Was sind wir doch für naive, rückständige und enge Typen …

… die bei kleinsten Anlässen den Weltuntergang ankündigen?

UPDATE 09. November 2024

Jetzt, mit drei Monaten Abstand, bietet eine der prominentesten Stimmen des weltweiten Christentums zu Menschenrechten, Thomas Paul Schirrmacher, eine Analyse an, um uns zu helfen, in Zukunft auf ähnliche Situationen überzeugend zu reagieren und Argumente zu entkräften, dass Kunstfreiheit solche Darbietungen rechtfertigt. Eine großartige Reflexion, wie ich finde.

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Die Alarmanlage zu fein eingestellt?

Und nun die Eröffnungskunst zu Olympia. Da reagiert die konservative, verbohrte und ewig gestrige Community von Christen wie eine Alarmanlage, die zu fein eingestellt ist, oder? Da sieht diese Community reflexartig in einer künstlerischen Szene eine fragwürdige Anlehnung an „Das letzte Abendmahl“ von Da Vinci. Wo es doch gerade nicht eine Anlehnung an diese Szene sein soll. Diese weltberühmte Szene, die nur einen flüchtigen Blick braucht, um erkannt zu werden?

Oder hat der Regisseur Thomas Jolly diese Szene nicht doch in die Inszenierung „reingemogelt“? Für ihn ist „Provokation“ eine Kernidee der gesamten Inszenierung zur Eröffnung des großen Sportfestes. Nun, viele Qualitätsmedien rund um den Globus sahen die Szene in der Inszenierung schon so. Auch unzählige andere Beobachter, Fromme, nicht Fromme, Leute anderer Glaubensüberzeugungen … wie auch Medien in der ganzen Bandbreite bis in den Boulevard. Der Druck wuchs. Ins Unermessliche. Zuerst berief sich der Regisseur auf die künstlerische Freiheit. Dann eilte sich Jolly nun zu versichern, dass „The Last Supper“ nicht zur Inspiration gehörte:

»Thomas Jolly, der selbst LGBTQ ist, sagt, er beabsichtigte, eine „heidnische Feier“ darzustellen. Die Organisatoren von Paris 2024 haben sich bei jedem entschuldigt, der beleidigt ist.« | Quelle: Outsports

Ein Schelm wer „Böses“ denkt.

Die weltbekannte Szene von Da Vinci, »nur zufällig« in der Inszenierung angedeutet? Eine Fehldeutung der Ewiggestrigen? Doch: Viele Leute, rund um den Globus, fühlen sich an Da Vinci erinnert, als sie die Szene sahen. Und ein Teil fassten es als einen künstlerischen Wink gegen die christliche Community auf!

Die lesbische Aktivistin Barbara Butch, die sich im Mittelpunkt der Szene befand, hat in ihrer eigenen Instagram-Story ein Foto der Szene mit einer Abbildung des Gemäldes von Leonardo da Vinci kombiniert. Drunter hatte die Französin geschrieben: „Oh Yes! Oh Yes! The new gay Testament!“ Mittlerweile sei der Post gelöscht. Hier das Bildschirmfoto davon:

Konservative unter Druck!

Schnell machte es die Runde: Alles nicht so wild! Geschenkt! Ihr Konservativen, stellt euch mal nicht so an. Ihr seid so eng, so naiv, so voller Hass gegen die queere Community. Ihr Orbans, Putins, … ihr konservative Evangelikale unter amerikanisch-nationalistischem Einfluss, entspannt euch mal.

Tja, und die „Feuer und Schwefel“ Kommentare mancher Leute aus der konservativen Community können einen schon sprachlos machen. Galater 6,7 wurde gerne zitiert.

Galater 6,7

Auch Wegbegleiter aus meiner eher konservativ-historischen Glaubens-Community zitierten mir gleich Galater 6,7. Klarer Fall, oder?

»Irrt euch nicht, Gott läßt sich nicht verspotten! Denn was ein Mensch sät, das wird er auch ernten.«

„Gott wird es euch heimzahlen. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Ihr werdet schon noch sehen, wo ihr landen werdet. …“ Nun, der zitierte Text ist aber an Christen gerichtet!!! Nicht an die Macher der Olympiaeröffnung, oder sonst an irgendwelche Leute, die ohne den christlichen Gott durch die Welt gehen.

An Christen ergeht also das Wort! Und zwar an die Frommen, die nicht durch den Geist Gottes leben, sondern aus der Quelle ihrer Selbstsucht (Fleisch). Die Folgen sind klar benannt im Kapitel des Briefes. „Werke des Fleisches“ vs. „Frucht des Geistes“. Und ja, von der Frucht des Geistes war nicht viel zu schmecken, in so manchem Kommentar rund um das Streitthema. Man konnte eher mehr von dem erspüren, was der Apostel Paulus unter die Werke des Fleisches zählt. Think about!

Unbeirrte Verteidiger …

Und meine Wegbegleiter aus der post-evangelikalen Community, der dekonstruktiven Szene, liberalen Fraktion … die fanden das alles, was in Paris gezeigt wurde, nicht so dramatisch. Eher die stereotype Reaktion der konservativen Community, die wieder einmal reflexartig reagiert, ohne verstanden zu haben. Etwas naiv, wie schon in anderen Themen. Entspannt euch mal … Und hey, Leute, der Regisseur hat jetzt doch klar gesagt: „Last Supper“ war kein Gedanke von mir. Damit ist doch alles klar. Echt jetzt Freunde?

Fragt ihr euch nicht, ob er jetzt seine „Provokation“ nicht versucht einzufrieden, nachdem die weltweite Reaktion einen unfassbaren Druck auf die Verantwortlichen, sicher auch auf ihn, gebracht hat? Sind die viele Leute, die sich unangenehm berührt fühlen, echt einfach nur zu empfindlich, zu eng, zu gestrig? Dass das alles nicht so gemeint ist, ihr Leute das mal wieder voll falsch versteht, durch eure enge Brille seht … Wer entscheidet das eigentlich?

Und ist die Parallele zu Da Vinci wirklich so einfach von der Hand zu weisen, wie ihr das gerne mir dieser Tage schreibt? Ist das nicht alles jetzt eine Frage der Interpretation … Da wird es schwierig! Schon klar: Wieso sollten Typen wie ich, das richtig empfinden und ihr falsch? Gute Frage. Aber auch umgekehrt darf gefragt werden: „Wieso solltet ihr mit eurer Interpretation richtig liegen, wir anderen falsch?“ Richtig schwierig, oder? Da kann vieles wohl nicht final geklärt werden. Wir brauchen einen anderen Ansatz.

What would Jesus do?

Was würde Jesus jetzt tun? Er würde seine Feinde lieben, den Kontakt zu ihnen suchen, alles investieren, damit sie sich angenommen wüssten und fühlten. Er würde (und hat (!) es getan) für sie sein Leben geben, damit auch die Künstler und Macher von Paris eine offene Tür bei ihm finden. Damit sie zurück nach Hause kommen könnten, zu Gott ihrem Schöpfer.

Und er würde ihnen die Wahrheit in Liebe sagen: Kehrt um. Glaubt an das Evangelium. Ihr seid nicht zuhause. Ihr seid in der Fremde. Aber: der Vater sitzt am Fenster. Er wartet auf euch. Und wenn ihr heimkommt, dann läuft er euch entgegen. Wird euch mit der schönsten, wertvollsten Kleidung bekleiden. Ein Fest, ein rauschendes Fest der Heimkehr, für euch ausrichten. Es macht ihm etwas aus, dass ihr nicht da seid, weit weg lebt, auch teilweise umherirrt. Er will nicht ohne euch sein. Er wartet. Seine Tür ist offen. Er wird euch empfangen. Wahrheit (Verlorenheit) und Liebe (offene Tür) sind sein Wesen.

Unser Herz!

Und wir Christen, die wir so großen Wert auf die historischen Überlieferungen unseren Glaubens legen, was sollte unser Herz bewegen? Unser Herz sollte von dem Herzen von Gott bestimmt werden. Diese Liebe von Gott sollte unsere „treibende Kraft“ und Motivation sein. Liebe zu allen Menschen, besonders zu denen, die weit weg sind von Zuhause. Der Vater freut sich nicht (sagt der Prophet Hesekiel), wenn ein Mensch, der getrennt von Gott lebt (Fachwort: Sünder), stirbt. Sondern er will das der Getrennte nach Hause findet, lebt und schließlich alles das, was trennte, weggenommen wird. Das ist Gottes Herz (Johannes 3,16 f). Das sollte unser Herz sein. Dafür leiten Christen, die in Rollen der Verantwortung stehen. An allen Stellen der Gesellschaft.

Wie wäre es …

… wenn säkulare Leute das über die christliche Community im Zuge der Provokationen von Paris sagen würden: „Was sind wir doch für naive, rückständige und enge Typen … aber so erstaunlich, wie sie lieben, sich kümmern, selbstlos dienen, freundlich bleiben, beten, am Fenster warten (wie der Vater) …“ Das wünsche ich mir für mich.

Der Leiterblog’ger.

DER LEITERPODCAST

Und hier ist der Beitrag als Episode auf meinem Podcast zu hören.

Johannes Hartl

Johannes hat eine Einordnung in einen größeren Gedankenzusammenhang vorgenommen. Richtig gut, wie er als Philosoph und Theologe die Eröffnungsfeier reflektiert und zeigt, warum die Provokationen nicht isoliert als Ausdruck künstlerischer Freiheit aufzufassen sind, sondern eine Symbolkraft haben, die besprochen werden muss. Er stellt gute Fragen und zeigt einen Zusammenhang auf, der nicht übergangen werden kann. Total anregend, klug und auf den Punkt. Danke Johannes!

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