Profis im Ehrenamt? In der Leitung einer Kirche? Welche Chancen hat dieser Ansatz, an welche Grenzen stößt er? Dazu habe ich viele Leitende aus sehr unterschiedlichen kirchlichen Kontexten für die Serie „Einfach leiten“ gefragt. Es kam richtig viel konkretes Feedback. Ich habe es für euch hier aufbereitet:
FAZIT
Dieser Beitrag hat folgende Struktur:
- Ich beginne mit einer Zusammenfassung und gehe weiter unten in die Details. So können die Leser, die tiefer einsteigen wollen, sich selbst ein konkreteres Bild machen und zu Ideen kommen, die für die konkrete Situation passen.
- Am Ende schlage ich einige sinnvolle Schritte zur effektiven Zusammenarbeit zwischen Profis und Amateuren, Ehren- oder Hauptamtlichen vor und
- setze schließlich noch einen Kontrapunkt. Das muss sein 🤭😁.
Diese Zusammenfassung ist holzschnittartig! Warum? Weil jede Person und Situation anders ist und deshalb vorab genauer betrachtet werden muss. Die Punkte, die ich hier bringe, sollen Denkhilfen sein. Keine Muster, in die eine konkrete Situation gepresst wird!
An dieser Stelle: Danke an alle, die mit ihrer Erfahrung diesen Beitrag qualifiziert haben!
A) Profis im Ehrenamt sind gut!
Es gibt viele gute Gründe und Erfahrungen, warum Profis in ehrenamtlichen Leitungsrollen einen wertvollen Unterschied bewirken. In einer immer komplexer werdenden Welt sollten wir in unseren Leitungsteams nicht auf ihr Potential verzichten. Dennoch müssen wir genau hinschauen!
So gelingt es!
Profis können ihr Potential dann gut einbringen, wenn die richtige Unterstützung und der passende Rahmen da ist. Was kann das bedeuten?
- Zum Beispiel, dass der Profi in zeitlich befristete Projekte eingebunden wird.
- Oder dass er oder sie konkrete Aufträge oder Rollen mit definierten Kompetenzen für eine Zeit übertragen bekommt.
- Oder dass ein klarer Rahmen für den Profi definiert wird, der „Privilegien“ (z.B. nicht immer bei den Sitzungen, Proben … da sein zu müssen) ermöglicht, die von allen im Team für angemessen und gut erachtet werden.
- Oder dass eine konkrete Unterstützung dem Profi an die Seite gestellt wird.
Eine Kirche berichtete mir, dass sie einzelnen Profis eine 450,- € Kraft an die Seite gestellt haben. Die Aufgabe des Profis ist mit so vielen kommunikativen und sonstigen Fleißarbeiten verbunden, dass es definitiv unrealistisch wäre, wenn ein Profi das alles noch „nebenbei“ erledigen müsste. Damit wird es für den Profi, wie auch für die Kirche realistisch, von den Stärken der Fachkraft zu profitieren!
Ihr Profis im Job: Wir brauchen euch! Wir erwarten euch!
B) Profis im Ehrenamt sind ein Problem!
Es gibt aber auch Erfahrungen, die die das Engagement von Profis im Ehrenamt problematisch zeigen. Die Zusammenarbeit endet für alle Beteiligten im Frust und kann zu anhaltenden Verletzungen führen. Viel geht da verloren, für beide Seiten!
Die Hauptstörungsquellen sind schnell benannt:
- Der Profi verschätzt sich im Blick auf sein eigenes Kraft- und Zeitpotential. Alles beginnt verheißungsvoll, doch über Zeit geht der „Sprit“ aus. Er oder sie kann doch nicht alles so erledigen und erfüllen, wie es alle Seiten erhofft hatten.
- Projekte oder Personen. In der Kirche stehen ganz klar die Personen und ihre Entwicklung an erster Stelle. Die berufliche Situation hat oft den wirtschaftlichen Erfolg als oberes Ziel, dem die Führungskraft verpflichtet ist.
- Der Unterschied zwischen der beruflichen und gemeindlichen Wirklichkeit ist größer als gedacht. Prozesse und Personen sind nicht auf gewohnte Art zu führen.
- Mit ehrenamtlichen Leuten zu arbeiten, die freiwillig am Start sind, ist es doch etwas anders, als mit den eigenen bezahlten Mitarbeitern.
- Leiten ist Dienen! (Joh. 13). Das erfordert Charakter und ein solides geistliches Fundament. Das entsteht, wenn ein Mensch sich in der Nachfolge von Jesus entwickelt. Manche fähige Person wird einfach zu früh und mit zu viel Verantwortung in der Kirche betraut!
ZWISCHENFAZIT: NACHFOLGE & KOMMUNIKATION!
Der Schlüssel für die erfolgreiche Zusammenarbeit liegt in der Frage der Nachfolge. Wenn ein Profi sich in die Nachfolge (Jüngerschaft) rufen, sich von Jesus prägen lässt. Auf diesem Weg wird er in seiner Gesinnung Jesus ähnlich (Phil. 2,4 f) und die Fähigkeiten des Profis können eine starke Wirkung für die Kirche entfalten. Das gilt im übrigen auch für alle anderen Leuten, die in der Kirche mitarbeiten wollen. Wir sprechen deshalb vom Priestertum aller Gläubigen.
Kommunikation ist – wie so oft – ein weiterer Schlüssel! Eine gute und klare Kommunikation ist gerade im kirchlichen Kontext nötig. Und zwar in beide Richtungen: zu den Profis, wie auch zu den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Leuten im Team.
Je klarer die Kommunikation und je konkreter die Erwartungen und Rollen geklärt wurden, je aussichtsreicher ist das Miteinander. So werden alle zu Gewinnern!
******************************************************************************
DIE DETAILS
CHANCEN
Was bringen Profis an den Tisch?
- sie sind oft risikofreudiger
- scheuen sich auch nicht vor großen Aufgaben
- sehen Herausforderungen eher postitiv
- sind strukturiertes Arbeiten gewohnt
- sind ergebnisstark
- bringen eine gute Methodenkompetenz ein
- nehmen Konflikte eher wahr und gehen sie an
- ducken sich nicht weg
- sind es gewohnt mit Zielen zu arbeiten
- sind eine klare Kommunikation gewohnt
- können effektive Strukturen aufbauen
- lassen sich vom Druck nicht so beeindrucken
- können mit Spannungen positiv umgehen
- bringen Erfahrungen im Umgang mit unterschiedlichsten Menschen mit
- haben ein Fachwissen, das sie kontinuierlich weiter ausbauen
- wissen was sie zu tun haben und tun es
- Projekte werde möglich, die ohne sie nicht auf die Straße kommen würden
- sie können andere Leute richtig fit machen: alle profitieren, gewinnen in der Zusammenarbeit
- bekommen den Respekt der anderen Mitarbeitenden: die wissen, was sie tun!
- Der Profi erwirbt Fähigkeiten im Teamalltag mit Ehrenamtlichen, die ihn oder sie zum besseren Chef im Job machen!
- …
GRENZEN
Und welche Grenzen tauchen in der Praxis auf?
- Top gestartet, auf der Langstrecke aber die Ermüdung. Das führt zur Enttäuschung bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern!
- Falsch eingeschätzt, wie viel die Aufgabe in der Kirche doch braucht: geht nicht nur so nebenbei. Qualität braucht auch Qualität im Einsatz.
- Priorität: die Aufgaben, die übernommen wurden, bleiben oft längere Zeit liegen, weil wichtiges aus dem Job Vorrang hat! Die ganze Kirche kann da leiden … Es geht nicht weiter!
- Teilnahme an Treffen: unregelmäßig. Job hat unbedingten Vorrang. Das verletzt auf Dauer andere im Team, die auch einen Preis bezahlen! Wenn es nicht vereinbart ist!
- Performance vor Menschen! statt: Menschen vor Performance!
- Projekte vor Menschen. Menschen benutzen, anstatt sie zu entwickeln.
- Fehlende Verständnis und mangelnde Wertschätzung für Ehrenamtliche.
- Begabung gut. Gesinnung ausbaufähig. (Phil. 2,4f)
- Ehrenamtliche nicht aktivieren, sondern verdrängen. Wenig Bevollmächtigung.
- Falscher Ton im Umgang – Im Job ist es eben rauer, direkter, klarer!
- Ellebogen ausfahren, Methoden aus dem Job einsetzen, die den Werten des Glaubens entgegenstehen.
- Gewinnen wollen. Gewohnt zu gewinnen. Recht haben.
- Wenn die Zustimmung für den Profi im Team der ehrenamtlichen ausbleibt? Schmollen? Hinschmeißen?
- Manche Führungsinstrumente funktionieren nicht im Gemeindeleben!
- Frust durch unterschiedliche Erwartungen. Zum Start die Chancen vor Augen, dann die Ernüchterung zu den Grenzen!
- Mancher Profi ist im Herzen ein Hauptamtlicher, der seine Berufung nicht ergriffen hat. Kann dazu führen, dass er den Mangel des Hauptamtlichen klar sieht und zum Kritiker wird!
- Der Profi ist in Wahrheit ein Spezialist, keine Führungskraft!
- Bei schwächerem Selbstwertgefühl des Profis: könnte Aufgaben übernehmen, die ihm im Job nicht zugetraut werden, um zu kompensieren!
- Ausbrennen in der Doppelbelastung!
- Flucht vor der Familiensituation „für den Herrn“. Gar nicht gut!
- Missbrauch von Macht und Einfluss: z.B. als Finanzverantwortlicher. Aber auch in anderen Rollen. Nicht mehr Diener, sondern Boss. Ganz schlecht!
- Ehrenamt nicht ganz so ernst nehmen! Ist ja „nur“ Gemeinde …
- Unzufriedenheit mit der Geschwindigkeit, den begrenzten Ressourcen, ehrenamtlichen u. hauptamtlichen Mitarbeitern, die nicht das liefern, was erwartet wird …: SPANNUNGEN!
- …
SINNVOLLE SCHRITTE ZUR EFFEKTIVEN ZUSAMMENARBEIT
Auch der Profi braucht jemanden, der ihn begleitet. Entwickelt und fördert. Ihm in die Jüngerschaft hilft! Die Gesinnung von Jesus (Phil. 2,4 f) ist der Schlüssel zur Vollmacht (Phil. 2,9)! Das soll der Profi anstreben!
Auch der Profi soll nicht benutzt werden für die Gemeindeprojekte. (Mein) Grundsatz: Ich benutze Projekte, um Menschen zu entwicklen. Berufungen zu fördern. Das gilt für Ehrenamtliche Laien und Profis. Für Hauptamtliche auch. Das sollte die Kultur einer Kirche mit prägen. Hier noch ein paar Fragen, die helfen, wenn sie vorab bewegt werden:
Spannungsfreier und erfolgreicher kann es im Miteinander werden, wenn diese Fragen im Vorfeld bedacht werden:
- Ist der Pastor (Leiterin …) souverän gegenüber Profis. Oder nagen Minderwertigkeitsgedanken am Selbstbewusstsein?
- Kann der Leiter den Profis auf Augenhöhe begegnen?
- Sind die Profis mit den Dynamiken in der Kirche (im Gegensatz zu den Dynamiken in Unternehmen) vertraut?
- Manches dauert länger: Prozesse in der Kirche – Unternehmen. Gut reflektiert? Gerade in den Fragen des Change-Managements?
- Wenn wir schon bei Veränderungen sind: Widerstände in einer Non-Profit Organisation und die Möglichkeiten des Führungsteams. Konkret vorab anschauen!
- Die anderen Mitarbeitenden sind keine Angestellten! Weiß der Profi das und was für einen Unterschied macht das für ihn?
- Sind die Rollen im Team für alle gut geklärt?
- Welche Verpflichtung ist nötig, um konstant und anerkannt im Team mitzuwirken (z.B. der Profi-Musiker, der sich die Proben schenken will. Kann das gut gehen?)
- Realistische Zielbilder: wie viel Geld, Personal und Ressourcen stehen zur Verfügung?!
- Realistische Zielbilder 2: welche Qualität ist bei uns (kleine Kirche) JETZT nötig?
- …
Am Ende noch ein Kontrapunkt: Amateure haben manchmal einen Vorteil gegenüber Profis!
Tomas Sjödin hat einen bemerkenswerten Gedanken in seinem Buch „Beginne jeden Tag wie ein neues Leben“ dazu geschrieben:
„Ich habe das mal erlebt, während ich einem Vortrag des US-amerikanischen Autors Rick Warren lauschte, in dem es um die Kunst des Nein-Sagens ging. Irgendwo mittendrin flocht er die Information ein, dass das Wort »Amateur« seine Wurzeln im lateinischen amator hat und bedeutet: »einer, der liebt« oder »einer, der etwas aus Liebe tut«. Mir ging schlagartig ein Licht auf, und ich begriff, warum die sogenannten Amateure manchmal Probleme lösen, an denen die Profis scheitern. Die Liebe hat ihre eigene Mathematik und offenbar auch ein eigenes Kraftwerk. Da geht etwas, obwohl es eigentlich nicht geht. Da sind Dinge möglich, obwohl sie eigentlich nicht möglich sind.
In unserem Sprachgebrauch dagegen ist der Amateur jemand, der weniger Ahnung hat und weniger geeignet ist. Was unbeholfen geschieht, nennen wir amateurhaft, und den, der etwas will, es aber nicht richtig hinkriegt, einen Dilettanten oder Stümper. Dabei hat jemand, der von Liebe angetrieben wird, etwas Eigenes, etwas, das das Professionelle ergänzt. Dem Profi stehen manchmal die eigene Erfahrung und das eigene Wissen im Weg. Deshalb ist die Zusammenarbeit von Profis und Amateuren auch so fruchtbar.
Wenn man also etwas fast Unmögliches schaffen will, ist es am besten, man ruft Amateure hinzu.“
Sehr schöner Artikel, sehr nah an der Realität. Gute Zusammenfassung! Auch den Kontrapunkt über Amateure finde ich sensationell !
Dankeschön! 😊
Sehr gut beobachtet und klasse recherchiert! Danke Lothar!
Wow, Dankeschön! Du setzt das Motto des LEITERBLOGs so gut um: „Leiter brauchen Ermutigung!“ 👍