Man hört es immer wieder: Keine Kritik per eMail. Und trotzdem: Kritik kommt gerne per eMail! Das geht einfach, schnell und direkt! Was ist das Problem? Gibt es überhaupt ein Problem? Jedes mal wenn ich das Thema anspreche, gibt es vereinzelt Unverständnis und auch Widerspruch. Hier sind 7 Gründe, warum schriftliche Kritik wenig hilft:
Ron Edmondsons Liste
Der Pastor u. Leiter hat über 30 Jahre brauchbare Erfahrung mit Kritik. Aber er ist gegen „eMail-Kritik“. Hier seine aktuellste Liste mit Anmerkungen und Ergänzungen von mir:
Emotionen!
Man kann in der schriftlichen Kritik die Emotionen nicht angemessen kommunizieren. Und jede Kritik wird von Emotionen begleitet. Jede! Sie ist nicht authentisch und angemessen in einer eMail zu transportieren. Missverständnisse, Fehldeutungen, Verletzungen … sind oft eine Folge.
Senden Taste!
Die „Senden Taste“ kann zu leicht geklickt werden. Ohne Nachdenken. Ohne Gebet. Ohne Überlegung, wie es dann weitergehen soll. eMails sind „zu einfach“ im Umgang mit Kritik.
Hängen lassen!
Sein nächster Punkt: man wird „hängen gelassen“. Da kommt diese Kritik per Mail. Man nimmt sich Zeit auf die inhaltlichen Punkte einzugehen, Antworten zu finden, Verantwortung zu übernehmen, zu erläutern … Viel Zeit, Kraft, Herz und Hirn wird investiert. Mit Bedacht und Rat sendet man den Text. Und dann? Warten! Und dann? Nichts! Keine Reaktion! Man wird mit seinen Gedanken, Vermutungen, Überlegungen „hängen gelassen“ … Ron hasst diese Situation. Ich auch!
Schießen und weglaufen!
So hat es Bill Hybels einmal beschrieben. Leute die kommen, schießen und dann weglaufen. Sie wollen nichts Gutes für uns oder die Organisation mit ihrer Kritik. Einfach nur ballern und keinen Mumm sich mit der Situation, die sie damit schaffen, auseinanderzusetzen. Und es ist so einfach: „Schießen und weglaufen“! Beim Duell musste man sich wenigsten noch anschauen. Mit dem Computer (Smartphone, Tablet …) fällt das weg. Alles ganz einfach. Wie ein Heckenschütze.
Vier Augen?
Nein. Eine Mail ist niemals privat. Es ist so einfach, noch ein paar Leute auf cc, besser bcc zu setzen. Und ab die Post! Wie viele Gemeindeaustritte, „Mitarbeitbeendigungen“, Meinungsbekundungen … sind auf diesem Weg gelaufen. „Nein, ich will nichts böses, niemanden schaden, respektiere die Leitung …“ Und dann eine Mail, die sich gewaschen hat. Abrechnung. Mit allen aus der Gruppe oder allen aus der Gemeinde auf bcc. Es bleibt immer etwas hängen. „Denn wo Rauch ist, ist auch ein Feuer.“ Keine Gnade! Keine Chance.
Missverständnisse
Die schriftliche Kritik ist eine Einladung zu Missverständnissen. Die Rückfrage ist nicht möglich: Kannst du mir erklären, was genau du damit meinst? Hilf mir zu verstehen: Wann ist das für dich so gewesen? … Die Mail wird zur Anklageschrift!
Die Fliege, die ein Elefant werden kann!
Kleine Ereignisse und Vorkommnisse können zu viel Gewicht bekommen. Persönliche Vorkommnisse werden zu „Staatsaffären“. Der „Konflikt sucht immer die Arena!“ Zu kritisieren kann auch ein Weg sein, die eigene Bedeutung aufzupolieren. Wir versuchen diesen Leuten aus dem Weg zu gehen. Aber wir treffen sie überall! Und: sie sind nicht zu befrieden!
Ron Edmondson meint, dass es noch mehr Gründe gibt, die gegen diesen Weg sprechen. Welche sind DIR als Leser im Sinn. Schreibe sie gerne als Kommentar.
Das letztlich schlimmste was kommen kann, wenn Kritik zumKonflikt wird: „Gesagtes“ bleibt schwarz auf weiß und kann Personen erreichen für dessen Augen und Ohren die Zeilen nie gedacht waren.
Und wie Papier nun mal bekanntlich geduldig ist, können auch dann noch ungeahnte Folgen kommen, obwohl die Ursache bereits „verjährt“ sein kann. Spätestens nämlich, wenn der nächste kleine Konflikt das Fass zum Überlaufen bringt, kann man alle Aussagen hervorkramen und nach gutenbergischer Tradition in alle Kanäle verteilen.
Gern würde ich eine Lanze FÜR schriftliche Kritik brechen. Ich bin jemand, der gern und viel schreibt. Beim Schreiben habe ich viel Zeit zu überlegen. Kann Dinge formulieren, die richtigen Worte suchen und finden. Beruflich läuft 80 – 90% aller meiner Kommunikation per Mail. Es wäre unnatürlich und unpassend, bei Kritik mit Menschen, mit denen ich täglich schriftlich kommuniziere, eine Ausnahme zu machen und lediglich bei Kritik zum Telefonhörer zu greifen (wir arbeiten alle räumlich getrennt). Wenn etwas schief läuft, sprechen wir alle im Team es schriftlich an. Und antworten schriftlich. Nur ganz selten ist ein ergänzendes Gespräch dann noch nötig.
Noch ein weiterer Aspekt. Als Single mit einem Einzelbüro habe ich relativ wenig Konflikte im Alltag. Das ist ein Vorteil – das Leben ist ziemlich entspannt. Und ein Nachteil. Ich bin in mündlicher Kommunikation von Kritik nicht so geübt darin, wie meine verheirateten Freude, die sich regelmässig mit ihren Partner verbal auseinandersetzen.
Ich habe das in Konflkiten mit Menschen, die im Austeilen und Einstecken weit geübter waren als ich, sehr oft als Nachteil empfunden. Ich kann in einem Gespräch einfach nicht schnell genug denken und angemessen reagieren. Für mich waren Kritikgespräche (egal, ob ich Kritk geäußert oder empfangen habe) oft mit dem üblen Nachgeschmack verbunden, dass ich das, was ich eigentlich empfinde, nicht wirklich einbringen konnte, weil ich nicht schnell genug war. Das war für mich in vielen Fällen weit unbefriedigender als faire, in Ruhe durchdachte schriftliche Kritik.
Von daher – schriftliche Kritk muss nicht schlecht sein – wenn sie gut durchdacht, durchfühlt, durchbetet ist.
Wie cool Kerstin, dass Du aus Deiner Sicht und Erfahrung ergänzt. Ich würde all das, was Du an Argumenten zusammenstellt, auch für wichtig finden. Allerdings in die – gerne schriftliche – Vorbereitung von so einem Gespräch. Wenn ich Dich richtig verstehe, denkst Du besonders aus der Sicht der Person, die schriftlich eine Kritik anbringt. Da sind sich sicher alle schell einig. Das ist leichter! Ich habe ja aus der Sicht dessen reflektiert, der diese schriftliche Kritik erhält und damit umzugehen hat. Je mehr man als Person mit seinen Gefühlen involviert ist, je mühsamer wird der Schriftweg! Ich kann aus Deinen guten Gedanken allerdings nicht sehen, dass Du die sieben genannten Gründe, warum nicht schriftlich …, entkräftest. Aber gerade für Leute, die sich selbst nicht als schlagfertig, schnell … empfinden, ist die durchdachte, reflektierte und sicher auch schriftliche Vorbereitung als die Person, die Kritik anbringen möchte, hilfreich. Daher: Danke für diesen Aspekt.
Der Behauptung, dass bei einer schriftlichen Kritik Rückfragen nicht möglich sind, würde ich auch gerne widersprechen. Klar kann man fragen. Kostet nur eine Mail – oder wenn man es lieber will einen Anruf.
Für mich ist es schon ein Unterschied, ob ich im Dialog zu den Aussagen die getroffen werden auch die Körpersprache (u. d. atmosphärischen Aspekte …) ergänzend im Blick habe, also „mithöre“. So etwas in einer Mail wahrzunehmen finde ich zumindest richtig schwierig. Die Nachfrage fällt in der echten Begegnung dann anders aus, als via eMail. Das deutsche Allensbach-Institut hat folgende Werte zur Kommunikation veröffentlicht:
1. Die Gestik und Mimik macht 55 Prozent der Kommunikation aus,
2. 26 Prozent entfallen auf die Stimme und
3. 19 Prozent auf den fachlichen Inhalt.
Die Stimme gehört für mich auch zur Körpersprache. Damit hat die Körpersprache in meiner Kommunikation einen Anteil von 81 Prozent. 🙂 Das meinte ich, als ich die Rückfragemöglichkeit im vorletzten Punkt antippte. Manchmal sind es eben nicht Aussagen, die ich nachfragen und klären will. In Konfliktgesprächen passen aus meiner Erfahrung auch immer wieder einmal die Worte nicht zur Körpersprache. Sachpunkte kann ich natürlich schriftlich nachfragen. Obschon: Nicht jeder „hört“ die Nachfrage vielleicht auf der Sachebene? Gruß an Schulz von Thun. 😉
Ich bin ein Fan von persönlicher Kritik aus den genennanten Gründen, Gestik Mimik Emotionen. Die Gründe von Frau Hack für einen schriftlichen Austausch kann ich aber sehr gut nachvollziehen. Oft genug fallen mir die besten Formulierungen und die treffendsten Aussagen nach dem Gespräch ein… Vielleicht kann man hier keine grundsätzliche Regel aufstellen, es kommt immer darauf an, wie meine Beziehung zu dem Gegenüber ist und in welcher Phase eines Konfliktes wir uns ggf. Befinden. Solange die Basis stimmt und ich mir der grundsaetzlichen Wertschätzung meiner Person beim gegenüber sicher bin, habe ich auch nichts gegen eine schriftliche Kritik, im Zweifel kann ich dann auf jeden Fall nachhaken und werde auch nicht Haengen gelassen. Wenn diese Basis fehlt oder Zweifel bestehen, dass mein Gegenüber nicht sicher ist, dann auf jeden Fall nur persönlich kritisieren… LG Willie 🙂
Eine schriftliche Kommunikation hat viele Vorteile. Man kann in Ruhe seine Argumente abwägen und vor dem Versenden immer wieder korrigieren. Der Empfänger kann sich in aller Ruhe mit dem Geschriebenen auseinandersetzen und darüber Nachdenken. Emotionale Spannungen werden durch die etwas größere Distanz abgemildert, ein Gespräch am Telefon oder unter 4 Augen kann auch schon mal eskalieren. Im Übrigen – auch im geschriebenen Wort können Emotionen vermittelt werden. Sollte der Konflikt eskalieren, hat man bei einer E-Mail oder einem Brief gespeicherte Informationen, die man gegebenenfalls auch einem Moderator zur Verfügung stellen kann – manchmal ist es auch nicht unwichtig, das Geschriebene beweisen zu können, leider auch unter Christen 😉 Abschließend möchte ich noch anmerken, dass auch mündliche Kommunikation, trotz Mimik und Gestik, zu Mißverständnissen führen kann.
Pingback: KRITIK – damit sie gut ankommt! | DER LEITERBLOG
Super Artikel! Im privaten Umfeld kritisiere ich diesen Umgang auch, zumal viele Menschen auf diesem Weg ihrer ersten Wut Luft machen. Sie schreiben Dinge in einer Verfassung, in der sie nie in ein Gespräch gehen würden. Außerdem bleibt das wahrnehmen des entsetzten Gesichtes aus, wenn etwas missverstanden wurde.
Aber….
Es ist heute sehr schwer einen Termin für ein Konflikt/Kritik Gespräch bei einem Leiter zu bekommen. Oft sind sie sehr ausgebucht und so sehr lieben wir Kritik nun auch nicht, dass dafür andere Sachen aus dem Kalender gestrichen werden. So bleibt dem Schaf oder Angestellten oft nur der schriftliche Weg….
Ich glaube das es auch am Leiter selbst liegt, wie man ihm begegnet. EIN OFFENES OHR zur Zeit erspart Ärger zur UnZeit.