
Worauf kommt es an?
Worauf kommt es an, wenn jemand eine Rolle von Verantwortung, Führung oder Leitung anstrebt! Talent? Intelligenz? Bildung? Fähigkeiten? Erfahrung? Vitamin „B“ – also die „richtigen“ Beziehungen? Oder doch Persönlichkeit, Charisma und eine Erfolgsvita? Emotionale Intelligenz (EQ), Soft Skills, Teamfähigkeit?
Der »Dreh- und Angelpunkt«
Mein Charakter ist der »Dreh- und Angelpunkt«! Charakter ist die Trumpfkarte, die alles aussticht. Darin verborgen sind Aspekte wie meine Werte, meine Integrität, Loyalität und letztlich meine Identität.
Natürlich ist die notwendige Kompetenz für die Führungsaufgabe damit nicht aufgehoben, ich muss schon können, was notwendig ist. Aber es besteht die ernsthafte Gefahr, dass das Potential einen weiter bringt, als der Charakter es tragen kann. Und dann haben wir den Schaden. In der nächsten Episode (Episode 10) gehen wir tiefer darauf ein. Charakter also! Was bedeutet Charakter eigentlich?
Charakter [griechisch, „Gepräge, Merkmale“]
„Charakter ist, was ein Mensch im Dunkeln ist.“ D.-L. Moody
Der Schuhverkäufer und Weltevangelist des 19. Jahrhunderts bringt es auf den Punkt. Moody hat recht. Heute fragt man: wer bist du, wenn dich niemand sieht. Vor dem Computer, in der Niederlage, im Erfolg, in vertrauter Runde … Wer sind wir, wenn nur einer im Zuschauerraum sitzt, in der »Audience of One«.
Einschub: Für mich als Christ heißt das: wer bin ich, wenn nur Gott mich sieht? Nebenbei: er sieht mich durch die Augen von Jesus Christus. Das sind Augen der Liebe, Gnade, Vergebung und Ermutigung zur Integrität oder biblisch formuliert: der Ermutigung zur Heiligkeit. Heiligkeit ist der Lebensraum, in dem wir uns „artgerecht“ entfalten. Wie ein Fisch das Wasser braucht, so braucht der Mensch den Lebensraum der Heiligkeit, um wirklich Mensch zu sein. Einschub Ende.
Mein Charakter entscheidet über meine Leitung
Wir leben in einer Welt, die nach Kompetenz lechzt. Nach Menschen, die Top-Leistung bringen, die auf dem ersten Platz landen. Silber ist gerade noch o.k., Bronze – naja. Der vierte Platz ist eine Verliererposition. Auch in der christlichen Führungsidee lauert diese Gefahr nach „höher, besser, weiter, größer, erfolgreicher …“. Dazu hatte ich hier ein paar Worte verloren.
Kompetenz sticht Charakter aus. Das ist ein fataler Fehler, der häufig passiert. Auch in der christlichen Gemeinschaft! Genau umgekehrt müsste es sein, aber ab und an stehen Organisationen so unter Zugzwang, dass sie diesen Kompromiss eingehen. Der Schaden wird oft erst später in ganzem Umfang sichtbar.
Unverzichtbar ist der Fokus auf den Charakter
Wenn ich mich als Führungskraft, als Leiterin u. Leiter richtig solide und stabil entwickeln will, mein anvertrautes Potential auf guten Boden stellen will, dann habe ich folgenden Gedanken ganz tief in mich aufzunehmen:
“Because leading is a reflection of who you are, you lead from the inside out!” Dave Kraft
Daher fokussiere ich mich als Führungskraft primär darauf, dass sich die PERSON des LEITENDEN entwickelt, und zwar auf zwei Ebenen, die auch als Reihenfolge zu verstehen sind: Nach innen (Charakter, geistliches Leben …) wie nach außen (Fähigkeiten, Wissen, Erfahrung, Methoden, Techniken …). Nicht nur die eine, oder die andere Seite. Aber Prio hat der Charakter!
Am „Ende des Tages” wird die Führungskraft aber nur so führen können, wie sie als Person in Wahrheit ist! Von innen nach außen. Mein AUSSEN ist immer eine Reflexion meines INNEN auf der Langstrecke. Wir fragen also: Wie sieht es in mir innen aus? Wir fragen:
Wer werde ich?
Wir fragen nicht in erster Linie:
Was leiste ich?
Hier kann es schnell heuchlerisch werden. Wir sagen zwar, dass der Fokus auf innen liegt, aber die Bühne, den Einfluss … bekommen die Performer. Die Leute, die Leistung bringen. Wenn die Leistung mit dem INNEN zusammenpasst, ist alles gut. Die Helden der Bibel haben – bei aller Unzulänglichkeit und Gebrochenheit – letztlich auch „geleistet“. Die Patriarchen, Josef, Mose, David … die Apostel … Das eigentliche Problem entsteht dann, wenn das AUSSEN nicht zum INNEN passt.
Und das wird sichtbar. Immer. Wie die nette Illustration von Markus Brandl zeigt, die ich zum Leitbild für den Leiterblog vor über einem Jahrzehnt ausgewählt habe.

Illustration Markus Brandl: Nashorn! – Talmud Zitat.
Erste Lebenshälfte – zweite Lebenshälfte
Von John Ortberg hörte ich diese Idee, dass wir in der ersten Lebenshälfte von der Frage angetrieben werden, was wir zustande bringen, leisten. Doch in der zweiten Lebenshälfte rückt die Frage immer mehr in den Vordergrund, wer wir werden.
Menschen werden sich an uns in der Form erinnern, wer wir waren. Nicht wirklich was wir alles geleistet haben. So geht es mir heute schon mit meinen Lehrern: ich erinnere mich kaum an einzelne Unterrichtsstunden, aber sehr deutlich an die Person des Lehrers. Und einige haben mich sehr geprägt, das Beste aus mir hervorgebracht. Ich bin ihnen bis heute dankbar.
An mich wird man sich auch nicht so erinnern, dass einzelne Predigten, Vorträge oder Blogposts in Erinnerung bleiben. Mehr eben an mich als Person insgesamt.
Die Beste Version von mir werden!
Und so schlägt Ortberg vor, dass wir es uns als Ziel setzen, die beste Version von uns zu werden, die möglich ist. Das hat er übrigens alles von Dallas Willard, dem begnadeten geistlichen Lehrer und Hochschulprofessor, der John Ortberg nachhaltig geprägt hat. Und damit sind wir wieder beim Charakter. Gepräge. Was uns tief geprägt hat und prägt.
Ein wesentlichere Aspekt der Charakterfrage
Ein wesentlichere Aspekt der Charakterfrage ist die Frage, wer wir werden wollen. Was unsere Werte sind. Wie wir mit unseren Verletzungen umgehen. Den Kränkungen, Zurückweisungen, Enttäuschungen …? Bleiben wir dabei integer, unverletzt? Verletzte Leiter verletzen wieder! Auch eine Frage des Charakters. Wie gehen wir mit denen um, die in uns investiert haben? Wie mit den Vätern und Müttern unseres Lebens, nicht nur den Leiblichen? Alles das, und vieles mehr, wirkt auf unseren Charakter.
Charakter ist Trumpf. Immer.
Und der Charakter wird am Ende alle Kompetenz, Kontakte, Beziehungen, Erfolge … ausstechen. Viele christliche Leiter, die als helle Sterne am Himmel standen, sind aus Charaktergründen zu Sternschnuppen geworden, verglüht. Möge der Gott der zweiten Chance, Jesus Christus, jedem aufhelfen. Aber es wird nur über diesen Weg des integren, wertegetragenene … Charakters gehen. Mehr dazu in der nächsten Episode.
Halten wir also fest:
Wer ich werde, ist entscheidender als das, was ich leiste. Am Ende zählt: wer bin ich geworden? Ich will einen starken Charakter entwickeln, den kein Erfolg, aber auch keine Niederlage, keine Kränkung und keine Zurückweisung … je korrumpieren kann!
Wie geht es deinem Charakter?
Hier findest du ein Arbeitsblatt, mit dem du das reflektieren kannst. Die kleine Checkliste für dich, für dein Reflektieren mit deinem Coach, dein Team …, hier als PDF.
Einfach auf das Icon klicken …

Hier geht es zum Video & Audio der Episode 09.
Hintergrund zur Vertiefung
Charakter
[ka-; der; griechisch, „Gepräge, Merkmale“]
die „seelisch-geistige Eigenart des Menschen“ (H. Rohracher); im Mittelalter Character sacramentalis, durch die Sakramente der Seele eingeprägtes Zeichen. Schon bei Theophrast ist Charakter Inbegriff der typischen Merkmale eines Menschen (z. B. der Aufschneider, der Feigling), ebenso bei J. de La Bruyère, dessen „Caractères“ (1688) darüber hinaus den Charakter der Zeit, der Geschlechter, der Stadt, des Hofes u. Ä. beschreiben. Von diesem deskriptiven Charakterbegriff ist der normative zu unterscheiden: Charakter als durch Erziehung und Selbsterziehung gebildete „Gestalt des Willens“ (J. F. Herbart). Hierauf beziehen sich Ausdrücke wie Charakterstärke, Charakterschwäche, Charakterlosigkeit.
Die Unterscheidung von angeborenem (Erbbedingtem) und erworbenem Charakter ist für die psychologische Charakterforschung unentbehrlich, wobei der angeborene Charakter nach der älteren Auffassung mit dem Temperament zusammenfällt.
Die wissenschaftliche Problematik des Charakterbegriffs liegt in der Durchkreuzung biologischer, psychologischer, soziologischer und geisteswissenschaftlicher Bestimmungen, die zu einer Fülle von einander entgegengesetzten Charakterbegriffen geführt hat. Der Charakter gilt heute mehr als Gesamtheit wiederkehrender psychischer Verlaufsgestalten (Dynamik), und der Begriff wird meist abgelöst durch den der Persönlichkeit, der zusätzlich die spezifischen Wirkungen der Umwelt auf das Individuum umfasst.
Quelle: http://www.wissen.de

Hallo Lothar
Ganz herzlichen Dank für das tolle Kapitel.
Ich habe viel über Josef nachgedacht und finde das er ein super Beispiel ist für dieses Kapitel (siehe Anhang).
Ist es ok so etwas/so viel zu posten? Oder führt das eher vom Thema weg?
Nochmals herzlichen Dank für Deinen Einsatz
Liebe Grüße & Shalom Oliver
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Ich denke, dass eher Kommentare direkt zum Post hier Sinn machen. Man könnte definitiv so viel mehr dazu sagen, gerade anhand von Josef. Stefan Jung hat das z. B. mit einem ganzen Buch großartig gemacht. https://der-leiterblog.de/2024/02/05/mein-resilientes-immunsystem/