„Because he could!“ Weil er es konnte! Dieser Satz klang immer wieder in meinen Gedanken nach, seit ihn Bill Hybels in einer Predigt ausgesprochen hatte. Er war die simple Antwort auf die Frage, warum David mit Batseba die Ehe gebrochen hatte. Sicher, man könnte noch weitere Punkte nennen die berechtigt sind. In dieser Zuspitzung kam aber ein Thema hervor, dass mich schon nach wenigen Jahren meines Leiterdienstes sehr beschäftigte. Ich nenne es für mich: „Die Gefahr des Könnens!“
Die Gefahr des Könnens
Könnte es sein, dass die schlichten Möglichkeiten meines Lebens unter bestimmten Umständen zu den bedrohlichen Gefahren meines Lebens werden? Ein verwegener Gedanke! Tim Keller legte für mich in seinem Buch „Es ist nicht alles Gott was glänzt“ noch eine Schippe drauf als er schrieb: „Was im Leben wirklich trägt. Erfolg. Wohlstand. Wahre Liebe und das Leben, nach dem wir uns sehnen. Doch keiner würde auf die Idee kommen, dass das Erreichen dieser großen Ziele das Schlimmste ist, was uns passieren kann.“ Er begründet diese These genial in seinem Buch mit dem 1. Gebot des Dekalogs. Aber zurück zum Können.
Könnten die schlichten Möglichkeiten meines Lebens eine Bedrohung werden? Die Möglichkeiten meiner Talente, meiner Begabungen, meiner Erfolge, Kontakte, Beziehungen, Finanzen, Karriere … Sätze wie: „Ich kann mir es leisten! Moralisch spricht nichts dagegen (im Gegensatz zu David und Batseba)! Alle in unserer Kultur machen es so! Die Leute erwarten es von mir! Es erscheint sinnvoll und klug! Ich hab‘ gebetet!
Mir kamen die ersten Jahre meines vollzeitlichen Dienstes als Jugendpastor bei JMS in Altensteig in den Sinn. Die Möglichkeiten schienen damals unbegrenzt. Das Werk vertraute „mir“ ein Gebäude an, aus dem wir ein Jugendzentrum mit Wohngemeinschaft, Café, Werkstätten, Jugendräumen unter großem Einsatz und Hingabe formten. Unsere Jugendgottesdienste wurden zum Renner. Bald waren es 80, 100, 300, 500, 700 Besucher. Ein Netzwerk von Jugendleitern u. Mitarbeitern in Süddeutschland entstand. Wir „konnten“ es tun! Wir sprachen von der Berufung, der Führung, der offenen Tür! Und oft gilt ja in christlichen Kreisen die These: Wer Erfolg hat, hat recht. Macht es richtig. Ist gesegnet!
Eine Frage des Sollens!
Doch es gibt auch ein anderes Sprichwort: „Was der Teufel nicht verhindern kann, das übertreibt er!“ Ob ich in diese Falle in den Jahren getappt bin? Auf jeden Fall hab‘ ich so richtig Gas gegeben in Altensteig. Der Erfolg gab dem Team und mir recht. Wir konnten es. „Wer hat der kann!“ Wir hatten es. Also konnten wir! An dieser Dynamik ist fast meine Ehe zerbrochen und meine Gesundheit dauerhaft beschädigt worden. Beziehungen wurden mühsam und das Hamsterrad der Möglichkeiten hätte mich fast für immer rausgeschleudert. Ich musste (bitter für mich in der Zeit!) die Notbremse ziehen. Meine Werte (Beziehung zu Gott, Ehe, Familie, gesundes Leben …) wurden auf den Prüfstand gestellt und ich musste mir die Frage gefallen lassen, ob es nur theoretische Werte sind, gewünschte Wert … anstatt gelebte Werte. War mein Selbstbild günstiger als die Wirklichkeit meines Lebens? Müsste ich auf „meine“ Möglichkeiten verzichten, einen Karriereknick hinnehmen, wenn ich nicht den hohen Preis meiner Familie u. Gesundheit zahlen wollte? Das waren harte Fragen, Wochen, Monate …
Lange bekannte Fragen wurde in dieser Zeit wieder ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit geschoben: Wer bin ich? Was soll ich? Was ist meine Berufung? Was gibt mir Wert? Was ist meine verborgene Agenda? Die Antworten darauf müssten eigentlich mein Leben bestimmen. Und nicht die Möglichkeiten, andere Leute, Erfolge … Wer sollte ich SEIN? Daraus würde sich auch klären, was ich tun und was ich lassen sollte.
Meine Perspektive
Erst wenn wir auf diese Fragen Antworten finden und Frieden mit unseren Grenzen schließen, können wir mit den Möglichkeiten unseres Lebens angemessen umgehen. Tief in uns allen ist das Bedürfnis nach BEDEUTUNG und SICHERHEIT. Diese beiden Grundbedürfnisse können uns in unseren Einschätzungen, Bewertungen und Reaktionen auf die Möglichkeiten, die sich eröffnen, manipulieren.
Bis heute kämpfe ich um einen Lebensstil, bei dem ich vom 1. Gebot geprägt werde, Gottes Bestimmung für mich bejahe und meine Grenzen akzeptiere.
Ich möchte in meinem Leben nicht alles tun, was möglich ist. Ich möchte tun was Gott ehrt und der Bestimmung entspricht, die Gott mir zugedacht hat. Gerade als Leiter ist das die brennende Priorität, um die ich jeden Tag letztlich kämpfe.
Kämpfst Du auch?
Wow, das sind sehr gute Gedanken. Gerade als junger Leiter und der propagierten Unendlichkeit der offenen Türen die einem heutzutage offen stehen ist es schwer die Prioritäten gottzentriert zu haben und zu leben. Nicht alles was ich kann soll ich tun: das nimmt eine Menge Druck raus. Vielen Dank für die Inspiration.
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