David Wilkerson – dieser Name ist untrennbar mit dem Weltbestseller „Das Kreuz und die Messerhelden“ verbunden. Wilkerson war ein Mann, der unerschrocken und mutig zum Prediger der gefürchteten Gangs von New York City wurde und ihre Herzen gewann. Aber auch ein Leiter, durch dessen Einsatz hunderte von Reha-Zentren für Drogenabhängige auf der ganzen Welt entstanden, die heute über 22.000 Plätze bereithalten. Eine Führungskraft, mit viel Licht und nicht wenig Schattenseiten, wie diese Biografie zeigt!
Märchen- oder Lehrstunde?
Ich gebe zu, ich war zunächst recht skeptisch. Der älteste Sohn schreibt mit Hilfe eines guten Autoren die Biografie seines berühmten Vaters. Was soll dabei schon rumkommen? Die Idealisierung eines Menschen, der – zugegeben – viel geleistet hat? Eine Märchenstunde mit Erfolgsgeschichten, die mir mein eigenes Leben so mickrig und unbedeutend vorkommen lassen, wie lange nicht? Glaubensberichte, die man nur in Büchern, aber irgendwie nie im Leben findet? Oder könnte es doch eine Lehrstunde für Führungskräfte sein, die das Buch anbietet?
Kein Übermensch. Ein Kämpfer. Ein Zweifler.
Ich entscheide mich mit fortschreitender Lektüre für die zweite Variante. Sätze wie »Gegen Ende seines Lebens hat er immer noch Schwierigkeiten sicher zu sein, ob er von Gott wirklich geliebt ist.« (Seite 28) lassen mich aufmerken. Gibt der Sohn am Ende doch sehr liebevoll, ehrlich und offen einen Einblick in das Leben dieses außergewöhnlichen Leiters? Ich denke ja. Wilkerson erlebt ungewöhnliche Dinge, bleibt dabei aber »… ein nüchterner sachlicher Typ (Seite 48) und leitet als einsamer Wolf.« Damit unterlaufen ihm eine Menge Führungsfehler, die ihn viel kosten. Das Buch gibt konkreten Einblick. Klasse. Als Verkündiger »predigt er die Liebe Gottes seinen Zuhörern hat aber Mühe, selbst Zuneigung gegenüber seinen engsten Vertrauten und der Familie auszudrücken (die er selbst nie fahren hat)« (Seite 54).
Leitung – geprägt durch die eigene Biografie
Sehr eindrucksvoll wird an vielen Stellen des Buches deutlich, wie die Biografie eines Leiters das Leiten prägt! Das wirft gute Fragen für den Leser auf, die zur Selbstreflexion anregen. Sätze wie »Sein Mitleid für Armen und Bedürftigen lernt er im Elternhaus. Seine Eltern leben diese Haltung vor, die später Teen Challenge prägt.« (Seite 64) zeigen, wie eine Lebensberufung schon früh angelegt wird. Die Herausforderungen und Ungerechtigkeit, die jede Führungskraft erlebt, lernt David schon als Kind kennen: »David erlebt in seiner Kindheit schon mit, wie sein Vater (ein Pastor) eine Menge ungerechtfertigter Kritik ausgesetzt ist.« (Seite 68) David muss schon in jungen Jahren viel Verantwortung übernehmen. Sorgen über Finanzen haben hier einen Ursprung in seinem Leben. (Seite 69). Dadurch entwickelt er eine Zähigkeit, die ihm später so viel möglich macht als Leiter (Seite 69-70).
Brüche, Niederlagen, Schwächen und Rückschläge
Auch das ist eine Wahrheit im Leben dieser Legende. Gary Wilkerson berichtet offen darüber. Zum Beispiel von den Spannungen in Wilkersons Ehe, befeuert durch die nicht einfachen Persönlichkeitsprofile seiner Eltern. Sie sind keine „Bilderbuchfamilie“ Auch bei ihnen können Töpfe durch die Küche fliegen. (Seite 162). Die Krankheiten von Gwen Wilkerson und ihre Depression bringen David an den Rand seiner Kraft. Er spielt mit dem Gedanken sie zu verlassen. (Seite 233).
Mitarbeiter, Assistenten, Bücher …
Wilkerson war absolut kein „Teamplayer“, obwohl er über lange Strecken viele Mitarbeiter in seinem Stab hatte. »Mitarbeitertreffen waren kurz, dauerten gewöhnlich nicht länger als 20 Minuten« (Seite 212). Er war eben der einsame Wolf, der selbst die Strategie ausarbeitete, alles gründlich durchdachte und stundenlang umbetete. Seine Assistentin Barb Mackery wurde 42 Jahre praktisch die rechte Hand von Wilkerson, »in bestimmten Bereichen de facto sein Hirn« schreibt sein Sohn. Wieder einmal wird deutlich, dass eine besondere Sache immer auch besondere Konstellationen braucht. So einsam war der Wolf also doch nicht! Ich denke an Billy Graham und sein fantastisches Team, das ein Leben lang gemeinsam unterwegs war. Einer allein schafft es nicht, ganz gleich wie begabt er oder sie ist. Auch das wird bei Wilkerson in der Biografie sichtbar.
Seine Bücher sind ein besonderes Geheimnis und eine solide Quelle der Finanzierung des Dienstes. Aber das ist eine andere Geschichte, die das Buch auch erzählt. Wie viele weitere Geschichten, die im Buch zu finden sind. Sein Leben ist tatsächlich sehr außergewöhnlich.
Fazit
Am Ende der Lektüre – ich habe das Buch in einem Zug gelesen, so gefesselt war ich – legte ich es tief beschenkt aus der Hand. Das Buch hat meinen Horizont erweitert und ich war gestärkt und ermutigt.
Mein Entschluss: Ich möchte Gott noch mehr in meinem Leben zutrauen!
Die Einsicht: Meine eigenen Fehler und Schwächen hindern IHN nicht, sie sind kein Grund für mich aufzugeben.
Klar, ich möchte möglichst die Fehler vermeiden, die Wilkerson machte. Und doch ist mir deutlich: meine eigene Biografie wird wieder andere Schwächen aufwerfen, die Gott aber auch nicht hindern werden mich zu gebrauchen, wenn ich IHN nur lasse. So wie David Wilkerson.
Prädikat: Sehr wertvoll, ehrlich und konkret! Eine klare Leseempfehlung für Verantwortliche, die an kalten Herbst- oder Winterabenden einen Schritt weiter denken wollen!
David Wilkerson
Das Kreuz, die Messerhelden und der Mann, der glaubte
Gary Wilkerson
368 Seiten
17,95 €
Asaph Verlag
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