Es ist schon krass, wie viel an unserer Identität hängt! Was bin ich wert? Wie sehen mich andere? Wie sehe ich mich selbst? Wie werde ich beurteilt? Genüge ich? Was muss ich noch machen, damit ich akzeptiert werde? Die Frage nach der eigenen Identität begleitet alle Menschen. Ein Leben lang!
Logisch, dass auch Führungskräfte von diesen Fragen nicht verschont bleiben. Die Antworten, die Leitende finden (oder auch nicht), prägen das Führungsverhalten. Mehr als alle Methoden, die man erlernen und trainieren kann. Das Motto des Leiterblogs nimmt Bezug dazu. Bereit, ein paar Gedanken zur Identität zu reflektieren? Los geht’s:
Jeder ringt mit seiner Identität!
Identität (von mittellateinisch identitas, Abstraktum zu lateinisch īdem ‚derselbe‘)[1] ist ein Megathema unserer Gesellschaft. Es betrifft uns selbst, jeden. Aber eben auch unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und alle Menschen, mit denen wir es zu tun bekommen.
Die Frage nach der Identität fordert uns heraus: erscheine ich als der, der ich tatsächlich bin. Bin ich authentisch? Echt? Oder zeige ich eine Version von mir von der ich denke, dass sie andere von mir erwarten? Stark, optimistisch, gut gelaunt, voller Energie, positiv, anpackend, souverän … Gerade von Verantwortlichen wird ja erwartet, dass sie die Situation im Griff haben, durchblicken und als starke „Leader“ vorangehen. Auch wenn das zuweilen theoretisch anders postuliert wird.
Unsere „Images-Gesellschaft“ fordert uns heraus! Das Bild muss passen!
Und wenn ich das nicht erfülle, was erwartet wird?
Wir spüren häufig intuitiv, dass wir den Ansprüchen immer wieder nicht gerecht werden. Auch und gerade den eigenen Ansprüchen. Und man hofft, dass uns niemand „auf die Schliche“ kommt. Das Sprichwort „Mehr Schein als Sein“, bringt es auf den Punkt. Viele von uns kämpfen mit einer schleichende Unsicherheit und der Sorge, nicht zu genügen. Einige werden darüber so hart zu sich selbst, dass sie gar den Kontakt zu sich selbst verlieren. Sie „spüren“ sich nicht mehr oder sind so mit ihrer Rolle fusioniert, dass sie zum Schluss kommen, so zu sein. Irgendwann platzt die Illusion wie eine Seifenblase.
Selbst Bonhoeffer …
Dietrich Bonhoeffer, der bekannte Theologe und Widerstandskämpfer im 3. Reich war genauso geplagt davon, wie viele von uns. In seinem Gedicht „Wer bin ich?“ hat er dieser Erfahrung wunderschöne, berührende Worte gegeben:
Wer bin ich?
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest,
wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.
Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.
Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen? |
Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?
Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!
Bonhoeffer, D., 2015. Widerstand und Ergebung: Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft Sonderausgabe. C. Gremmels u. a., hrsg., Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.
Die entscheidende Frage aus Ausgangspunkt:
Was oder wer bestimmt meinen Wert? Wer entscheidet eigentlich, ob wir genügen oder nicht? Ob wir uns wertvoll finden oder wertlos fühlen müssten? Die Frage nach dem Maßstab, dem wir das Recht einräumen über uns das Urteil zu sprechen, ist ein starker Ausgangspunkt. Mein Sohn Arno Krauss hat mit einer sehr hilfreichen und grundlegenden Predigt ganz starke Punkte dazu zusammengetragen. Lohnt sich voll. Hier ist sie verlinkt: