Einfache Strukturen für unterschiedliche Gemeindegrößen?

 

„Welche Struktur fördert jetzt (!) die Entwicklung unserer Kirche? Welche Struktur passt zu uns? Welche Strukturen müssen wir für die Zukunft denken? Wann überfordern wir uns? Wann fördern uns Strukturen als Kirche?“ Diese Fragen kommen regelmäßig, wenn ich mit Verantwortlichen darüber spreche, wie eine Kirche in den Flow einer dynamischen Gemeindeentwicklung kommt.

Einfach leiten!

Wir wollen komplexes Wissen um die Frage der Führung für Kirchen so vereinfachen. Der konkrete Nutzen soll sich entfalten und unnötige Komplexität wegfallen. Da liegt die Frage nach den Strukturen auf der Hand. Diese Frage wird mir richtig, richtig oft gestellt!!!

Die Frage nach Profis, die ehrenamtlich mitmachen, ist angekündigt. Ich habe so viel Rückmeldungen und – wegen meinem Umzug – so wenig Zeit, dass es noch ein paar Wochen braucht, bis der Beitrag kommt. Ich bitte um Verständnis.

Sind Strukturen wirklich so wichtig?

Diese Rückfrage gehört zu den Klassikern! Ja und Nein ist meine Antwort. Ich stelle mir ein Segelboot vor: Ohne Wind kann das Boot noch so gut in Schuss sein! Jeder an Board mag um seine Aufgabe wissen und die ganze Crew ist großartig aufeinander eingespielt. Aber ohne Wind? Da helfen auch definierte Abläufe, klare Kompetenzen und konkrete Rollen nicht. Alles nutzlos, ohne Wind. Irgendwie! Obwohl man viel „zeigen“ kann.

Was ist aber, wenn der Wind perfekt bläst, aber die Crew keinen Plan hat. Wenn die klare Ordnung fehlt, es keine sinnvolle Strukturen und bewährte Routinen gibt? Dann kommt das Boot auch nicht in Fahrt. Kann sein eigentliches Potential nicht ausschöpfen. Was also ist wichtiger? Der Wind, oder Strukturen. Die Systeme, Regeln, Ordnungen …? Irgendwie ist die Frage so, als ob man fragt: welches Bein ist wichtiger? Das rechte oder das linke? Jeder merkt: das ist falsche Frage! So ist es auch mit dieser Frage!

Gott liebt Systeme!

Auch das muss man sagen: Gott liebt Systeme! Schauen wir den Menschen an:

  • Nervensystem.
  • Hormonsystem.
  • Herz-Kreislauf-System.
  • Atmungssystem.
  • Verdauungssystem.
  • Urogenitalsystem. Harnsystem. Geschlechtssystem.
  • Stütz- und Bewegungssystem. Skelett. Muskulatur.

In der Natur entdecken wir Systeme, im Kosmos … Ich meine: Gott hat Spaß an Systemen. Hab‘ da jetzt keine Bibelstelle zur Hand, bin aber dennoch der Meinung. Ist aber nicht sooo wichtig für den Beitrag jetzt.

Unterschiedliche Größen – unterschiedliche Strukturen

Je nach Größe und Perspektive der Entwicklung, sollten Verantwortliche einer Kirche in unterschiedlichen Systemen u. Strukturen denken können. Die „Werkzeugkiste“ gut gefüllt haben. Denn die Struktur muss zur Situation vor Ort passen. Aber auch zur Entwicklungsphase der Kirche und den Leuten, die Verantwortung übernehmen können und wollen.

Da ist die Schwäche, wenn man Systeme von Kirchen übernimmt, die in einer sehr anderen Kultur und Situation sind. Sie haben vielleicht eine andere Anzahl von Personen in ihrem Gemeindeleben, müssen daher viel mehr Angebote, Gebäude, Dienste … bereithalten.

Neue Ideen begeistern!

Man kann schon eine Zeit Begeisterung bei Leitern feststellen, wenn eine neue Idee kommt. Ich denke an die Zeit in den 90er Jahren, in der die Zellgemeinden hoch im Kurs standen. Dann auch die G12 Phase! Die Idee, dass wir Kirchen mit Kleingruppen von Kirchen aus Kleingruppen unterscheiden sollten. Das Willow Kirchenmodell mit Gästegottesdiensten hatte Konjunktur, seit einigen Jahren Megachurches und gleichzeitig werden die Stimmen lauter, die nach Microchurches rufen. Gerade jetzt in der Pandemie.

Heute sind manche Systeme und Strukturen die den Mainstream begeisterten, wieder in Vergessenheit geraten. Obwohl man – so denke ich – von allen Phasen und Ideen etwas lernen und mitnehmen kann. Aber was wäre, wenn wir Systeme und Strukturen wie Werkzeuge betrachten, die uns dabei unterstützen, das eigentliche zu tun? Das ist mein Blick auf die Frage!

Ein paar Vorschläge – zur Anregung

LEITUNGSSTRUKTUR | 20 – 100 Leute

In einer überschaubaren Kirche sind die Strukturen einfach. Es gibt nicht zu viele Mitarbeitende, etliche übernehmen mehrere Rollen und deshalb ist es sinnvoll, alles schlank zu halten. Die Wege der Kommunikation müssen einfach und kurz sein. Viele Leute der Kirche packen gemeinsam die Themen des Gemeindelebens an.

Oft ist kein vollzeitlich angestellter Leiter im Team. Das Leitungsteam setzt sich eher aus vielen engagierten Leuten der Kirche zusammen. Vielleicht gibt es noch ein kleines Leitungsteam, aber der Fokus liegt auf der Frage, wie viele in die Verantwortung eingebunden werden. So geschieht Identifikation, Teilhabe und Hingabe. Eine hohe Dynamik, Investition und Begeisterung prägt gerade die Anfangsphase. Top!

LEITUNGSSTRUKTUR | 100 – 250 Leute

Die Anforderung an die Leute, die Verantwortung tragen, wächst. Und an auch an die Struktur. Die gewachsene Komplexität und der Bedarf an Kommunikation, Verwaltungen … erfordert, dass die ersten Leute angestellt werden. Neben einem Pastor ggf. Leute für spezielle Dienste, Verwaltung, Medien, Musik …

Der genaue Bedarf hängt von der Zusammensetzung der konkreten Kirche ab. Wenn gute ehrenamtliche Fachleute da sind, die auch zeitliche Kapazitäten mitbringen, wird vieles ehrenamtlich abgedeckt. Ansonsten sind vielleicht geeignete Personen auf Minijobbasis zu gewinnen, oder in Teilzeit. Die wirtschaftlichen Grenzen machen Vollanstellungen oft nicht möglich, das Arbeitsvolumen vielleicht auch nicht sinnvoll.

Die Rolle der operativen Leitung gewinnt an Bedeutung. Leute, die sich sehr regelmäßig treffen und zeitliche Kapazitäten mitbringen, leiten das Tagesgeschehen der Kirche und unterstützen die ehrenamtlichen Leiter in den Bereichen und Gruppen.

Die Tendenz geht dahin, das wenige Leute mehr Leitungsverantwortung übernehmen und mehr Entscheidungskompetenz in die Bereiche delegiert wird. Die operative Leitung spielt dazu die entscheidende Rolle. Tim Keller erklärt diese Dynamik in seinem Klassiker zur Frage der Gemeindeleitung in wachsenden Kirche, den der Leiterblog hat übersetzen lassen. Hier ist er zu finden.

LEITUNGSSTRUKTUR | 250 – 750 Leute

Die Gesamtleitung der Gemeinde konzentriert sich noch stärker auf die geistliche-, visionäre- und strategische Leitung der Kirche. Die operative Leitung wird noch stärker von Leuten geleistet, die hauptberufliche Leiter sind. Sie haben die zeitliche Kapazität und die Führungskompetenz, die die Kirche mit ihren vielen ehrenamtlichen Mitarbeitenden jetzt braucht.

Das ist eine Wirklichkeit, die manchen ehrenamtlichen Leitern (Ältesten, Diakonen …) schwer fällt. Sie empfinden einen Verlust an Einfluss. Würden gerne mehr in den Details mitmischen. Das geht jetzt kaum noch. Vor allem macht es keinen Sinn. Bevollmächtigung ist der Schlüssel zum Wachstum. Die Top Leiter gehen voran, geben Einfluss ab und achten auf die Grundlinien, die Vision, die Werte, Gemeindekultur …

Die drei großen Teams (Operativ, Pastoral & Verwaltung) bilden weiter die Grundstruktur. Allerdings werden innerhalb der Teams Arbeitsgruppen gebildet, die Themen und Projekte fachlich als Stabsstellen entwickeln und die Bereiche der Gemeinde und ihre Leitenden unterstützen.

Voneinander zu wissen, miteinander im Gespräch zu sein, der gleichen gemeinsamen Vision zu folgen, ist eine der Herausforderungen in dieser Gemeindegröße.

Und weiter gilt: je größer die Kirche, je kleiner das Leitungsteam! Warum? Lies zur Vertiefung Keller! Weil die Komplexität der Gemeindearbeit eine Fachlichkeit fordert, die in Fachteams gebündelt wird, nicht mehr auf der obersten Leitungsebene. Faustformel: Die Gemeindeleitung entscheidet über deutlich weniger Punkte als in kleineren Kirchen. Sie arbeitet mehr dem Rahmen, die großen Linien, die Vision, Werte, Ziele, Kultur … der Kirche.

Je nach dem Anspruch der Herausforderung, in der sich die Kirche befindet, kann sie zeitlich befristete Projektteams, Fachgruppen, Stabsstellen … einrichten, um die Leitenden zu qualifizieren und so in die Lage versetzten, dass sie gute Entscheidungen zum Wohl der ganzen Kirche treffen.

LEITUNGSSTRUKTUR | Multi-Site: 2 – 3 Standorte

Die Grafik stammt aus dem Buch von Dave Ferguson, Exponential, S. 211. Dave hat viel zu dem Thema mit seinem Team gearbeitet und gilt als einer der Pioniere des Themas. Mehr zur ganzen organisatorischen und organischen Idee dieser Gemeindeform entfaltet er in seinem Buch Exponential. Es ist hier zu finden.

LEITUNGSSTRUKTUR | Multi-Site: 4 – ??? Standorte

Die Grafik stammt auch aus dem Buch von Dave Ferguson, Exponential, S. 212.

Grundsatz: mach es EINFACH!

Auch wenn angesagte Kirchen ähnliche Strukturen leben, lass dich nicht davon zu sehr beeindrucken. Lass dich inspirieren. Und dann schau, was für euch jetzt richtig ist. Was euch heute hilft. Und was ihr braucht, um den nächsten Schritt zu gehen und den übernächsten Schritt ins Visier zu nehmen.

Hier ist der Audio Podcast zum Beitrag

EINFACH LEITEN: Teil 1 | 2 | 3

Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
Dieser Beitrag wurde unter Die Werkzeuge des Leiters, Gemeindebau, Speziell für Pastoren abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Einfache Strukturen für unterschiedliche Gemeindegrößen?

  1. Christopher schreibt:

    Danke Lothar für deinen Blog. Ich lese diesen immer mit Gewinn.

    Du hast geschrieben:
    „Die Gemeindeleitung entscheidet über deutlich weniger Punkte als in kleineren Kirchen.“

    Ich kann dem nur zustimmen. Aber was würdest du tun, wenn die ehrenamlichen Gemeindeleitungsmitglieder die Kleinichkeiten nicht abgeben wollen?
    Bei uns sehe ich das; und Prozesse und Abläufe brauchen länger; Themen werden in der Leitung bis ins kleinste Detail diskutiert; Verantwortung abzugeben fällst den meisten schwer… auch das Ansprechen einer neuen Arbeitsweise verpufft dann im Alltagsgeschehen.

    würde mich freuen, wenn du da eine Antwort hättest 🙂

    LG
    Christopher

    • Lothar Krauss schreibt:

      Lieber Christoper, danke für Dein Feedback. Das ermutigt mich in der Arbeit mit dem Leiterblog.

      Deine Frage ist eine vielschichtige. Zunächst gilt es immer zu verstehen, was hinter dem Bedürfnis, die kleinsten Details zu diskutieren, steht und was der Kontext der Kirche und ihre Geschichte ist. Je nach Ursache, ist der Weg, das Thema anzugehen, zu wählen. Es ist ja ein großer Unterschied, ob jemand alles im Detail diskutieren möchte, weil …

      – … er oder sie sehr, sehr verantwortlich sich in der Leitungsrolle verhalten möchte!
      – … er oder sie ein Machtmensch ist, der alles wissen und entscheiden muss!
      – … er oder sie in der Leitungsrolle falsch ist, also überfordert und deshalb so eng agiert und nicht delegieren oder vertrauen möchte / kann …

      Und dann gibt es noch viele weitere Gründe, die in den handelnden Personen, den Strukturen, den Bildern von Kirche und Leitung, den Prägungen, Traditionen … liegen.

      Deshalb kann ich hier nicht konkret antworten. Ein Ansatzpunkt wäre vielleicht den Umstand einmal auf den Tisch zu bringen und gemeinsam zu überlegen, welche Konsequenzen dieser Ansatz mit sich bringt (Zeitaufwand, Geschwindigkeit, Frust bei anderen Mitarbeitenden …) und zu überlegen, ob man diesen „Preis“ dauerhaft so „weiter bezahlen“ will und was die langfristigen Folgen sind.

      Denn wenn man nicht da bleiben möchte, wo man gerade steht, wächst die Bereitschaft, Dinge zu verändern.

      Das mal als ein kleiner Impuls zur Frage, die ja eher in der Beratung zu klären ist. Lieben Gruß, Lothar

  2. Pingback: Eine einfache Strategie? | DER LEITERBLOG

Kommentare sind geschlossen.