In Ergänzung zu meiner These, wer im Hintergrund des Krieges in der Ukraine die Strippen zieht, bringe ich hier noch ein paar weitere Versatzstücke. Damit ist die These immer noch unvollständig, schon klar. Aber ich möchte ja gängige Perspektiven ERGÄNZEN. Heute kommen zwei prominente Stimmen zu Wort:
Miroslav Volf, Professor an der Yale Divinity School und N.T. Wright, Professor und Senior Research Fellow an der Wycliffe Hall, haben sich interessante Gedanken zu Präsident Putin und seine Motive für den Krieg gemacht.
Was ist Putins Problem?
Viele bewegt diese Frage. Die Antworten sind sicher sehr vielschichtig. Dokumentationen in diesen Tagen zeigen die historische Sicht auf die Frage. Ambitionen, wie sie die Zaren in Russland verfolgten, spielen eine große Rolle. Aber auch religiöse Gründe werden ins Feld geführt: die Orthodoxe Kirche Moskauer Ausrichtung und die Einheit der Orthodoxen Kirche in der bekannten, oft unseligen Verbindung zwischen Altar und Thron, sind zu nennen.
Volf und Wright haben einen Aspekt miteinander besprochen, der durch Tim Keller, aber auch Luther, Calvin … als ein Grundproblem des Menschen ausgemacht wurde: der Götzendienst. Hier ein Auszug vom Twitter Account von Miroslav Volf:
Ein tiefsitzender Götzendienst!
Das ist mal ein Statement. Putin wird zu Hause sicher kein goldenes Kalb stehen haben, das er anbetet. Was ist nun ein Götze? Einen Götzen erkennt man daran, dass einem das Leben ohne ihn sinnlos vorkäme, schreibt Keller. Das kann alles Mögliche sein: Reichtum, Erfolg, Anerkennung, der Ehepartner, Macht, die eigene politische Überzeugung etc.
Ein Götze ist „die bewusste Überzeugung, dass man etwas Bestimmtes haben muss, um glücklich sein zu können, etwas das wichtiger ist als Gott.“ Wir Menschen würden pausenlos neue Götzen kreieren. Unsere Herzen sind, wie jedes menschliche Herz, eine Götzenfabrik – so der Schweizer Reformator Johannes Calvin.
Götzen nehmen den Platz in unserem Leben ein, den nur Gott einnehmen soll. Sie werden zu unseren Herren, wir zu ihren Dienern. Unser Leben dreht sich immer um etwas. Und diesen Götzen opfern wir. Unsere Gesundheit, manchmal Freundschaften, ab und an unsere Integrität, Geld, Zeit, Kraft …
Volf und Wright sehen den Götzendienst von Putin als Ursache. Als treibende Kraft die ihn dazu bringt, unfassbare Opfer in Kauf zu nehmen. Wer diese Dimension des Herzens, der verborgenen, der inneren, der geistlichen Welt ausklammert, greift in seinen Analysen zu kurz.
Der Apostel Jakobus reflektiert Kriege …
»Woher [kommen] Kriege und woher Streitigkeiten unter euch? Nicht daher: Aus euren Lüsten, die in euren Gliedern streiten? 2 Ihr begehrt und habt nichts; ihr tötet und neidet und könnt nichts erlangen; ihr streitet und führt Krieg. Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet; 3 ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden. 4 Ihr Ehebrecherinnen, wißt ihr nicht, daß die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes.« | Jakobus 4:1-4 (ELB85)
Wobei zu beachten ist, dass in diesem Zusammenhang der Begriff „Welt“ einen Lebensstil meint, der Gott als Herrn ausklammert. Etwas anderes ist „Gott“ für die Menschen geworden, die Jakobus anspricht.
Aus dem Herzen kommen diese Gedanken, aus unserem tiefsten, eigenen Innern, sagt Jesus. Das, was sich in uns abspielt, in unseren Gedanken, Motiven, Gefühlen … spielt eine große Rolle. Deshalb macht es keinen Sinn, sich auf Äußerlichkeiten zu fixieren. Sie sind immer nur Auswirkungen, nicht Ursache. Ursache ist in uns, laut Jesus:
»Habt auch ihr noch immer nichts begriffen?«, erwiderte Jesus. 17 »Versteht ihr denn nicht, dass alles, was man durch den Mund in sich aufnimmt, in den Magen gelangt und dann wieder ausgeschieden wird? 18 Was jedoch aus dem Mund herauskommt, kommt aus dem Herzen, und diese Dinge sind es, die den Menschen unrein machen. 19 Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Aussagen, Verleumdungen. 20 Das ist es, was den Menschen ´in Gottes Augen` unrein macht; aber mit ungewaschenen Händen essen macht ihn nicht unrein.« | Matthäus 15:16-20 (NGÜ)
Und da macht die Perspektive, über die sich die beiden Professoren austauschen, durchaus Sinn. Als Christen schwirren wir jetzt nicht in krude Theorien ab, sondern nehmen die unsichtbare, geistliche Welt und Wirklichkeit wahr. Und wir reflektieren die Auswirkungen nüchtern und konkret.
Das bedeutet nach Jesus: »Ihr wisst, dass es heißt: ›Du sollst deine Mitmenschen lieben, und du sollst deine Feinde hassen.‹ Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, und betet für die, die euch verfolgen. Damit erweist ihr euch als Söhne eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen und lässt es regnen für Gerechte und Ungerechte.« | Matthäus 5:43-45 (NGÜ)
Wir handeln in einem anderen Geist. Werden zu Friedensstiftern, suchen den Dialog und engagieren uns für Geflüchtete. Wir kümmern uns, teilen von unserem Besitz und helfen, wo wir können. Das haben Christen schon immer getan! Gleichzeitig nennen Schuld, Ungerechtigkeit und Gewalt beim Namen und wissen, dass es einen finalen, gerechten Richter gibt und eine Gerichtsbarkeit in dieser Welt, die berechtigt ist.
BUCHTIPP: Miroslav Volf, der ein kroatischer evangelikal-anglikanischer Theologe ist, hat ein spannendes Buch zu diesen Fragen geschrieben. Bemerkenswert: Aufgrund seiner Erfahrungen im Kroatienkrieg hat er eine Theologie der Vergebung und Gewaltlosigkeit entwickelt.
Von der Ausgrenzung zur Umarmung
Versöhnendes Handeln als Ausdruck christlicher Identität. In einer Welt voller großer und kleiner Konflikte denkt Miroslav Volf über die großen Themen von Versöhnung, Wahrheit und Gerechtigkeit nach. Seine Frage ist weniger die, welche Strukturen nötig sind, um Frieden und Gerechtigkeit voranzubringen, sondern wie Christen ihre Identität neu bestimmen und so leben können, dass sie zu Agenten der Versöhnung zwischen Menschen werden.
Seine Antwort setzt beim Gleichnis vom verlorenen Sohn an und wird dann sorgfältig auf ganz verschiedene Konfliktsituationen angewandt. Volf bleibt dabei nicht in taktischem Pragmatismus stecken, sondern fragt weiter nach dem Wesen Gottes und dem Wirken des Heiligen Geistes in menschlichen Beziehungen. Wer im 21. Jahrhundert sein Christsein nicht auf das Private beschränken möchte, findet hier reichlich geistliche Inspiration und geistige Herausforderungen.
N.T. Wright meint zu dieser Arbeit von Volf: „„Von der Ausgrenzung zur Umarmung“ von Miroslav Volf ist ohne Zweifel das beste theologische Buch, das ich in den letzten 20 Jahren gelesen habe.«
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Hier noch ein Goodie für alle, die mehr von Volf u. Wright wollen:
Ein spannendes Gespräch …
Wie sieht die Zukunft der Kirche aus? Die beiden Professoren haben sich am Fuller Seminar in Pasadena, Kalifornien, darüber unterhalten. Das Gespräch hat Fuller nun online gestellt.
Miroslav Volf und N. T. Wright sprachen in einem Gespräch mit Mark Labberton über ihre Glaubenswege, das christliche Leben, den Zustand der Kirche und mehr. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war Miroslav Volf Gründungsdirektor des Yale Center for Faith and Culture und Henry B. Wright Professor für Systematische Theologie an der Yale Divinity School, und N. T. Wright war Forschungsprofessor für Neues Testament und frühes Christentum am St. Mary’s College der Universität St. Andrews.