Energiegeladen leiten! Einige Überlegungen …

fightEin Buch hat mich mehr gepackt, als die anderen guten Bücher, die ich in den letzten Monaten gelesen habe. So viele Kernsätze, die ich in meiner Zitatensammlung einspeichere, weil sie einfach so treffend sind. Das hatte ich schon ganz lange nicht mehr bei einem Buch. Aber ich muss es gleich sagen: der Titel hat mich nicht abgeholt. Das Vokabular, mit dem Erwin McManus am Start ist, ist für mich nicht unproblematisch. Kämpfen. Krieg. Krieger.

Obwohl ich viele Kämpfe in meinem Leben kämpfen muss. Auch und gerade als Führungskraft. Schon richtig. Bis zum Schluss kann ich mich daran nur schwer gewöhnen. Dennoch will ich es empfehlen. Warum? Weil die Inhalte, wenn die Verpackung entfernt wird, einfach zu gut sind. Übrigens: Inhaltlich setzt der Autor dann den entgegengesetzten Akzent zu dem, was die Vokabeln erwarten lassen. Mein Tipp für den Sommer! Für Dich, lieber Verantwortlicher! Unbedingt. Als ein Vorgeschmack kommt hier ein Auszug zur Frage, wie Führungskräfte energiegeladen ihrer Leitungsaufgaben nachkommen können? Los geht’s:

Dein ganzes Potenzial in einem Dornröschenschlaf?

Ich weiß nicht, was dein Herz in Flammen stehen lässt. Ich weiß aber, dass dein ganzes Potenzial in dir einen Dornröschenschlaf schläft, bis du es brennen lässt. Mich hat es immer beunruhigt, dass Menschen einfach so leben können, ohne ihre Leidenschaft zu entfachen. In den vielen Jahren, in denen ich mit Führungskräften zusammengearbeitet und potenzielle Führungskräfte beraten habe, ist mir klar geworden, dass nicht alle Menschen denselben Grad an Energie haben. Mir ist ebenfalls klar geworden, dass selbst im eigenen Leben die Energielevel schwanken, die du spürst oder auf die du zurückgreifen kannst, um die Herausforderungen und Krisen des Lebens zu meistern.

Vor ein paar Jahren war ich rund zwei Wochen lang unterwegs gewesen und nun den ersten Abend wieder zu Hause. Ich kam rein, sagte „Hallo“, und meine Frau Kim meinte nur: „Bringst du gleich den Müll raus?“ Nach Jahrzehnten der Ehe hätte ich begreifen können, dass sie damit eigentlich sagen wollte: Ich bin so froh, dass du wieder da bist. Ich liebe dich, und du könntest mir gerade unendlich viel helfen, mehr als ich mit Worten sagen kann. Denn das sagte sie für den, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht, als sie sagte: „Bringst du gleich den Müll raus?“

Ich bin unendlich müde …

Ich reagierte darauf unter meinem üblichen Niveau. Ich sah sie an, enttäuscht und erschöpft von meiner langen Reise, und meinte nur: „Ich bin gerade hereingekommen. Ich bin so unendlich müde. Darf ich mich nicht einmal kurz ausruhen?“ Sie fühlte sich sofort ganz schrecklich und sagte: „Natürlich, tut mir leid. Setz dich hin, komm zu Atem.“

Ich reagierte darauf unter meinem üblichen Niveau.

Nach ein paar Minuten rief einer meiner Kumpel an. Er meinte, er sei in der Sporthalle, die anderen Jungs wären auch gleich da und ob ich mitspielen wollte. Mir wurde augenblicklich klar, dass ich in einer prekären Lage war. Also sagte ich: „Ich melde mich gleich bei dir. Ich muss erst noch Kim fragen, ob das für sie in Ordnung ist.“ Hier muss ich etwas einfügen: Ich muss meine Frau nicht um Erlaubnis fragen, wenn ich Basketball spielen will – aber ich mache es lieber, damit mein Leben glücklich und lang und schön ist.

Ich erinnere mich, wie ich vorsichtig in Kims Richtung ging. Ich glaube, sie kochte gerade. „Schatz“, sagte ich, „ich frage mich gerade, ob ich mit meinen Kumpels Basketball spielen kann, nachdem ich den Müll rausgebracht habe.“ Ich sah Feuer in ihren Augen.

„Oh nein“, meinte sie, „das kann ich nicht zulassen. Du bist so kaputt. Du bist viel zu erschöpft für Basketball. Du hast ja nicht einmal die Energie dafür, den Müll rauszubringen. Bleib einfach sitzen und ruh dich aus.

Ausgelaugt oder energiegeladen?

Ich kann nicht erklären, was geschah. Ich fühlte mich völlig ausgelaugt, als sie mich bat, den Müll rauszubringen, hatte aber urplötzlich Energie, und zwar genug Energie, um den Müll rauszubringen und Basketball zu spielen.

Du denkst sicher, dass ich mir die Rosinen rauspickte, aber es war etwas anderes, einzigartiges. Was wir lieben, verleiht uns Kraft, was wir ungern tun, kostet uns Kraft. Das geht weitaus tiefer als der Konflikt zwischen Müll rausbringen und Basketball. Jeden einzelnen Tag deines Lebens entscheidest du dich, ob du dich den Dingen widmest, die dir Kraft verleihen, oder ob du dich dem widmest, was dich Kraft kostet.

In den fast dreißig Jahren, in denen wir in Los Angeles wohnen, mussten wir mit zahllosen Energiekrisen in Kalifornien klarkommen. Zwei Phasen, mit denen wir mittlerweile vertraut sind, sind Spannungsabfall und Stromausfall. Bei der ersten Variante steht Energie nur eingeschränkt zur Verfügung. Bei der zweiten fällt der Strom zeitweise ganz aus. In diesen Momenten werden wir daran erinnert, dass man mehr Energie verbrauchen kann, als tatsächlich zur Verfügung steht. Wir haben etwas Ähnliches in Beirut erlebt, wo der Strom allerdings unangekündigt und oft im falschen Augenblick ausfiel.

Jeden Tag treffen wir Entscheidungen, die Energie sparen, Energie verleihen, Energie verbrauchen und Energie neu aufladen.

Wenn wir nicht aufpassen, dann erleben wir dasselbe Phänomen in unserem eigenen Leben. Jeden Tag treffen wir Entscheidungen, die Energie sparen, Energie verleihen, Energie verbrauchen und Energie neu aufladen. Selbst wenn dir dein Leben Kraft verleiht, laugt es dich trotzdem aus. Das, was uns Kraft verleiht, kann uns auch erschöpfen.

Es kostet Kraft – es gibt Kraft!

Das sind keine genauen Gegensätze. Die Sachen, die dir Kraft verleihen, kosten dich auch Kraft. Aber sie kosten nicht nur, du kriegst auch etwas zurück. Das, was dich am meisten energetisiert, kostet dich oft auch am meisten Kraft. Es können die schwierigsten Sachen sein, die du überhaupt machst. Es kann sich um die größten Herausforderungen deines Lebens handeln. Verleihen sie dir aber Kraft, dann empfindest du keinen Energieverlust, denn was immer sie dich kosten, du kriegst mehr dafür zurück.

Wenn du merkst, dass du Projekte oder Verantwortungen übernommen hast, die in dir keine Leidenschaft wecken, dann musst du einen Weg finden, wie du die Energie, die du dafür brauchst, wieder nachfüllst.

Ich liebe es, Basketball zu spielen, und ich kann sagen, dass mir das wirklich Kraft verleiht. Es laugt mich gleichzeitig völlig aus und lässt mich kraftlos zurück. Ich liebe es, Bücher zu schreiben. Ich bin stets voller Power, wenn ich mich an ein neues Projekt mache, und am Ende bin ich aufgekratzt und völlig erschöpft. Als meine Kinder fünf und acht Jahre alt waren, waren sie die süßesten Geschöpfe der ganzen Welt. Nichts bereitete mir größere Freude, als Zeit mit ihnen zu verbringen und ihre schier unerschöpfliche Kraft zu genießen. Aber sie laugten mich auch aus. Und es ist wohl kaum falsch, wenn ich sage, dass das Elternsein der anstrengendste Job der Welt ist.

Nur weil du etwas liebst, muss es nicht ohne Kosten sein. Tatsächlich kann das Gegenteil zutreffen. Ein Projekt kann so zur Leidenschaft werden, dass du alle deine Kraft hineinsteckst. Der Unterschied zwischen den Sachen, die uns Kraft verleihen und die uns Kraft kosten, und denen, die uns unsere Kraft rauben, ist der, dass Erstere eine Folge kreativer Prozesse sind und die anderen einfach nur Kraft fressen, ohne uns im Gegenzug etwas zu geben.

Nur weil du etwas liebst, muss es nicht ohne Kosten sein.

Wenn ich meine Buchhaltung mache, gibt es dabei nichts, was mir Kraft verleiht. Wenn ich mit einem Angestellten rede, der suboptimale Leistung bringt, dann zieht das Kraft aus mir raus. Sorgen rauben dir deine Energie, Furcht raubt dir deine Energie, Wut raubt dir deine Energie. Sie alle erzeugen in ihrer ureigenen Weise negative Energie. Es sind schwarze Löcher, die die gesamte Energie in deiner Seele auffressen. Selbst eine offensichtlich gute Sache kann dir deine Energie rauben, wenn du dich damit nicht beschäftigen solltest. Auf jeden Fall wird ein sinnloses Leben oder eine Arbeit, die du als bedeutungslos empfindest, dir all die Energie rauben, die du zum Leben brauchst.

Falsche Gewohnheit entwickelt?

Einige von uns haben sich daran gewöhnt, mit Stromausfällen klar zu kommen. Wir schleppen uns mit Energiemangel zur Arbeit und leben nur noch für das Wochenende, wo wir endlich machen können, was unsere Leidenschaft entfacht. „Endlich Wochenende!“ sollte kein Grund zum Feiern sein. Es ist eine Tragödie. „Gott sei dank ist Freitag!“? Ist es nicht eine Schande, dass wir fünf Tage lang aus dem Leben auschecken, um nur an zwei Tagen zu leben?

Wenn du merkst, dass du Projekte oder Verantwortungen übernommen hast, die in dir keine Leidenschaft wecken, dann musst du einen Weg finden, wie du die Energie, die du dafür brauchst, wieder nachfüllst. Ironischerweise ist das auch der Grund, weshalb du deine Schlachten sehr sorgfältig auswählen musst. Kämpfst du eine Schlacht, die für dich ohne Bedeutung ist, dann raubst du dir Stärke. Der Krieger findet seine Stärke, weil er nur die Schlachten ausficht, auf die es ankommt.

Auszug mit freundlicher Genehmigung des Herder Verlages. Zwischenüberschriften habe ich eingefügt.

ERWIN RAPHAEL MCMANUS
„Der Weg des Kriegers.“
Herder Verlag, 270 Seiten
22,00 € | eBook 16,99 €

 

Fotos, Cover … HERDER, Mosaic Community, Los Angeles

 

Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
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Eine Antwort zu Energiegeladen leiten! Einige Überlegungen …

  1. Ingo Scharwächter schreibt:

    Danke für den Lese- oder in meinem Fall Hör-Tipp, lieber Lothar. Ich glaube, die Kampfsprache hätte mich auch abgeschreckt, aber nach dem ersten Rein-Lesen hier werde ich mir das englische Hörbuch auf jeden Fall runterladen!

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