„Du, ich muss mal mit dir reden…“ so fangen viele Gespräche an, in denen dann Kritik geäußert wird. Die meisten Menschen mögen es nicht sonderlich, wenn sie kritisiert werden. Kritik ist selten angenehm. Sie irritiert das Selbstbild und ist oft auch eine Belastung für Beziehungen. Das muss nicht so sein. Vier Schritte, die das ändern können …
Mit diesem Beitrag von Kerstin Hack schließen wir die Woche zum Thema Kritik ab. Ob sie nun schriftlich oder mündlich kommt, die Kritik, gewaltfrei sollte sie auf alle Fälle sein! Was meint das?
Gewaltfreie Kommunikation
Marshall Rosenberg, der 2015 verstorbene Entwickler der Gewaltfreien Kommunikation, hat das Konzept der vier Schritte entwickelt, die man in der Kommunikation zueinander gehen kann. Und die helfen, auch bei schwierigen, schmerzhaften Themen, die Verbindung nicht abreißen zu lassen.
Schritt 1: Situationsbeschreibung
Ein häufiger Fehler bei Kritik ist, dass man mit den Schlussfolgerungen ins Haus fällt: „Du kommst immer zu spät!“ oder „Auf dich kann man sich nicht verlassen!“ „Ich bin total enttäuscht von dir!“. Der andere weiß oft tatsächlich nicht, worum es eigentlich geht.
Rosenberg empfiehlt, die Situation so klar und sachlich objektiv wie nur irgend möglich zu beschreiben. “Ich habe beobachtet, dass Sie in dieser Woche vier Mal um 9.15 zur Arbeit gekommen sind.“ „Heute Morgen hast du gesagt, du würdest den Müll runter tragen. Als ich um 17.00 von der Arbeit kam, bin ich über die vollen Mülltüten gestolpert.“ „Du hattest mir gesagt, du würdest mich bei dem Projekt unterstützen. Seit deiner Zusage vor drei Wochen habe ich keine weiteren Beiträge von dir erhalten.“
Eine Hilfe ist, sich die Situationsbeschreibung wie eine Regieanweisung an ein Filmteam vorzustellen und nur solche Dinge zu beschreiben, die man auch im Film darstellen kann. Ohne Emotionen. Ziel sollte sein, die Situation so neutral zu beschreiben, dass der andere zustimmen kann. „Ja, so war es. Ich kam um 9.15.“ „Der Müll steht tatsächlich noch im Flur.“ „Mein Beitrag ist noch nicht abgeschickt.“
So ist der erste Brückenpfeiler auf dem Weg zum anderen gebaut.
Schritt 2: Beschreibung der eigenen Gefühle
Situationen lösen immer Gefühle aus. Häufig Irritation, Trauer, Hilflosigkeit. Es schafft Verbindung, diese Gefühle dem anderen mitzuteilen. Wichtig hierbei ist, dass es sich um echte, eigene Gefühle handelt, die man beschreibt, nicht versteckte Anklagen. Hinter vermeintlichen Gefühlsworten wie enttäuscht, verärgert, alleingelassen verbergen sich Anklagen gegen den anderen: Du hast etwas falsch gemacht, mich enttäuscht, im Stich gelassen usw.
Sich transparent mit dem, was man empfindet, zu zeigen, schafft den nächsten Brückenpfeiler auf dem Weg zum anderen.
Schritt 3: Beschreibung der eigenen Bedürfnisse
Unsere Gefühle haben gar nicht so viel mit dem anderen zu tun, sondern vielmehr mit dem, was wir brauchen. Kommt jemand zu spät, kann es sein, dass wir traurig sind, wenn wir Verlässlichkeit und Sicherheit brauchen. Oder dass wir erleichtert sind, wenn wir gerade Entlastung und noch etwas Zeit brauchen.
Grundsätzlich kann man sagen: Frohe, positive Gefühle fühlen wir, wenn eines unserer Bedürfnisse erfüllt, traurige oder negative Gefühle fühlen wir, wenn ein Bedürfnis unerfüllt geblieben ist. Hier kann man sich fragen: Was hätte ich gebracht z. B. Klarheit oder Unterstützung.
Dem anderen mitzuteilen, was man braucht, baut einen weiteren Brückenpfeiler auf dem Weg zu ihm.
Schritt 4: Die Bitte
Hinter jeder Kritik steckt der Wunsch nach einem anderen Verhalten, das man sich künftig von der anderen Person wünscht. Häufig ist der erste Schritt jedoch, erst einmal zu klären, was passiert ist. Hier kann die Bitte lauten: „Bitte sag mir, wie du das siehst!“ Oder auch: „XYZ ist passiert. Ich bin irritiert darüber, brauche Klarheit und möchte verstehen, was geschehen ist. Bitte erkläre es mir!“
Wer diese vier Schritte befolgt, hat zwar keine Garantie, dass Kritik immer ankommt und zu Herzen genommen wird, aber die Chancen steigen. Das ist auch schon mal was.
Gewaltfreie Kritik und ergänzende Gedanken zu diesem Artikel sind herzlich willkommen.
Spitze, genau hier bin ich auch gelandet, beim Nachdenken und im Gespräch mit anderen über Kritik geben und nehmen. Ich glauben wenn wir diese Regeln beachten, dann verändert Kritik die Situationen/Beziehungen zum Besseren. Danke Lothar, für deinen tollen Blog! LG Willie