Über den Tod. Spricht man nicht.

Die Todesrate liegt in Deutschland immer noch bei 100 %. Mir ist bislang noch kein Trauerzug begegnet, dem dann ein Möbelwagen mit den wertvollen Dingen des Verstorbenen begegnet ist. Tod. Das Thema, das zum großen Tabu in unserer Kultur geworden ist. Nachdem es Jahrhunderte natürlicher Bestandteil des Lebens war. Über Sex redet man. Über Geld auch, vor allem wenn man wenig hat. Aber über den Tod? Den scheint es nicht zu geben. Also für die Leute, mit denen wir Leitende Tag für Tag umgehen. Vielleicht auch für uns selbst? Herausfordernd, diese Frage nach dem Tod. Ich habe ein kleines Buch zum Thema dieser Tage gelesen von dem ich meine, dass es sich diese Lektüre lohnt. Es ist ein „Keller“. Er hat sich an das Thema gewagt. In gewohnter Qualität!

Gute Worte, zu einem schwierigen Thema

Wie so oft findet Tim Keller auch zu diesem Thema gute Worte und tiefe Gedanken, die super hilfreich sind. Die 96 Seiten waren schnell gelesen, wirken aber sehr nach. Und geben mir einen Ansatz, Gedanken und eine Sprache, um selbst gut darüber sprechen zu können. Denn oft ist ja die Sprachlosigkeit oder Oberflächlichkeit bestimmend, wenn es auf die Frage nach dem Tod kommt. Um kein Missverständnis zu erzeugen: im Falle des Todes sind nicht die vielen Worte, klugen Sätze und oberflächlichen Gesten gefragt. Und damit meine ich auch die frommen Varianten wie zum Beispiel: „Er ist jetzt Zuhause“, oder so. Keller hat mehr zu bieten.

Ängstlich, verantwortlich?

Er geht auf unser aller Angst vor der Tod ein und berührt dabei den Segen der modernen Medizin, die Frage nach dem Lebensglück, der eigenen Bedeutungslosigkeit und die Frage nach der eigenen Verantwortlichkeit. Wem gegenüber eigentlich? Gibt es eine Gerichtsbarkeit, vor der man Rede und Antwort stehen muss, die einen zur Verantwortung ziehen kann?

Unvermeidlich!

Unvermeidlich, unabänderlich, unaufhaltsam … dieser Tod! Unser Tod! Mein Tod! Ist dann alles aus, wie es mein Vater meine ganze Kindheit hindurch zu sagen pflegte? Wenn ja, woher wusste er das? Wie konnte er sich da so sicher sein? Und alle unsere Nachbarn, Bekannten … Zumindest ihrem Reden nach klang das so für mich, als Kind.

Und dann die Christen: sie müssen auch durch den Tod. Auch die von uns die glauben, dass wenn sie nur richtig glauben und bekennen, sie die Dinge entscheidend beeinflussen können: Wohlstand, Reichtum, Erfolg, Karriere, Gesundheit, Partnerwahl, wohlgeratene Kinder … Diese frommen „Allmachtsphantasien“ zerschellen an der Realität des Todes. Jeder Geheilte – auch in der Zeit von Jesus – ist verstorben. Wie gesagt: Die Quote liegt bei 100 %. Keine Fake-News! In Israel, Amerika (auch im Bible Belt) und auch bei uns, im säkularen Deutschland.

Hoffnung?

Keller wendet sich dann der Frage zu, wie man „mit Hoffnung trauern“ kann. Traurig sein, trauern, während man eine tiefe Hoffnung hat. „Keller at his best!“, mag man sagen. Überzeugend entfaltet er die Kraft der christlichen Hoffnung.

Und kommt schließlich auf die endgültige Niederlage des Todes und die Wiederherstellung des Lebens, für das wir ursprünglich gedacht waren, zu sprechen. Einfach großartig. Diese Passage liebe ich besonders:

„Es gibt ein echtes Ich, ein wahres Selbst in Ihnen, aber dann sind da auch die ganzen Fehler und Schwächen, die es begraben, verunstalten und verdecken. Christliche Hoffnung ist, dass die Liebe und Heiligkeit Gottes dies alles wegbrennen wird. An diesem Tag werden wir einander sehen und sagen: „Ich wusste immer, dass du so sein kannst. Manchmal habe ich einen flüchtigen Eindruck davon bekommen, hier und da ein kurzes Aufblitzen. Nun sieh dich an! Nicht zu fassen!“

»Ich wusste immer, dass du so sein kannst. … Nun sieh dich an! Nicht zu fassen!« Wie großartig ist das formuliert. I love it! Keller bietet nicht Wunschvorstellungen an sondern packende Gedanken und Perspektiven. Seine Quelle, aus der er zitiert: das Wort von Gott! Überraschend, kompetent und gewinnend. Ein typischer Keller.

Praktische Konsequenzen:

Tim Keller selbst ist vom Tode bedroht. Er denkt das Thema also nicht nur theoretisch oder grundsätzlich, sondern persönlich und ganz aktuell. Das verleiht dem Buch eine besondere Note, die es berührend macht, nicht nur lehrreich! Denn jetzt, wo seine Zeit abläuft, die großen Zukunftshoffnungen in weite Ferne gerückt sind, gilt es anders zu reflektieren. Er kann nicht mehr den „Himmel auf die Erde holen“, wie das für manche von uns in jungen Jahren unserer Utopie war. Hier ein Auszug, der mir auch richtig nahe ging:

„Zu unserer Überraschung und Ermutigung haben Kathy und ich entdeckt, dass wir diese Welt umso mehr genießen können, je weniger wir versuchen, sie in einen Himmel zu verwandeln. Wir überfrachten sie nicht mehr mit Erwartungen, die sie unmöglich erfüllen kann. Wir haben gemerkt, dass die einfachsten Dinge mehr Freude denn je bereiten – vom Glitzern der Sonne auf dem Wasser und den Blumen in der Vase bis hin zu unseren Umarmungen, unserem Sex und unseren Gesprächen. Das hat uns überrascht.“

Klasse, oder? Und das führt in eine Bescheidenheit, die uns allen gut zu Gesicht steht. Die Überlegungen zur Frage des Todes bringen uns auch in eine hilfreiche Selbstreflexion, die uns schließlich fähig macht, auch mit Rückschlägen und Leid gut umgehen zu lernen. Noch einmal der Autor:

„Menschen meinen, dass es ihr Leid sei, das ihnen den Glauben an Gott versperre, aber in Wahrheit ist es ihr übersteigertes Vertrauen auf sich selbst und ihre eigenen Fähigkeiten, das sie in Wut, Angst und Verwirrung stürzt.“

Mir hat „Über den Tod“ nicht nur richtig gut gefallen, sondern selbst sehr geholfen, weiter denk- und sprachfähig zu dieser Wirklichkeit zu werden, die Teil unserer aktuellen Ausgangslage (Christen sprechen von einer gefallenen Welt) ist, aber nicht beleiben wird.

Über den Tod, Tim Keller, Brunnen Verlag, 96 Seiten, 12,00 €

Über Lothar Krauss

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