Kontextualisierung: Der Weg der relevanten Kirche | 5

Wie geht es weiter, wenn eine Kirche sich aufbricht und die ersten Schritte im Wandel genommen hat? In den ersten vier Teilen der Serie haben ich zu den unverzichtbaren Grundlagen Auskunft gegeben. Zuerst muss etwas in Menschen, in Verantwortlichen, in der Gemeinschaft in Gang kommen. Das ist die Basis. Doch dann muss es weitergehen! Schenkt Gott die Veränderung ohne unser Zutun? Kommt es so, wie er es bewirkt und wir sind nur Zuschauer? Betende Zuschauer vielleicht … Tja, nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt liegen! Tauchen wir ein:

Der Weg zu einer relevanten Kirche

Wir erinnern uns: Relevant meint Bedeutsamkeit, Wichtigkeit. Eine relevante Kirche hat Bedeutung für Gott und Menschen! Wie geht das zusammen? Meine Grundüberzeugung, die mich in der Verkündigung und im Gemeindebau leitet, lautet:

„Menschen suchen lebenslang in in allen ihren Bemühungen ihrem Streben, in ihrer Karriere, dem Erfolg, Beziehungen, Anerkennung … letztlich etwas, was es nur bei Gott zu finden ist. Er ist die Quelle des Lebens! Alles kommt von ihm, alles besteht durch ihn und alles läuft auf ihn zu (Rö. 11,36; Kolosser 2,3; Joh. 1,4)! Gott gibt uns Menschen durch Jesus im Evangelium den Zugang zu diesem Geschenk (Rö 6,23). Dieses Angebot gilt allen Menschen, aller Kulturen, Religionen, Überzeugungen.“

„Sein Agent, der jetzt in dieser Mission steht und sie in der Kraft des Heiligen Geistes ausführt, ist hier und heute seine Kirche!“  (Joh. 20,21, Apg. 1,8 …)

Wenn sie auf Jesus und das Evangelium stoßen, finden sie! Und zwar das, wonach sie schon immer gesucht haben. Der Glaube wird zum größten Geschenk. Durch die größte Geschichte, die jemals passiert ist. Gott wird einer von uns! Wir finden zurück nach Hause. Diese guten Nachrichten bewegen viele Christen, Kirchen … Aber sie kommt zu selten an, wie wir hier gezeigt haben. Was ist jetzt nötig?

Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, o Gott.“ -Augustinus

Wir müssen mit beiden Augen sehen!

Eine relevante Kirche sieht mit beiden Augen! Was meint das?

  • Das eine Auge ist klar auf Jesus und das Evangelium gerichtet. Da sind viele Christen, Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften gut. Richtig gut. Aber es braucht auch das andere Auge, um „räumlich gut zu sehen“
  • Das andere Auge erfasst klar den Kontext, in dem der Glaube gelebt und weitergegeben werden soll. Die »Sender-Empfänger-Problematik« ist seit Prof. Schulz von Thun hinreichend bekannt 😂. Hier kann sie vertieft werden.

Mit beiden Augen klar sehen ist die Voraussetzung, um die guten Nachrichten angemessen in unserer Kultur weiterzugeben. (Matt. 28,19-20) Angemessen im Sinne, dass sie ankommt, verstanden wird, aufgenommen!

Mitarbeiter, nicht Zuschauer!

Als Mitarbeiter von Gott in dieser Welt ist es unser Job, uns auf die Zielgruppe unserer Kultur einzustellen!

Macht das nicht der Heilige Geist? Ein Hörwunder, wie an Pfingsten? Wir rechnen mit dem Wunder durch Gott. Definitiv. Aber wir verstehen auch, dass wir einen Anteil dabei haben. Gott macht uns nämlich zu MITARBEITERN, nicht zu ZUSCHAUERN! (1. Petrus 4,10) Das übersehen manche ernstmeidenden Christen. Der Apostel Paulus sagt es so:

„Ich bin also frei und keinem Menschen gegenüber zu irgendetwas verpflichtet. Und doch habe ich mich zum Sklaven aller gemacht, um möglichst viele ´für Christus` zu gewinnen. 20 Wenn ich mit Juden zu tun habe, verhalte ich mich wie ein Jude, um die Juden zu gewinnen. Wenn ich mit denen zu tun habe, die dem Gesetz des Mose unterstehen, verhalte ich mich so, als wäre ich ebenfalls dem Gesetz des Mose unterstellt (obwohl das nicht mehr der Fall ist); denn ich möchte auch diese Menschen gewinnen. 21 Wenn ich mit denen zu tun habe, die das Gesetz des Mose nicht kennen, verhalte ich mich so, als würde ich es ebenfalls nicht kennen; denn auch sie möchte ich gewinnen. (Das bedeutet allerdings nicht, dass mein Leben mit Gott nicht doch einem Gesetz untersteht; ich bin ja an das Gesetz gebunden, das Christus uns gegeben hat[5].) 22 Und wenn ich mit Menschen zu tun habe, deren Gewissen empfindlich ist, verzichte ich auf meine Freiheit, weil ich auch diese Menschen gewinnen möchte. In jedem einzelnen Fall nehme ich jede nur erdenkliche Rücksicht auf die, mit denen ich es gerade zu tun habe, um jedes Mal wenigstens einige zu retten. 23 Das alles tue ich wegen des Evangeliums; denn ich möchte an dem Segen teilhaben, den diese Botschaft bringt.“ | 1. Kor. 9,19-23 NGÜ

Wenn wir als Kirchen und Leiter mit beiden Augen einen klaren Blick haben, werden wir relevant. Für Gott und für Menschen. Wir verstehen den Kontext unserer Umgebung und treten in Beziehung. Deshalb wählen wir die Methoden und Mittel, die dem Auftrag (Zweck) entsprechen und die Beziehung ermöglichen. Hier kommt eine wesentliche Aufgabe auf dem Weg der Erneuerung einer Kirche ins Gespräch: Die Kontextualisierung!

»Kontextualisierte Kommunikation«

Eine Kirche, die relevant lebt, gibt die unveränderliche Botschaft kontextualisiert weiter. In Taten und Worten. Das bedeutet, dass diese Botschaft in Kontakt, in Beziehung zu dem Kontext (Zusammenhang) gebracht wird.

Keine neue Aufgabe – aber neu nötig

Das Kontextualisieren ist keine neue Aufgabe. Jeder Christ, der die Botschaft in einer anderen Kultur weitergeben möchte, tut das, wenn er oder sie dieser Aufgabe verantwortlich nachkommt. Als Missionar wird man die Sprache lernen, die Kultur studieren, die Geschichte und viele weitere Dinge erkunden. Alles mit dem Ziel, die Menschen und ihr Denken zu verstehen. Das ist ein langer, mühsamer Weg, der auch die eigenen Vorstellungen immer neu auf den Prüfstand stellt. Auch für unsere Aufgabe in unserem eigenen Heimatland. Vielleicht sogar gerade hier!

Die Geschichte der Kolonialisierung ist häufig ein gutes Beispiel, wie es NICHT geht! Christianisierungsbemühungen gehören auch dazu. Sehr oft: Gar nicht gut! In einer Zeit, in der in unserem Land viele die gleichen Werte, Vokabeln, Lebensvorstellungen … geteilt haben, war der Weg nicht so mühsam. Vielleicht … Aber in einer Welt, die sich in immer mehr Subkulturen auffächert, sind wir herausgefordert. Wir müssen einen Preis bezahlen, wie der Apostel Paulus das im Text aus dem Korintherbrief, den wir oben zitiert haben, beschreibt. Billiger ist es nicht zu haben!

Was müssen wir einbringen?

Damit die Kontextualisierung gelingt, ist ein hohes Maß an Liebe, Selbstverleugnung, Hingabe, Ausdauer, Treue, Selbstreflexion … von uns nötig. Wir müssen unsere Komfortzone verlassen, zu einfache und zu lieb gewonnene geistliche Erklärungsmuster aufgeben, die uns aus der Pflicht nehmen. Die Liebe von Gott will uns neu aktivieren (2. Kor. 5,14), um den Menschen unserer Zeit zu dienen. So wie David es für die Menschen seiner Zeit tat (Apg. 13,36).

Billiger geht es nicht!

Mit diesem Preisschild ist der Prozess ausgezeichnet. Nicht zu viele Christen und Gemeinden in unserer Kultur bereit ihn zu bezahlen. Zumindest habe ich in den letzten 40 Jahren nicht viele getroffen. Eher ist die Erwartung üblich, dass Leute sich uns anpassen sollen, wenn sie zu uns kommen wollen. Oder dass der Heilige Geist das schon erledigen wird. Die Tragik: es kommen nicht viele! Tatsächlich schließen wir mit der Einstellung sogar Menschen aus. Und zweitens: Der Auftrag in alle Welt zu gehen, Liebe zu leben, uns selbst dabei zu verleugnen … ist nicht dem Heiligen Geist gegeben. Auch nicht den Leitern in der Kirche allein. Er gilt uns allen. Doch oft sind wir stumpf. Gleichgültig. Oder?

Eine Kirche auf dem Weg der Erneuerung geht das Thema direkt an. Packt den „Stier bei den Hörnern“. Und sorgt dafür, dass die Kultur einer Gemeinden diesen grundlegenden Wandel durchläuft. Da gäbe noch manches hinzuzufügen, vielleicht später.

Reich Gottes Perspektive

Menschen leben anders, weil das Evangelium sie im Herzen verändert und durch den Heiligen Geist zu einem anderen Leben befähigt (Galater 5,22-26, Matthäus 5,16). So kommt die Lebensidee von Gott in alle Bereiche des Lebens. Es beginnt zu blühen. Reich Gottes nennt man das. Gott hat das Sagen. (Reich Gottes – Basilea Theos – Königsherrschaft von Gott). Und das ist das Beste, das der ganzen Schöpfung passieren kann!

Buchtipp

Vielleicht wird Dir gerade klar, dass Du das unbedingt richtig gut reflektieren solltest, um nicht eine Kirche zu leiten, die in einer „christlichen Blase“ für sich selbst lebt. Genial. Dann solltest Du in Erwägung ziehen, Tim Kellers Meisterstück »CENTER CHURCH« zur Hand zu nehmen. Keine Sorge, auch wenn der Titel Englisch ist, liegt eine gute deutsche Übersetzung vor.

Tim Keller ist ein brillanter Denker, der C.S. Lewis des 21. Jahrhunderts. Seine Bücher sind Bestseller, nicht ohne Grund. Center Church ist sein Meisterstück.

Was erwartet Dich?

In Center Church entfaltet Timothy Keller seine theologische Vision für Gemeinde im 21. Jahrhundert:

  • Wie kann Kirche in einer säkularen, nachchristlichen Gesellschaft aussehen, jenseits von Anpassung oder Abschottung, Liberalismus oder Gesetzlichkeit?
  • Was bedeutet es, das Evangelium ins Zentrum zu stellen?
  • Wie lassen sich Kontextualisierung, Gesellschaftstransformation und missionale Gemeinde biblisch bestimmen?
  • Und was passiert, wenn Gemeinden, Organisationen und Projekte vor Ort sich miteinander vernetzen und zu einer Bewegung zusammenschließen?

Der erfahrene Gemeindegründer aus Manhattan entwirft ein großartiges Panorama von Gemeinde und zeigt auf, wie Gottesdienst, Gemeinschaft, soziale Arbeit und die Integration des Glaubens in säkulare Berufe zusammenwirken können. Weltweit inspiriert er viele Tausende damit.

Michael Herbst, der Greifswalder Professor kommentiert Center Church so: „Der Anspruch, der uns bei Timothy Keller begegnet, ist hoch und doch ungemein attraktiv: Wie wäre es, wenn wir so intensiv in der Welt unserer Hörer und zugleich in der Welt des Evangeliums lebten, dass wir die Geschichten unserer Hörer in der Sprache des Evangeliums neu erzählen könnten? Keller bleibt uns praktische Hinweise nicht schuldig und bearbeitet eine Reihe von Themen, bei denen wir in Deutschland eine Stimme von außen hören sollten. Lassen Sie sich überraschen!““

Die 40,00 €, die für Center Church anzulegen sind, lohnen sich definitiv! Der Band liegt bereits in der 3. Auflage vor, obwohl es ein gemeindliches Fachbuch mit Anspruch ist! Das spricht für sich selbst. Hier ist es zu erwerben 😊.

Bisherige Teile der Serie: 1 | 2 | 3 | 4

Zur Vertiefung:

Weitere Beiträge auf dem Leiterblog zur Frage der Gemeindeerneuerung.

Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
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