Menschen verlassen den christlichen Glauben. Gerade noch ein engagierter, begeisterter Mitarbeiter, jetzt ein skeptischer Entkehrter? Mit Bekehrten können christliche Führungskräfte viel anfangen, aber Entkehrte? Das irritiert, verstört, stellt die eigene Position in Frage und deckt Seiten in unseren christlichen Gemeinden auf, die wir nicht mögen. Was tun? Ignorieren? Verteidigen? Angreifen? Ich schlage vor: Hinhören, verstehen, nachdenken, einlassen, Wege finden …
Drei Bücher haben in den letzten Monaten einen Wiederhall in der christlichen und säkularen Öffentlichkeit erhalten:
- Gott macht glücklich – und andere fromme Lügen, Markus Spieker, SCM Hänssler
- Ehrlich glauben – Warum Christen so leicht lügen, Ulrich Eggers, SCM Brockhaus
- Warum ich nicht mehr glaube – Wenn junge Erwachsene den Glauben verlieren, Tobias Faix, Martin Hofmann, Tobias Künkler
Haben wir den Mut uns den Fragen zu stellen?
Uns muss Verantwortliche schon nachdenklich machen, dass diese Fragestellungen so gefragt sind. Wir haben einen besondere Verantwortung und eine geniale Möglichkeit. Wir können nämlich Einfluss auf Gemeinden nehmen, damit es weniger „Entkehrte“ und mehr „Bekehrte“ gibt, indem wir ehrliche, gesunde und tragfähige Gemeinschaften fördern, die auch Zeiten des Zweifels, der Krise aushalten. Gemeinschaften, die „fromme Lügen“ entlarven und einen Lebensstil der Echtheit und Wahrheit (Leben im Licht) suchen.
Deshalb bespreche ich jetzt den Band „Warum ich nicht mehr Glaube“ und empfehle die Lektüre gerade Verantwortlichen, auch wenn sie weh tut.
Ein mutiges und ehrliches Buch
Ein mutiges und ehrliches Buch ist den drei Autoren gelungen, in dem sie genau hinsehen und hinhören, um Entkehrte zu Wort kommen lassen. Im Hintergrund steht die Studie des Instituts empirica für Jugendkultur und Religion (Marburg) die danach fragt, warum junge Leute nicht mehr glauben wollen oder können. Mit den ersten drei Kapiteln öffnet sich dem Leser ein oft schmerzhafter Blick auf eine Wirklichkeit, die in der christlichen Gemeinde vielfach ausgeblendet wird. Acht sorgsam ausgewählte Lebensgeschichten illustrieren vier Leitmotive, warum junge Erwachsene dem Glauben den Rücken kehren.
Verstehen, nicht gleich bewerten!
Als Pastor bin ich von den Geschichten betroffen und erschüttert aber weiß gleichzeitig, dass ich das unbedingt verstehen und nicht sofort bewerten muss. Nicht einfach. Und mir ist klar, dass unsere Gemeinden und Kirchen das verstehen lernen müssen. Wir haben keine Alternative! Dabei hilft das Buch vorwurfsfrei und konkret. Alleine deshalb gehört es in die Hand von Mitarbeitern, nicht nur im Jugend- und junge Erwachsenenteam.
Vorschläge für Gemeinden
Im vierten Kapitel wagen sich die Autoren an Vorschläge für die Ortsgemeinde. Dieser Abschnitt löst in mir viele Fragen und manche Anfragen aus, da die Vorschläge zu sehr von den Entkehrten und zu wenig vom Evangelium ausgehen. Oft muss ich daran denken, dass eine umfassende Verkündigung und Prägung durch das Evangelium allen Seiten helfen könnte. Sowohl den Menschen, die auf dem Weg sind Entkehrte zu werden als auch den Gemeinden!
Die Perspektive des Evangeliums
Denn das Evangelium spricht schonungslos die Defizite an, an denen Entkehrte sich wund reiben. Und es zeigt die Schönheit und Hoffnung auf, die Jesus im christlichen Glauben öffnet. Wir können ehrlich und befreit aufleben, ohne „ältere Brüder“ zu werden. Doch das ist eine große Not in unseren Gemeinden. Oft wird nur ein Teil des Evangeliums verkündigt und gelebt. Deshalb könnte dieser Ansatz aus meiner Sicht eine echte Perspektive bieten, die unbedingt in die zukünftigen Reflexionen über das Thema eingebracht werden sollte. Gerade durch das Evangelium bekommen wir die Möglichkeit uns mit unseren dunklen Seiten als auch mit unserem unfassbar geliebt sein gleichzeitig auseinanderzusetzen. Tim Keller ist eine Stimme in unseren Tagen, dem das sehr gut in seinen Büchern und Predigten gelingt. Sein umfassendes Buch zu so einer Gemeinde „Center Church“ ist gerade in Übersetzung und braucht unsere Unterstützung. Weitere Infos gibt es hier. Doch zurück zu „Warum …“:
Nachfolgeband?
Die drei Autoren sind zur Zeit im Lande unterwegs, um ihr Buch vorzustellen und zu diskutieren, nachdem es in kurzer Zeit schon eine zweite Auflage hat. Ein Nachfolgebuch, das sich mit ehrlichen und hoffnungsvollen Perspektiven für für Entkehrte und Bekehrte auseinandersetzt, ist angedacht.
Ich kann das Buch nur empfehlen. Wem das als Einstieg zu umfangreich ist, kann sich mit der Ausgabe von AUFATMEN zum Thema Entkehrung einen ersten Eindruck verschaffen.
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