort sagt, er braucht ihn immer wieder, wenn er ungewiß und verzagt wird; denn aus sich selbst kann er sich nicht helfen, ohne sich um die Wahrheit zu betrügen. Er braucht den Bruder als Träger und Verkündiger des göttlichen Heilswortes. Er braucht den Bruder allein um Jesu Christi willen. Der Christus im eigenen Herzen ist schwächer als der Christus im Worte des Bruders; jener ist ungewiß, dieser ist gewiß. Damit ist zugleich das Ziel aller Gemeinschaft der Christen deutlich: sie begegnen einander als Bringer der Heilsbotschaft.«
Bonhoeffer, D., 2015. Gemeinsames Leben; Das Gebetbuch der Bibel. G. L. Müller & A. Schönherr, hrsg., Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.
Und wenn sich „der Erfolg“ nicht einstellt?
Nun, der Fokuspunkt ist nicht Erfolg sondern Berufung. Dem zu folgen, wozu Jesus mich berufen hat, mutig und im Gehorsam, ist der Punkt. Für die Ergebnisse ist ER zuständig. Die „Verheißungslage“ sieht aber günstig aus, wenn ich mich recht an Johannes 15,5 erinnere.
Erfolgsfaktor Identität
Kommen wir also noch einmal auf die Ausgangsfrage zu sprechen. Was ist für dich jetzt zum Start wichtig? Das Bewusstsein, dass sich die Aufgabe in Mannheim in meinem Herzen, meiner Identität, entscheidet. Zumindest was meinen Teil betrifft. Das will ich ernst nehmen. Mich selbst leiten. Und mit Ratgebern und Seelsorgern immer neu offen und ehrlich anschauen. Damit werde ich zum Segen für die VM.
Wenn die Identität unsicher bleibt?
Ja, was passiert dann? Die Frage begegnet mir auch immer wieder. Floyd McClung hat auch darüber reflektiert und seine Punkte sind mir eine hilfreiche Checkliste. Der ehemalige internationale Leiter von Jugend mit einer Mission, der Ende Mai nach Jahren im Koma heimgegangen ist, gibt diese Liste unvollständiger Stichworte:
- Selbstbezogen
- Kritisch gegenüber anderen
- Kontrollierend
- Getrieben
- Leistungsorientiert
- Anspruchsvoll
- Fürchtet die Meinung anderer
- Eifersüchtig auf andere Führungskräfte
- Leicht beleidigt
- Übertriebene Selbstherrlichkeit
- Unsensibel
- Besorgt um die (eigene) Anerkennung
Wenn meine Identität in Christus gefestigt ist, drehe ich die Liste für mich um:
- Selbstlos
- Wohlwollende gegenüber anderen
- Freisetzend
- Gelassen
- Liebevoll „Frucht bringen“
- Geduldig und zäh
- Die Meinung anderer? „Kritik ist kostenlose Beratung!“
- Andere Führungskräfte fördern und feiern
- Langmütig
- Bescheiden
- Sensibel
- Als jemand, der anerkannt ist, nun besorgt um die Wertschätzung und Anerkennung anderer
Was für ein Potential!!!
Wenn man über diese Listen reflektiert wird einem vermutlich schnell klar, wie sich die Sache zum Guten entwickeln kann, wenn die eigene Identität fest wird. Man ist sozusagen ein anderer Mensch, leitet anders und wird anders wahrgenommen.
Das ist das Beste und das Erste, was ich der VM in Mannheim geben kann. Ein heiles „ich selbst“, eine gefestigte Identität in Christus, das ist mein Top Beitrag für die VM. Nicht nur zu Beginn. Das gilt für die ganze Zeit. Das zählt auf alle Fälle. Oder um es in den Worten von Floyd noch einmal zu hören:
»God’s greatest concern for us is our character, and the most important character quality for a leader is a secure identity.«
Gute Leitung beginnt immer mit einer guten Selbstleitung.
Da habt ihr euch was eingebrockt!
Die VM hat für uns zur Einstimmung auf die neue Aufgabe und Stadt ein Video gedreht. Wir sind begeistert. 3 Minuten, die so viel zum Ausdruck bringen!
PS. Das Video des Einführungsgottesdienstes ist hier zu sehen.
Fotos: VM Mannheim, Unsplash, Public Domain
Sehr stark! Und so wichtig. Danke für die Ermutigung und Inspiration.
Danke!!! für diese wertvollen Einblicke und die Impulse! So wertvoll! Unbezahlbar!
Genau das Richtige, Lothar!
Wow, DANKE Bernd. Danke auch für alle Unterstützung, Ermutigung und Förderung von uns in Mannheim. Rosi und Du, ihr macht das so gut.
Hervorragend! So wertvoll, ermutigend…äußerst wichtig!
Vielen Dank!
Freu mich mit euch gemeinsam zu erleben was Gott alles in Mannheim tun wird! be blessed und Welcome!
Hey Benjamin, cool!!! Danke für das Willkommen. Wir freuen uns auf die Begegnungen und das Miteinander. „Egal wie die Wolle gefärbt ist, Hauptsache: Schaf!“ Blessings für’s ICF! 👊
Gottes reichen Segen für euren Start. Es ist absolut mutig, dass ihr diese Herausforderung annehmt. Und der Blog wird vielen, die auch irgendwo neu anfangen, helfen und ein guter Leitfaden sein. Danke, dass du das so alles teilst. Ich hätte dich ja gerne noch mal in Gifhorn besucht. Vielleicht trifft man sich ja mal wieder.
Lieber Lothar,
DANKE für diesen offenen Einblick in Dein Leiterherz!! Sehr lehrreich und total ermutigend.
Das Begrüßungsvideo ist zum Heulen schön!!
Gottes Segen Euch:)