Zwischenbericht: Kirche digital! | Teil 2

UPDATE 13. Mai: Die FeG Gevelsberg wollte es genau wissen. Sie haben eine Umfrage unter ihren Besuchern gemacht, die ich am Ende des Beitrages jetzt eingefügt habe.

UPDATE 11. Mai: Zum Bericht in idea Spektrum. Am Ende des Posts.

Hier kommt der zweite Teil meiner Umfrage, wie es Leitern und Gemeinden mit „Kirche digital“ geht. Im ersten Teil stand die Frage im Vordergrund, wie es euch Leitern in der Kirche selbst geht. Jetzt weitet dieser Beitrag den Blick. Einfach als eine Rückmeldung und Resonanzboden, um die eigenen Erfahrungen und Emotionen zu reflektieren. Eine qualitative und eine quantitative Umfrage bilden die Grundlage. Die Reflexion ist nicht als eine wissenschaftliche Arbeit aufzufassen, dazu müssten andere Kriterien der Statistik … angewandt werden. Ich mach den Leiterblog sozusagen als Hobby …

Aktive Kirchen?

Wir sprachen im ersten Teil davon, dass die Anfangseuphorie und Krisenenergie in ihrer Wirkung nun nachlassen. Das bezog sich auf Verantwortliche im Leben der Kirche. Großartig, was viele Leiter geleistet haben! Und weiter leisten. Und nicht nur sie!

  • Viele Leiter berichten, dass über 50% ihrer Gemeindeleute aktiv geblieben sind. Gegenseitigkeit. Zoom Treffen. Einkaufen. Telefonieren. Helfen. Für andere sorgen.
  • Der Draht reißt nicht ab: Aus vielen Rückmeldungen ist zu lesen, dass die Leute ihre Kirche vermissen, trotz aller wertvollen Angebote im Netz. Sie warten sehr darauf, dass es wieder zu echten Begegnungen kommt.
  • Leiter melden rück, dass sie immer noch richtig motiviert sind, diese „andere Phase“ von Kirche zu gestalten und mit ihren Leuten weiter anzugehen.
  • Einige sagen, dass der Draht zur Hälfte bis 2/3 der Leute, die sonst erreicht wurden, gerade nicht so lebendig ist. Das führt dazu, dass der Inhalt, der angeboten wird (Videos, Morgentreffen bei Insta …) hochgefahren wurde, aber immer noch nicht klar ist, ob diese Gruppen erreicht werden oder doch eher die, die auch sonst mit Engagement dabei sind.

Ja, ab ins Netz!

Leute finden in Rollen, die zuvor mehr am Rand standen. Die technische Herausforderung der Videoproduktion, Schnitt, Streaming, On Demand Videos … hat tolle Felder geöffnet. In manchen Kirchen haben junge Leute sich die Nächte um die Ohren geschlagen, um die Gottesdienste in guter Qualität ins Netz zu bringen. Es gibt natürlich auch nicht wenige Kirchen, in denen diese Arbeit am Hauptamtlichen hängen bleibt, weil es keine Alternative gibt. Sorge um Fragen des Datenschutzes hindert in manchen Kirchen die aktive Nutzung weiterer Möglichkeiten über das Internet.

Wertschätzung

Viele Verantwortliche erfahren Wertschätzung für die extra Schichten, die sie in diesen Wochen fahren. Dass sie sich der Herausforderungen stellen, fleißig sind, ihr bestes geben. Es wird gesehen und für wertvoll betrachtet. Einige Leute in den Kirchen haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Wertschätzung regelmäßig zum Ausdruck zu bringen. Ermutiger sein für die Verantwortlichen und die Mitarbeitenden. Eine tolle Einstellung.

Andere berichten davon, dass es als selbstverständlich genommen wird, dass die Verantwortlichen jetzt damit klar kommen. Ist ja ihre Aufgabe. Oder sie sind so mit sich beschäftigt, dass die Mitarbeitenden, die jetzt diesen Wandel gestalten, übersehen werden.

Loyal

Leute, die innerlich verbunden und mit den Leuten der Kirche auch sonst verbunden sind, fällt es leichter die Verbindung lebendig zu halten. Das Miteinander funktioniert über Beziehungen, Anteilnehmen und sich gegenseitig unterstützen. Die Leitung muss nicht viel an dieser Stelle investieren, die Kirche ist im „Selbstversorger-Modus“. Auch die finanzielle Verantwortung wird stabil getragen, einige Kirchen haben keine Einbrüche, einzelne Gemeinden sogar Steigerungen in den Spenden!

Gebet digital

Digital zu beten via Zoom ist offenbar nicht jedermanns und jederfraus Sache. Auch WhatsApp, Signal … Gruppen werden nicht so stark abgerufen, wie erhofft. Der Impuls, den es zum Gebet braucht, muss immer wieder medial über Videos, Motivationsmails, Nachrichten … gesetzt werden. Die Reaktionen sind nur an wenigen Stellen für die Verantwortlichen ganz zufriedenstellend.

Kleingruppen via Zoom

Hier sind die Erfahrungen sehr unterschiedlich. Auffällig scheint zu sein, dass Leute im Spektrum 28 – 50 nicht so mega offen sind. Rückfragen verdeutlichen, dass das auch daran liegen kann, dass Menschen in der Altersspanne eine Familienphase durchleben: Homeschooling, Home-Office, Zoom Meetings ohne Ende … Dann noch am Abend ein Zoom Treffen? Besten Dank. Nein. Bei den älteren Leuten ist es nicht eindeutig. Einige berichten, dass die Älteren sich ganz auf digital eingelassen haben, andere sind dagegen ganz abgetaucht und überleben via Telefon und Bibel.TV.

Weitere neue Konzepte

Diverse Konzepte für Treffen, Bibelstudien, Schulungen wurden ausprobiert. So richtig durchgesetzt hat sich wenig. Die Resonanz bleibt überschaubar. Vieles ist wieder eingestellt worden. In den Großstädten, in denen vielleicht noch mehr Menschen alleine leben, sieht es etwas anders aus. Sportevents, Kochshows u.a. Angebote haben Kirchen aus dem Boden gestampft. In allem bleibt die Frage immer offen, wen diese Angebote erreichen und was sie ermöglichen. Dazu müssten sicher tiefergehende Studien erfolgen.

Mitarbeitertreffen

Viele berichten, dass die Leiter- und Mitarbeitertreffen via Zoom sehr gut angenommen werden und z.T. wöchentlich stattfinden.

Technik – Inhalte

Ein Konflikt, den Leiter immer wieder berichten, ist die Spannung Technik – Inhalte. Man ist so froh, die technische Seite geschafft zu haben, dass die inhaltliche durchaus etwas leidet. In größeren Kirchen ist das nicht so das Problem, da sich die Arbeit auf viele Schultern verteilt, oft sogar auf Schultern, die im Anstellungsverhältnis der Kirche stehen.

Kinderangebote

Das anfängliche überschaubare Angebot ist stark gewachsen. Dennoch wird berichtet, dass die echte Begegnung mit Freunden sehr vermisst wird. Jemand schrieb, dass die Kids aus seiner Sicht die großen Leidtragenden des Lockdowns in Kirchen sind.

Familien

Familien stehen unter Strom. Es variiert natürlich sehr, die konkrete Situation hat großen Einfluss auf das Erleben. Aber die Sehnsucht, dass es wieder anders wird, wächst Woche um Woche. Eltern und Kinder erleben das z.T. sehr anstrengend, was sich auch auf die Beteiligung im Kirchenleben auswirkt: Wichtige Mitarbeiter stehen nicht so zur Verfügung, da sie die Herausforderung für Familien hautnah meistern müssen.

Jugend

Auch für sie ist es mega herausfordernd. Teilweise verbrachten sie ganze Tage mit Serien, Computerspiele, auf den sozialen Medien. Der Kopf und die Herzen füllten sich mit vielem, was nicht so prickelnd ist. Zwar kommen sie mit den digitalen Wegen besser klar, aber die anderen Fronten, die sich für sie auftaten, waren nicht ohne.

Gottesdienste

Tolle Angebotsvielfalt, das ist super. Dennoch bröckelt bei manchen die gute Sonntagmorgengewohnheit weg. Der Livestream, das Video vom Gottesdienst wird nebenbei geschaut, die innere Einstellung auf den Gottesdienst, das richtig da sein wird immer mehr zu einer Herausforderung. Den Gottesdienst als Gottesdienst intensiv zu erleben, nimmt etwas ab. Anfangs wurden oft mehrere Gottesdienste von tollen anderen Kirchen auch angeschaut, der Trend geht zum eigenen Gottesdienst. Qualität ist nur ein Kriterium, das bei der Auswahl des Angebotes die Leute leitet.

Die Musik, das gemeinsame Singen, kraftvoller Lobpreis … Viele sagen, dass sich ihre Kirchen darauf schon sehr freuen und es aktuell auch sehr vermissen.

Mitarbeit

Der Trend ist gespalten. Wie schon gesagt, ziehen sich 30 – 50% (z.T. auch mehr) einfach raus. Auf der anderen Seite bieten sich Leute an, finden gerade jetzt ihren Platz.

Geistliche Reife

Einige Leiter melden mir rück, dass sie etwas erschrocken darüber sind, wie schwach das Glaubensfundament von Leuten z.T. ist, die an sich begeistert bei der Sache sind. Ein gutes Gottesbild, eine fundierte Verwurzelung in der Wahrheit der Schrift, oder wie auch immer es beschrieben wird, kommt zur Sprache. Die Frage der Jüngerschaft und Nachfolge hat die Kirche schon vor der Pandemie beschäftigt.

Gäste

Die Feedbacks sind im Trend so, dass nur wenige Leute auf die Kontaktmöglichkeiten via Mail, Chat … reagieren. Ausnahmen bestätigen die Regel. Leute, mit denen man als Kirche zuvor in Kontakt stand, werden – wenn nicht persönliche Verbindungen bestehen – zur Zeit eher nicht erreicht. Das fehlende Feedback lässt diesen Punkt auch nur schwer einschätzen.

Vision – Zukunft

In vielen Kirchen ist die Frage nach der Zukunft etwas in den Hintergrund getreten. Zuerst  ging es ja darum, den neuen Alltag zu managen. Das gelingt jetzt ganz gut. Einige sind wieder sehr beschäftigt mit der Frage, wie es jetzt fix zu analogen Gottesdiensten kommen kann, bei allen Einschränkungen.

Zukunftsfragen, Träume, Perspektiven kommen aber langsam wieder zurück. Dabei ist klar, dass die Zukunft anders sein, wird, als das im Januar noch gedacht wurde. Aber für die Kirche hatte Jesus immer einen Weg. Die Kirchengeschichte macht uns Mut. Auch wenn die Gestalt sich ändert.

Datenbasis dieser Auswertung:

  • 15 Tiefeninterviews und differenzierte Rückmeldungen
  • Ca. 150 Rückmeldungen von Gemeindeleitern
Fotos: Unsplash

Die FeG Gevelsberg wollte es genau wissen und hat eine Umfrage unter ihren Besuchern gemacht. Christian Lunkenheimer hat sie in einem Beitrag veröffentlicht. Hier ist die Auswertung zu lesen.

Klarstellung

Im Bericht von idea Spektrum 20.2020, der auf der Grundlage der Arbeiten hier veröffentlicht wurde steht, dass ich folgendes gesagt habe:

Nach den Worten von Krauss ist die Hälfte aller Pastoren, die sich bei ihm gemeldet hätten, in Sorge, ob sie nach der Pandemie das Gemeindeleben überhaupt wieder starten könnten: „Sie haben derzeit überhaupt keinen Kontakt zu ihren Mitgliedern.“

Es müsste aber so in etwa lauten: … ist etwa die Hälfte aller Pastoren, die sich bei ihm gemeldet hätten, in Sorge, wie sie nach der Pandemie das Gemeindeleben wieder starten könnten: „Sie haben derzeit zu bis zu 50% ihrer Gottesdienstbesucher keinen Kontakt.“ 

Danke für die Beachtung!

Über Lothar Krauss

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2 Antworten zu Zwischenbericht: Kirche digital! | Teil 2

  1. Helge schreibt:

    Idea Spektrum mal wieder mit Qualitätsjournalismus. Haben die keine besseren Praktikanten?

  2. Pingback: Zwischenfazit | Stimmen zur Krise | Landeskirchliche Gemeinschaft Pfuhl

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