Wieso startet ihr euer Jahr nicht mit 21 Fasten und Gebet, mit Worship-Nights und einer Insider-Motivations-Schwarzbrot-Reihen im Gottesdienst? Immer wieder wird mir diese Frage gestellt. Seit vielen Jahren verfolge ich in den Gemeinden, in denen ich am Start bin, eine etwas andere Strategie. Ich nehme euch mal in zwei Teilen, die ich kurz auf diesen Beitrag poste. Mit beiden Posts reflektiere ich meine letzten 30 Jahre zu der Frage.
Hinweis: diesen Beitrag gibt es auch als eine Podcastepisode. Klicke auf das Bild.
Wir machen es tatsächlich etwas anders.
Zuerst: Ich finde Gebetstage, Worship-Nights, Fastenzeiten, intensive Bibelstudienzeiten … richtig, richtig gut. Punkt. Und auch dazu ja: man könnte das, was ich jetzt hier vorstelle, auch mit den 21-Tagen-Gebet kombinieren. Ob dann der Fokus ganz klar wäre, müsste man schauen. Und auch das noch: NEIN, ich will niemanden angreifen, verurteilen oder in Frage stellen. Jeder sei sich seiner Strategie gewiss 🤩😉👍.
Aber auch dann das: Wir machen es tatsächlich etwas anders! Warum? Alles hat seine Zeit und seinen Platz! Es ist keine Frage von „richtig“ oder „falsch“. Einfach mal ein Ansatz, der jetzt nicht ganz in den Strom einfließt. Also, alles entspannt, o.k.?! 😁
Meine Schlüsselfrage lautet: wann kann ich welche Zielgruppe am besten erreichen? Und wie muss ich es anpacken? Paulus wählte auch unterschiedliche Strategien mit unterschiedlichen Zielgruppen.
Zielgruppen einer Kirche
Ich denke, dass jede lebendige Kirche gleichzeitig mehrere Zielgruppen hat. Jenseits der Milieus, aus denen die Zielgruppen sich zusammensetzten. Das macht es noch etwas komplizierter. Ich denke im Kern dabei an
- Christen, die geistlich wachsen und reif werden sollen
- Kinder von Christen, die mit ihren Familien teilnehmen, aber die den Glauben selbst erst noch entdecken und erfahren sollen
- Freunde im Umfeld von Kirchen, die religiös interessiert sind, aber nicht aktiv gläubig
- VIP’s. Also Verwandte, Freunde, Kollegen, Nachbarn …, die keinen Bezug zum Glauben haben, vielleicht auch kein Interesse, aber die gerne mit uns zusammen sind
Vielleicht gibt es noch mehr Zielgruppen für Kirchen, aber das sind mal die, an die ich denke, wenn ich über den Gemeindeaufbau reflektiere. Die Frage, die mich dabei beschäftigt lautet: Wann ist eine gute Zeit, um mit diese Gruppen voranzugehen. Sicher gibt es Überschneidungen! Bei den Freunden und VIP’s ist mir vor 3 Jahrzehnten aufgefallen, dass es für sie eine besondere Zeit im Kirchenjahr gibt. Zumindest in den Regionen, in denen ich mit dem Gemeindeaufbau beschäftigt war.
Advent- u. Weihnachtszeit
Nachdem mir das aufgefallen ist, bin ich als Freikirchler zur Idee des Kirchenjahres zurückgekehrt, die mir an sich nicht so nahe liegt. Und dieses Kirchenjahr beginnt mit dem 1. Advent. Die Ankunft, die Geburt von Jesus ist der Startpunkt. Ein niedrigschwelliger Zugang zum Glauben!
Meine Beobachtungen und Überlegungen
- Zu keiner Zeit im Jahr sind Freunde der Kirche und auch VIP’s* so bereit einer Einladung zu unseren Angeboten zu folgen, wie in dieser Zeit. Höhepunkt ist sicher der Heiligabend.
- Wir experimentieren auch mit dem 23.12., da viele Familien am 24.12. in der Zwischenzeit Rituale entwickelt haben, die eine Teilnahme am Gottesdienst ausschließen. 95 % der Deutschen besuchen keinen Gottesdienst zu Heiligabend!
- In den Gemeinden, in denen ich tätig war, wuchs die Teilnehmerzahl an den Heiligabendgottesdiensten bis auf fast 1000 Personen! Kein anderes Angebot hatte diese Zugkraft! Und der Anteil an Freunden und VIP’s in diesen Gottesdiensten wuchs über Zeit auf über 50%.
- Diese Beobachtung hat mich nachdenklich gemacht. Das ist doch eine Chance, die man nutzen müsste. Aber wie?
- Zunächst sollte das Angebot um Heiligabend so ausfallen, dass es den Leuten gut gefällt und sie viel Freude haben, andere einzuladen.
- Und wenn es den Freunden und VIP’s richtig gut gefällt, wären sie dann bereit auch im Januar uns als Kirche weiter eine Chance zu geben und wiederzukommen?
- Was müssten wir als Kirche tun, um den VIP’s dann einen guten Grund zu bieten, tatsächlich wiederzukommen? Welche Inhalte, Formen, Angebote bräuchte es?
- Sie waren ja gerade da, es hat ihnen gefallen, sie sind offen … damit muss man doch weiter umgehen, oder?!
Zwischenfazit
Aus diesen Überlegungen kam ich dazu, dass der Januar kein guter Monat für 21-Tage-Gebetsaktionen, Visionsgottesdienste oder sonstige Inhalte ist, die sich vor allem an Christen richten, um sie zu sammeln und zu motivieren. Das machen wir lieber im September/Oktober/November, damit wir im Dezember/Januar in Bestform sind, um die Meisterschaft zu gewinnen.
Ich gebe aber zu, dass das eine Herausforderung für Christen in den Gemeinden ist. Nicht alle in den Kirchen waren glücklich darüber. Ich wirbelte ihre Weihnachtsplanung durcheinander. Sie wollten den Einsatz nicht bringen. Es ist ja ein Unterschied, ob man ein tolles Weihnachtsangebot vom ICF … besucht, einige Stunden hinfährt, es genießt und dann sinniert, dass die Heimatgemeinde das auch mal auf die Beine stellen sollte … Oder ob man das ICF … ist, dass mit vielen Leuten und viel Fleiß und Hingabe das Angebot vorbereitet und durchführt!
Unsere Challenge: es geht mal nicht so sehr um uns!
- Ja, wir wollen Christen einen Raum bieten, der sie zu geistlichem Wachstum inspiriert und zu geistlicher Reife führt.
- Ja, wir wollen Kinder von Familien der Kirche inspirieren, den Glauben zu entdecken und zu erfahren.
- Und ja, Gebet, Lobpreis, Bibelstudium in Intensivform sind gute Werkzeuge dafür.
Aber wenn wir an unsere VIP’s und Freunde denken, dann müssen wir mit ihnen einen etwas längeren Weg gehen. Warum? Weil wir sie nicht überfahren wollen, sondern liebevoll begleiten. Wir wollen ihre Fragen liebevoll und mit einem hörenden Ohr aufgreifen und sie mit der Weisheit der Bibel und der Liebe von Gott überraschen. Der Geist Gottes setzt dann immer auch die Akzente! Das gehört dazu. Und weil er das Herz des Menschen kennt, passt es dann.
Wenn Gott so wirkt, sollten wir dann nicht immer mit maximalen Auswirkungen rechnen? Manche sagen ja, dass z.B. Pfingsten ein Prototyp sein könnte. Wenn nur der Heilige Geist mit Zeichen und Wundern übernatürlich wirkt, dann regelt sich schon alles Weitere … Ich bin mir nicht so sicher, ob man bei so einer Überlegung alles Aspekte einbezieht, die schon im Neuen Testament geschildert sind.
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ZWISCHENGEDANKE: Wer jetzt Pfingsten und die 3000 Leute, die zum Glauben kommen, anführen will, sollte auch über die 12 Männer in Ephesus nachdenken, die Paulus in Apg. 19 antrifft, und denen er liebevoll die Basics erklärt. Oder die Pfingstpredigt des Petrus mit der Athen-Predigt des Paulus (Apg. 17) vergleichen. Warum geschehen hier nicht diese übernatürlichen Dinge auf dem Areopag, die doch alles klar stellen würden, was Paulus über Jesus sagt. Aber: nimmt er den Namen von Jesus überhaupt in dieser Ansprache in Athen überhaupt in den Mund? Finde den Grund für diese Unterschiede 😉.
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Ich dachte also immer mehr an ein Zusammenspiel von Weisheit, wie Paulus auf dem Areopag Gottes Wort verkündet und dem übernatürlichen bestätigenden Mitwirken durch Zeichen und Wunder bei der Verkündigung von Gottes Liebe, wie es der Markus am Ende seines Evangeliums hervorhebt. Eines nicht ohne das andere! Allerdings: Wunder gab es in Athen keine, warum eigentlich nicht. Hätte es Paulus nicht geholfen vor dem „Hohen Haus“?!
Hier gibt es die Episode auf der Audiospur im Leiterpodcast.
Welche Konsequenzen diese Überlegungen für unsere Predigtplanung haben, könnt ihr im zweiten Teil lesen.
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