Wie bildet man »BEWEGER« aus, die dann als Führungskräfte einen Unterschied machen? Wir experimentieren! Meine Freikirche hat dazu ein »Labor« eröffnet. In »Pilotgemeinden« testen wir unsere Ideen. Unsere bisherigen Beiträge sind hier zu lesen. Dieser Post öffnet ein kleines Fenster in eine Pilotgemeinde.
Zunächst: Wir haben gelernt …
… dass wir ein Paket aus einem guten Grundstudium und einer überzeugenden praktischen Ausbildung brauchen.
PERSONEN
- Nicht jede willige Person ist für diese Ausbildung geeignet!
- Wir brauchen die passenden Studenten/Azubis.
- Wir brauchen aber auch die passenden Ausbilder!
AUSBILDUNG
- Manches kann im »Klassenraum« sehr gut vermitteln werden.
- Andere Fähigkeiten u. Fertigkeiten werden wohl nur in der Praxis gelernt und eingeübt werden können.
- Deshalb sollten wir unbedingt nach dem theologischen Grundstudium die praktische Seite der Ausbildung verbessern.
FORMEN
- Ein duales Studium ist nicht für jeden Studenten eine gute Wahl. Auch wenn sich das die sendende Gemeinde für ihre begabte und bewährte Person wünscht.
- Ein duales theologisches Studium ist nicht mit dualen Studiengängen anderer Berufszweige vergleichbar.
AUSBILDUNGSORTE
- Wir müssen lernen, in welcher Ausbildungssituation bzw. welchem »Ausbildungsbetrieb« ein pastoraler Leiter gut ausgebildet werden kann und wo nicht!
- Geeignete Ausbildungsorte brauchen darüber hinaus Ausbilder mit Zeit, Talent, Wille und geübter Fähigkeit, die dem Auszubildenden entgegengebracht werden.
PILOTGEMEINDEN
Wir wollen weiter lernen! Deshalb haben wir Pilotgemeinden an den Start gebracht, mit denen wir in den nächsten Jahren Erfahrungen sammeln und Einsichten gewinnen wollen. Das sind nicht unbedingt die „besten Gemeinden“ unseres Bundes (was ist überhaupt das Kriterium für »beste Gemeinden«?), sondern kleine, große, ländliche, städtische, junge, alte, moderne, weniger moderne … Kirchen des BFP. Wir wollen unter echten Bedingungen testen. Das bedeutet für uns, dass sowohl Erfolg wie auch Misserfolg o.k. sind. Denn aus beiden Erfahrungen können wir Erkenntnisse gewinnen, die hilfreich sind.
Letzte Woche gab es eine erste Ausbildungsmesse an unserem Theologischen Seminar, bei der die Pilotgemeinden und die Studierenden sich getroffen haben. Das Experiment beginnt! Und direkt von Beginn an auch für Studenten anderer Institute. 🙂
Nun praktisch zu der Gemeinde, in der ich als Pastor tätig bin. Auch eine Pilotgemeinde des BFP in Deutschland. Wie läuft das vor Ort?
Azubis
Wir haben 4 Azubis zur Zeit am Start: Ein Student von unserem Theologischen Seminar Beröa (TSB), zwei Studierende vom ETS und ein Student vom IGW.
Ausbilder
Als Ausbildungsleiter sind bei uns meine Frau Heike (Dipl.-Sozialarbeiterin u. Älteste) und ich am Start. Wir schauen auf fast 30 hauptberufliche Jahre im Berufsbild »pastorale Leiter« mit sehr vielfältigen Erfahrungen zurück. Beide haben wir zusätzlich viel Training in der Ausbildung von jungen Leitern in all den Jahren auf unterschiedliche Art erhalten. Das alles haben wir intensiv reflektiert. Ergänzt werden wir durch die Bereichsleiter, Mitarbeiter und Leute der FCG, die unseren Azubis Raum geben, sie unterstützen, anfeuern und eben – je nach Thema – auch mit ausbilden.
Ausbildungssituation
Die FCG ist 61 Jahre alt und befindet sich mitten in einem Prozess der Erneuerung. Viele Leute kommen, die noch keine Christen sind. Das stellt uns in Situationen, die wir so über viele Jahre nicht kannten. Unsere Sprache, unsere Voraussetzungen im Umgang mit Themen, im Gemeindeleben … ist herausgefordert. So vieles wird anders durch die lieben Leute, die Jesus gerade kennen lernen! Gleichzeitig wollen wir Christen, die zu uns gehören, geistlich herausfordern und begleiten. Wir wollen eine Gemeinde des NÄCHSTEN SCHRITTS sein. Ganz gleich wie lange jemand schon Christ ist, zur Kirche geht oder wie alt er ist. Alle FCG’ler sollen herausfinden, was ihr nächster Schritt ist. Das fordert uns Verantwortliche auch heraus! Wir haben die Perspektive ein Netzwerk aufzubauen, durch das die Region vielfältig profitieren soll. 200+ Personen treffen sich aktuell in der FCG am Wochenende.
Ausbildung
Wir Ausbilder investieren gemeinsam pro Woche zwischen 8 – 12+ Stunden, um unsere Azubis in das Berufsfeld einzuführen und sie zu trainieren. Wir orientieren uns (gelingt nicht immer!) am typischen Ausbildungsweg der dualen Berufsausbildung von Handwerk u. Industrie. Der Bildungsexportschlager aus Deutschland, der sich seit über 100 Jahren bewährt. Im Buch »EXPONENTIAL« finden wir den Ansatz auf einer Serviette (eigentlich müsste es ein Bierdeckel sein 🙂 ):
So sieht das dann bei uns aus …
Die Azubis erleben uns Ausbilder (und die weiteren Mitarbeiter der FCG) in unseren Diensten. Sie können uns Ausbilder dann alles fragen was ihnen auffällt oder was sie wissen wollen (Schritt 1). Schon bald beginnen sie uns in unseren Aufgaben zu unterstützen. So finden die Azubis in die Aufgaben, trainieren, reflektieren, wachsen … Das alles in ihrem Tempo, in ihrer Rolle und mit wachsender Erfahrung (Schritt 2).
Dann kommt – nach einer Zeit – der Wechsel (Schritt 3): sie übernehmen das Ruder, wir unterstützen. Wenn sie die Sicherheit haben und ihre Erfahrung stabil ist, wechseln wir zu Schritt 4: Jetzt nehmen die Azubis das Thema ganz in die Hand und wir begleiten. Entscheidend: Alles findet im intensiven Austausch auf dem kurzen Weg statt! Mit einem meiner Azubis habe ich z.B. letzte Woche eine Fahrt unternommen. Wir haben fast ununterbrochen die Fahrt zur Reflexion von vielen Themen genutzt. Es waren ca. 11 Stunden!
Die Überraschung: Der Ansatz setzt sich fort. Bei einem unserer Azubis ist eine „Begleitungstiefe“ von 4 Ebenen bereits aktiv. Der Azubi begleitet einen Mitarbeitenden, der einen Mitarbeitenden, der einen Mitarbeitenden begleitet. Krass, oder?!
Unsere Trainingsgelegenheiten …
Wir treffen uns am Dienstag Vormittag von 8.00 – 13.00 Uhr als Team in verschiedenen Konstellationen und Fragestellungen. Dabei reflektieren, lernen, fragen, beten, lachen …, während wir die »echten Themen« der FCG durcharbeiten. Sie lernen also an echten Aufgaben, in echten Herausforderungen und an echten Themen einer durchschnittlichen Gemeinde!
Darüber hinaus coachen wir jeden Azubi regelmäßig in der grundsätzlichen Entwicklung ihrer Person und in ihrem Dienst (1x im Monat u. bei Bedarf). Projekte gehen wir gemeinsam an. Lehrgespräche, Begegnungen mit anderen Leitern, Interviews, Buchreflexionen … und unzählige „zwischen Tür und Angel Gespräche“ ergänzen das Training.
Unser Ausbildungsplan …
gibt uns die vier Bereiche vor, in denen wir die Azubis systematisch im Rahmen der 5-Exponential Schritte ausbilden (siehe Grafik oben). Er enthält viele konkrete Punkte, wie der Bereich erobert wird. Das hilft uns Anleitern. Wie auch sonst in der beruflichen Ausbildung! Auf diese Art lernen unsere Azubis, wie sie konkret auf unterschiedlichen Ebenen leiten, Teams bilden, kommunizieren, Konflikte bearbeiten, planen, predigen, lehren, Amtshandlungen durchführen, Gottesdienste moderieren, Bereiche aufbauen oder stärken … und sie begegnen sich selbst!!!
Dieser Bereich der Selbstleitung – reflektiert in den echten Erfahrungen des Alltags – ist ein zentraler Bereich der Leiterentwicklung! Zu oft haben wir in der Reflexion festgestellt, dass unser heiles (oder auch nicht heiles) Selbst einen enormen Einfluss darauf hat, wie wir leiten! Und wir beginnen immer besser zu verstehen, dass ein Mangel an Selbstleitung viel Not in den Alltag eines pastoralen Leiters und der Kirchen bringt.
Wir sind nun 1.5 Jahre …
… mit diesem Ansatz unterwegs. Etliche Veränderungen haben schon Einzug gehalten. Wir lernen munter weiter. Es macht schon viel Spaß! Und für uns als Ausbilder ist es ein geniales Privileg, aber – ehrlich gesagt – auch ein hoher Kraft- u. Zeiteinsatz. Fast ist es wie bei Eltern mit Kleinkindern. Motiviert wollen sie helfen, aber es dauert alles länger! Ist das der Mühe wert?! Wir meinen ja, es lohnt sich! Warum? Weil wir so eigenständige, reflektierte und kompetente Leiter »reproduzieren« 🙂 , die einen Unterschied machen können.
Wir wollen ganz offen sein: Es ist nicht billig zu haben! Nicht für uns als Ausbilder, aber auch nicht für unsere Azubis! Da wir das als FCG finanziell gar nicht stemmen können, investieren wir alle zusammen. Die Azubis, die FCG, der BFP (!) und wir als Ausbilder:
- Meine Frau Heike arbeitet ehrenamtlich in einer 75% Stelle für die FCG (andere Leute der FCG haben das jetzt auch so angefangen, wir sind jetzt 9 Leute im pastoralen Team!)
- Ich bin zu 70% in der FCG angestellt.
- Ein Azubi ist für 51% angestellt. 49% ist Ehrenamt.
- Zwei Azubis haben jeweils einen 50% Job angenommen und geben die anderen 50% (zuweilen mehr – was ja mathematisch nicht geht, aber praktisch 😉 ) ohne Gehalt als Ehrenamt in die FCG!
- Ein Azubi hat einen Minijob. Er geht ebenfalls einem Nebenjob nach. Der Rest ist auch hier ein Ehrenamt.
- Der BFP hat einen Rahmen in den Pilotgemeinden geschaffen, der diese Wirklichkeit aufnimmt und begleitet. Unsere Azubis haben nach erfolgreicher Ausbildung die Tür zur Ordination offen!
Alle Regelungen sind den jeweils anderen bekannt und individuell entwickelt worden. Uns allen ist die Ausbildung so wertvoll, dass wir den Preis dafür zahlen.
Warum?
Wir werden immer wieder gefragt, warum unsere Leute das so machen? Die Gründe sind unterschiedlich:
- Gott hat uns hier so geführt!
- Die Ausbildung, die dadurch möglich wird, ist es uns wert! Ja, der Preis ist hoch, aber der Nutzen, der Gewinn für alle ist noch höher. Und er ist jetzt schon sichtbar!
- Es ist eine Lösung für die Dauer der Ausbildung.
- Wir wissen: Andere Leute investieren auch sehr viel in ihre Ausbildung.
Mehrwert!
Was wir auf diesem Weg für in der Ausbildung pastoraler Leiter lernen, wirkt sich auf die Ausbildung und Förderung aller Mitarbeiter aus! Auch die ehrenamtliche Mitarbeiter u. Leiter haben einen guten Nutzen aus dieser Entwicklung. Was noch schöner für uns ist: die Kultur der FCG wandelt sich hin zu einer Gemeinde die den nächsten Schritt macht! Immer, überall, bis ins hohe Alter. Unsere Mission: erreichen | prägen | senden
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