Anfang des Jahres hatte ich fast drei Monate Zeit, um etwa 20 Gemeinden im deutschsprachigen Europa und in den USA kennen zu lernen. Was ist von diesen Gemeinden zu lernen, die christozentrisch und relevant in ihrer Kultur wirken?
Im ersten Teil habe ich die Kerneinsichten „Auftrag und Momentum“ beschrieben. Die dritte Einsicht betrifft das Thema „Leitung“:
Leiterpersönlichkeit
In allen Gemeinden, die ich besuche, treffe ich auf „Leiterpersönlichkeiten“. Auf einen Hauptleiter, der stark leitet und eine starke Persönlichkeit ist (hat), eingebettet in ein profiliertes Team. So ist es. Da „beißt keine Maus den Faden ab!“ Keine großartige Gemeinde, ohne großartige Leitung, denke ich immer wieder.
Starker Leiter: Ist das wirklich so?
In den letzten Wochen diskutiere ich diese Beobachtung häufig mit Leuten aus Deutschland. Der Punkt erweckt Argwohn! Verdacht. Skepsis. Sind wir offen für „starke Leiter“, frage ich mich? Dürfen Führungskräfte „starke Persönlichkeiten“ sein? Oder wird man in Deutschland schnell „einen Kopf kürzer“ gemacht, wenn man aus der Menge herausragt? Haben wir ein Trauma mit Leitern? Denken wir in Extremen? Entweder „ganz dafür, blind hinterher“ oder sehr skeptisch „zurückhaltend bis kritisch“?
Was ist eigentlich unser Problem mit starken Leitern?
- ANGST – unsere Geschichte hat sie tief eingeprägt?
- NEID – ich bin kein starker Leiter, andere dürfen daher auch nicht stark werden!
- REBELLION – Ich will keinen starken Leiter, ich will selbst bestimmen!
- SCHLECHTE ERFAHRUNGEN – Starke Leiter richten auf Dauer Schaden an. Sie benutzen Menschen für ihre eigenen Zwecke. Starkult.
- EGOISMUS – Starke Leiter fordern heraus, sie nerven … Ich will ein gutes Privatleben, meinen Lebensplan verwirklichen, Sonntag ermutigt und „belassen“ werden, nicht herausgefordert!
- …
Häufiger begegnet mir aber auch die offene Rückfrage, was ein „starker Leiter“ aus meiner Sicht ist? Bevor ich darauf eingehe, schildere ich noch eine interessante Beobachtung:
Starke Leiter sind nicht gleich dominante Leiter!
Ich begegne in den Gemeinden starken Leitern, die zum Teil auch dominante Leiter sind. Ganz klar. Sie geben den Ton an, alle folgen ihnen und wer das nicht will, für den ist es vermutlich nicht so toll. Ein Leiter ist sicher keine Person, der es allen recht machen kann, der nur Zustimmung bekommt. Und es gibt auch Situationen und Phasen, in denen eine dominante Leitung durch eine Person nötig ist! Sonst dominiert das Diktat der Mehrheit. Das kann es ja auch nicht sein.
Aber die starken Leiter, denen ich auf der Reise begegne, sind nicht unbedingt dominant. Sie dominieren nicht ihr Umfeld. Sie leiten stark, während sie auf andere Leiter im Team und darüber hinaus hören. Sie unterstützen ihre Kollegen. Loben, fördern, feiern die Erfolge der Mitleiter. Ihr Team? Leute mit Profil! Oft arbeiten sie schon lange zusammen. Ihre Dynamik als „Lead Pastor“ wird gerade im Team von mehreren starken Leitern entfaltet. Sie ergänzen sich. Respektieren sich. Wertschätzen einander. Und drücken das gerne öffentlich aus, was eine gute Atmosphäre schafft. Sie kennen ihre Rollen und füllen sie eindeutig aus. Auch der Gesamtleiter. Er bleibt ein starker Leiter, unterwegs mit anderen starken Leitern. Jeder mit seinem Schwerpunkt. Den Gemeinden tut das gut. Ich meine, dass dieser Punkt eine wichtige Rolle in der Entfaltung des „Momentums“ spielt.
Was meinst du mit „starken Leiter“?
Ich spreche hier von Leitern, die in der Gesamtleitung einer Gemeinde die Hauptverantwortung tragen:
STARKE LEITER
- Leiter, die in ihrem Charakter viel von Galater 5,22 spiegeln.
- Leiter, die eine Vision leben und weitergeben, die Begeisterung in ihnen und anderen auslöst.
- Leiter, die effektiv für Klarheit in ihrem Umfeld sorgen.
- Leiter, die die Sach- und Sozialkonflikte angehen, für Lösungen und Klärungen arbeiten und diese in ihrem Umfeld auch einfordern.
- Leiter, die neue Leiter finden, fördern und freisetzen.
- Leiter, die Ziele mit ihrem Team erreichen.
SCHWACHE LEITER
- Leiter, die charakterlich Defizite im Blick auf Galater 5,22 dauerhaft tolerieren.
- Leiter, die wenig Vision haben und kaum begeistert sind und Begeisterung auslösen.
- Leiter, die Unklarheiten mehrheitlich bestehen lassen. Vermeider.
- Leiter, die Konflikte auf die lange Bank schieben, ausweichen, aussitzen …
- Leiter, die wenig fördern, vieles (wenn vielleicht auch gut!) selbst machen.
- Leiter, die selten zu Zielen kommen.
Wenn mehrere Punkte der Liste zutreffen ist schon die Frage zu stellen, was für eine Art von Leitung wir erleben. Relevante Gemeinden, die Einfluss nehmen können, werden auf alle Fälle von Leuten geleitet, die – meist – nichtdominant aber doch stark sind!
FAZIT: Keine relevante Gemeinde ohne eine starke Leitung mit einem starken Leiter in einem starken Team, der manchmal dominant sein muss, aber nicht immer. Immer aber stark!
Vorschau: Im nächsten Teil werde ich die Beobachtung im Blick auf die Größe einer relevanten Gemeinde vorstellen. Wie klein muss sie sein, um effektiv zu wirken? Wie groß darf sie sein, um dem Wesen der Gemeinde noch gerecht zu werden …?
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