Keiner ist vor ihnen gefeit, keiner gegen sie immun. Sie sollten uns nicht prägen. Auch kein blinder Fleck für uns sein. Und doch müssen wir uns mit ihnen rumschlagen, uns mit ihnen beschäftigen! Ich spreche von Verletzungen, Kränkungen, Ablehnungen …! Das sind die Wunden, die uns geschlagen wurden (und werden) und uns oft mehr beeinflussen, als uns lieb ist. Sie legen sich wie ein Schatten über uns und unterwandern alles, was wir tun. Und oft auch, wer wir als Personen werden. Was machen diese Wunden mit uns? Wer werden wir?
Werden wir zu verwundeten Verwundern? Oder zu verwundeten Vermeidern? Wie wäre es, wenn diese Wunden uns zu zu verwundeten Heilern machen würden? Aber der Reihe nach. Wie ist das mit diesen Verletzungen, Kränkungen und Wunden? Welche Schattenbilder tauchen auf, wenn uns diese Wunden prägen?
Kränkungen
Ganz besonders anfällig scheint unsere Seele für Kränkungen zu sein. Wie Elefanten brennen sich uns bestimmte Worte, Haltungen und Erfahrungen tief ein. Die Wunden, die durch Kränkungen entstehen, können sehr tief sein!
Wir erfahren Kränkungen auf dem Weg der Verantwortung
Jeder von uns wurde schon mal mit Worten verletzt. So eine Kränkung fühlt sich meist an wie eine Ohrfeige oder ein Stich ins Herz. Doch nicht jeder Mensch reagiert gleich. Respektiert zu werden, sein Gesicht nicht verlieren und seine Würde zu behalten sind tiefe Bedürfnisse, die dieser Tage auf politischer, wirtschaftlicher oder auch militärischer Ebene eine große Rolle spielen. Jeder und jede von uns, der oder die Führungsverantwortung übernimmt, wird mit Kränkungen zu tun bekommen.
Was verstehen wir unter einer Kränkung?
Eine Kränkung ist eine Verletzung eines Menschen in seiner Ehre, Würde, seinen Gefühlen und seiner Selbstachtung. Unsere eigenen Werte, für die wir stehen, sowie unser Selbstwert und unser Gerechtigkeitssinn, wird bei einer Kränkung berührt.
Kränkungen enttäuschen und können sich nachhaltig negativ auswirken. Zuweilen gehen wir auch mit uns selbst nicht gut um. Wir verpassen uns sozusagen selbst eine Ohrfeige: Stichwort: Selbstkränkung!
Kränkungen zugeben!
Im Gegensatz zu unseren körperlichen Verletzungen ist die Kränkung immer subjektiv und individuell. Manchmal wollen wir es selbst nicht wahrhaben, dass wir gekränkt wurden. Wir erleben das als Schwäche, als ein „Angriff“ auf unsere Souveränität. Ob wir gekränkt wurden, wissen wir als Person am besten, wenn wir eine gute Selbst- u. Fremdreflexion zulassen.
Als Verantwortliche scheint es schwierig für uns zu sein, unsere Kränkungen einzugestehen und unsere Wunden anzuschauen. Ich muss das für mich selbst so offen einräumen. Und ich habe es vielfach bei anderen Verantwortlichen in den letzten vier Jahrzehnten sehen können, die mit großen Einfluss in unseren Land gewirkt haben. Nicht nur in der christlichen Szene, aber auch. Wie viele Interviews, Artikel, Bücher, Hinterzimmergespräche … hätten sie/wir gerne später zurückgezogen, als der Ärger verraucht und die Wunde verheilt war?
Wie viel Kämpfe mit einer Spur der Verwüstung hätten vermieden werden können? Wie viele Opfer könnten heute noch „am Leben“ sein, in der Firma mitmachen, zu unserer Gemeinde kommen, zur Familie weiter gehören …, wenn da nicht DIESE KRÄNKUNG gewesen wäre. Oder besser: wenn wir Leiter, Väter, Chefs, Mitarbeiter … nicht so empfindlich, narzisstisch, selbstbezogen, minderwertig, machtversessen … gewesen wären?!
Aber wir wollten wer sein, auch mal eine Rolle spielen, beachtet werden, gehört, respektiert … Einen Moment mal Recht bekommen. Uns auch mal durchsetzen … Wir wollten es in den Momenten nicht sehen, die Emotionen hatten unseren Verstand vernebelt, verführt, betrogen. Das Porzellan zerbrach …
Der schmerzhafte Spiegelblick
Andere sehen unsere Kränkungen ab und an schneller. Sie finden nur schwer einen Weg, uns das zu spiegeln. Wir haben es verpasst eine Kultur zu bauen, in der das auf gute Art möglich ist. In manchen Kirchen erreicht nur das Lob, die Unterstützung, die Bestätigung die Führungsebene. Alles andere ist nicht erwünscht. Sicher, es gibt auch nicht wenige Gemeinden, die kaum eine Wertschätzung, ein Lob … für Verantwortliche übrig haben. Beide Einseitigkeiten sind ungut. Schaden.
Für uns Leiter und Leiterinnen fokussiert diese Beitrag aber heute auf diese Selbstreflexion: Wie werden wir reagieren, wenn sie uns in den Spiegel vorhalten? Gerade dort, wo wir selbst Rollen mit Einfluss begleiten, es negativen Folgen haben könnte, wenn andere uns Feedbacks geben, die uns nicht passen …
Wie schnell ist man aussortiert. Im Krieg um die Ukraine heißt es, dass Putin Stimmen, die ihn in seinem Denken nicht bestätigen, aus seinem Umfeld entfernt hat. Man mag den Kopf im Unverständnis schütteln, aber vielleicht sollten wir das nicht zu schnell tun. Wie steht es bei den anderen Mächtigen der Völker? So anders? Wie sieht das bei Kirchenleitern aus, bei uns?
Hauptrollen für Gekränkte und Verwundete
Wie sehen Hauptrollen aus, in die wir schlüpfen, wenn wir uns um unsere Wunden nicht offen kümmern? Drei Hauptrollen stehen uns grundsätzlich zur Auswahl. Zwei davon sind nicht hilfreich für eine Führungskraft:
- Verwundete Verwunder
- Verwundete Vermeider
- Verwundete Heiler
Wir alle stehen – immer wieder neu – vor der Entscheidung, wer wir sein wollen: Verwunder, Vermeider oder Heiler? Wer wir sind und wer wir werden spielt „am Ende des Tages“ DIE ROLLE! Nicht was wir geleistet, erschaffen, aufgehäuft und hinterlassen haben. Wer wir geworden sind, das ist der entscheidende Punkt. Und der wirklich einflussreiche, prägende!!!
5 Schattenbilder legen sich über uns in diesen Rollen. Wir betrachten sie in den nächsten Beiträgen auf dem Leiterblog.
So ein extrem wichtiges Thema!
Wenn alle Pastoren und Geistlichen Leiter diesen Punkt „Selbst- und Fremdreflexion zulassen“ und wirklich angehen würden, gebe es praktisch keinen Nährboden mehr für Gemeindekrisen.
Wow, wieder ein klasse Artikel!
Hat mich über Situationen zum Nachdenken gebracht, in denen ich verletzt habe (und was ich vielleicht noch klären könnte) und wo ich verletzt wurde und mich in den Schmollwinkel zurückgezogen habe.
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