Transparent führen: Krisen bewältigen (1)

Verantwortliche in Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften tun sich zum Teil – nach wie vor – recht schwer, sich „in die Karten“ schauen zu lassen. Nicht nur die altehrwürdige Katholische Kirche kämpft damit. Auch junge, dynamische und international geprägte Kirchen sind davon betroffen. Und auch in anderen Kirchen, Freikirchen, Organisationen … kommt das vor. Starke, kommunikative, dynamische … Persönlichkeiten, auf die die Organisation zugeschnitten ist, schaffen durchaus eine große begeisterte Fanbasis. Das ist nur die eine Seite.

Auf der anderen Seite treffen wir nach einer Zeit auf erschöpfte Macher, gefallene Leiter und kritischen Situationen. Die letzten Jahre haben manche Situationen in Kirchen ans Licht gebracht, die wir nicht für möglich gehalten haben. Mir ging es so mit Bill Hybels und Willow Creek.

Krisen als Chance

Oft braucht es eine Krise, um das aufzubrechen. Denn solange der Erfolg da ist, ist das System stark und wird als Modell des Erfolgs gefeiert. Wenn es dann aber zu einer Krise kommt, zum Beispiel in der Führungsmannschaft oder durch den Rückgang von Spenden, verliert das System an Kraft. Wenn es gut ausgeht, ist eine Tür für ein neues Denken aufgegangen und konstruktiv genutzt worden.

Kurios: das, was man bisher abgelehnt hat, wird jetzt gesucht! Auf einmal sind Berater von außen willkommen, um reinzusprechen und zu unterstützen. Oder die Vereinsmitgliedschaft wird ein Thema, wo bislang 7 Leute ausreichten! Treffen aller Leute der Kirche werden einberufen, wo bisher nur Ergebnisse von der Bühne am Sonntag kommuniziert wurden. Die Leute der Kirche bekommen nun einen Einfluss, der zuvor so nicht vorgesehen war. Sie sollen formal oder informell sich zur veröffentlichten Sicht der Ereignisse verhalten.

Bei Willow denke ich an die an die „Family Meetings“ 2018, wo die Anschuldigungen gegen Hybels öffentlich wurden und gleich eine Reihe Kronzeugen auftraten die beteuerten, dass das alles so nicht zutrifft usw. Der Rest ist Geschichte.

Das Muster hat sich häufig wiederholt: Leiter und ihre Getreuen erläutern die Situation mit ihrem „Narrativ“. Das Ziel? Die Basis mit einzubinden und – oft – für sich zu gewinnen. Ist man als Kirche in dieser Situation angekommen wird es nur noch recht schwierig sein herauszufinden, was „Fakt“ ist. Das Thema wird in dieser Phase eher „emotional“ erlebt. Andere sind nicht bereit, sich überhaupt auf den Prozess einzulassen. Sie verlassen die Gemeinde …

Traurig: Auch bei Willow sind viele, viele Menschen gegangen. Was wäre möglich gewesen, wie viel Schaden hätte abgewandt werden können, wenn schon im Vorfeld die Kultur der Transparenz Willow geprägt hätte? Besonders schmerzhaft für mich: ich dachte, dass Willow da besser, vorbildlich am Start gewesen wäre …

Wie Gott mit seiner Kirche doch noch zum Ziel kommt!

Geld ist häufig, auch in christlichen Organisationen, eine Sprache die Gott benutzt, um sich Gehör in den Führungsetagen seiner Kirche zu verschaffen. Dabei ist das Potential, das eine offene und transparente Organisationen in unserer Zeit hat, richtig groß! Ich plädiere für ein Umdenken!

Lass es nicht erst zu einer Krise kommen …

Denn Krisen sind im Kern oft Vertrauenskrisen! Und da „Vertrauen die Währung des Leiters ist“, wird es immer zu einem Schaden kommen, wenn Vertrauen verloren geht. Manchmal ist das nicht zu vermeiden, gerade in Prozessen der Veränderung. Warum? Nicht jeder will mitgehen, sieht die Notwendigkeit oder will den Preis der Veränderung bezahlen.

Wie auch immer: ohne Vertrauen kann keine Führungskraft auf der Langstrecke leiten. Die gute Nachricht: Schwindet das Vertrauen, kann es oft wieder aufgebaut werden. Wir sprechen von „vertrauensbildenden Maßnahmen“. Solche Maßnahmen gibt es und wenn der Prozess aufrichtig und offen von allen Seiten angegangen wird, kann erneut eine starke (Vertrauens-)Basis wachsen.

Ist das Vertrauen aber verloren, können Verletzungen, Enttäuschungen und Kränkungen sich zu Mauern aufbauen. Man findet den Weg zueinander nicht mehr, es gibt offenbar keine Tür, durch die der Zugang wieder möglich wird. Auch Paulus und Barnabas kennen diese Erfahrung!

Bemerkenswert: Wir sollten uns hier nicht überfordern. „Fakten sind bekanntlich Freunde!“ Auch dieses Faktum, vor Mauern zu stehen, ist – biblisch betrachtet – möglich. Du gute Nachricht: Für Gott ist es allerdings nie der Endpunkt. Es gibt eine Zukunft. Die Berichte von Paulus u. Barnabas als Team machen uns Mut. Denn obwohl sie den Weg zueinander als Team nicht mehr fanden, schrieb Gott doch seine Geschichte mit ihnen weiter. (Vgl. Apostelgeschichte 15,35ff)

Man mag durch die Kraft der Vergebung einander loslassen und freigeben, aber ob eine erneute Vertrauensbeziehung entstehen wird, ist damit nicht unbedingt gesagt. So sehr es sich alle Seiten wünschen. Vertrauen ist ein „sensibles Geschöpf!“ Dieser Wirklichkeit ins Auge zu schauen und als einen Teil unserer gebrochenen Wirklichkeit in der „gefallenen Welt“ zu begreifen, ist wichtig. Am Ende wird Gott alles wieder gerade rücken. In Ordnung bringen. Am Ende.

Aufrichtig, transparent, authentisch …

Wenn wir Beweger und Spielentscheider in den Aufbau und die Gestaltung einer Organisation, Kirche, einem Unternehmen … einbinden wollen, müssen wir die Basis des Vertrauens und der Wertschätzung aufbauen. Das geschieht, indem wir aufrichtig führen, transparent als Verantwortliche sind und auch transparent in der Organisation und darüber hinaus kommunizieren. Authentisch, das ist ein Schlagwort, das gerne gebraucht wird. Kein einfaches Schlagwort! Warum?

Weil „authentisch“ noch kein Wert an sich ist. Beispiel: Wenn mein Charakter durch notorisches Lügen verdorben ist, ich faul, selbstbezogen, narzisstisch und gleichgültig lebe, dann bin ich ja auch authentisch, wenn ich Lüge, Faulheit, Egoismus, Narzissmus, Gleichgültigkeit … zeige.

Transparent und aufrichtig zu sein bringt eben auch das an Licht, was in mir steckt. Was meine Überzeugungen, Werte, Lebensmuster sind. Ob ich als Führungskraft Menschen für meine Zwecke „benutze“, oder ob ich eine Bühne für sie baue, die ihre Stärken zur Entfaltung bringen und sie „sich gebraucht erleben“, ist immer eine Frage meines Herzens, meiner Gesinnung und meines Charakters als Führungskraft. Um wen oder was geht es mir wirklich? Um andere, die ich fördere? Oder letztlich doch um mich? Eine schwierige Frage. Immer wieder neu!

 

Teil 2: Eine transparente Führungskraft werden 

Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
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3 Antworten zu Transparent führen: Krisen bewältigen (1)

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  2. Ingo Scharwächter schreibt:

    Ganz hilfreich zum Thema Vertrauen finde ich die Differenzierung, die ich bei Steven R. M. Covey gefunden habe in „Schnelligkeit durch Vertrauen“:
    * Vertrauen in die Integrität: Der andere lügt mich nicht an, sondern sagt die Wahrheit.
    * Vertrauen in die Absichten: Der andere will mir und allen Beteiligten Gutes.
    * Vertrauen in die Kompetenz: Der andere kann das, was in der Situation nötig ist.
    * Vertrauen in die Ergebnisse: Der andere wird am Ende auch „liefern“.

  3. Frido schreibt:

    Lothar kennst Du den CHA, CHA, CHA? Change (Veränderung, Krise), Challange (Herausforderung), Chance (gute Möglichkeit oder günstige Gelegenheit)

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