Warum »Nichtstun« gut ist. Manchmal.

1974. Es war ein ganz normaler Sonntag. Arthur Frey saß, wie so oft, in der Kirche und seine Gedanken verselbstständigten sich – wieder einmal. Das kennt jeder Schüler. Genau in dem Moment kam ihm plötzlich eine Idee, die unser aller Umgang mit Notizzetteln revolutionieren sollte: das Post-It.

Lag des daran, dass er in der Kirche saß an jenem Vormittag? Oder daran, dass er einfach an nichts bestimmtes dachte?

Das Gehirn in produktivem Leerlauf

Während Frey dort saß und an nichts Bestimmtes dachte, aktivierte sein Gehirn wohl das sogenannte »Leerlauf-Netzwerk« (default network). 1998 hatte der Hirnforscher Marcus Raichle diese Hirnregionen entdeckt die gerade dann aktiv werden, wenn wir nichts tun. Auch nicht nachgrübeln, uns sorgen und mit Gedanken plagen. Sondern einfach die Gedanken laufen lassen. Ich mache das ganz gerne auf meinen Wanderungen.

Als »Effektivitätsjunkie« war ich immer wieder besorgt, wenn ich so mit meiner Zeit umging. Bis ich auf das Buch Muße von Ulrich Schnabel stieß, der mir ein paar Fakten zur Verfügung stellte die mich motivierten, diese Zeiten als produktiven Leerlauf zu begreifen. Nichts zu tun, auch nicht grübeln (was ich auch gerne mache), ist super effektiv. Warum? Weil mein Gehirn dann in der Lage ist, sich nicht mit äußeren Reizen beschäftigen zu müssen und so Kapazitäten frei werden, die verschiedene Prozesse in Gang setzen:

  1. Das Neuronen-Netzwerk wird neu organisiert
  2. Das Gedächtnis wird sortiert
  3. Zuvor Gelerntes wird verarbeitet

Arthur Frey

Und hier liegt das Geheimnis: Mit dieser Reorganisation entstehen neue Verbindungen im Gehirn, aus denen auch neue Ideen geboren werden können. So muss das wohl auch bei Arthur Frey gewesen sein. Frey hatte zuvor schon einen Klebstoff erfunden, für den es aber noch keine wirkliche Verwendung gab. Und als er sein Gehirn dem default-mode überließ, fiel der Groschen: Ein Kleber der stark genug wäre, um Zettel »ankleben« zu können, aber gleichzeitig schwach genug wäre, damit man sie auch problemlos und rückstandslos abbekommt, das wäre der Clou! Die Idee für das Post-It war geboren!

Das »Leerlauf-Netzwerk«

Das Leerlauf-Netzwerk in unserem Gehirn braucht Input. Es organisiert ja das zuvor Gelernte! Es geht also mehr um die Frage, wie ein produktives Verhältnis zwischen Informations-, Wissens- und Erfahrungsaufnahme und eigenständiger Verarbeitung im Gehirn – ohne unser Zutun – aussieht. Als Führungskraft möchte man ja die »Finger im Spiel« halten, steuern, beeinflussen. Das ist sozusagen die DNA der Führungskraft. Aber genau diese Stärke kann für das Leerlauf-Netzwerk zur Stolperfalle werden!

Ein »Open-Space« im Gehirn zu schaffen ist die strategische Entscheidung des Leiters. Dann kann die Führungskraft darauf zu vertrauen, dass das Gehirn mit genialen Mechanismen und Potentialen ausgestattet ist, nun einen Prozess zu fahren, der höchst produktiv, kreativ und innovativ ist, ist der Punkt.

So mache ich es …

Ich nehme mir 2 – 4 x in der Woche 1,5 – 2 Stunden für eine kleine Wanderung. Fast automatisch schalte ich während der Tour das »Default-Network« scharf, lasse die Zügel los und die Gedanken wandern. Viele meiner besten Ideen, Lösungsansätze, aber auch der kreativen Impulse sind dabei geboren worden. Das Rohmaterial hole ich mir über meine Lesedisziplin, Podcasts, Blogbeiträge, Nachrichten, Wochenzeitungen u. Magazine, Gespräche und Begegnungen »rein«. Mein Verhältnis dabei: 10 + Stunden/Woche bewusste Lernphasen. 40 – 50 Stunden intensive Arbeit. 6 – 8 Stunden »produktives Nichtstun«.

Und das noch: Die beiden Bilder stammen von meiner Basisroute in Gifhorn, die jede Woche mehrfach dran kommt! 😁

  Auf meiner Wanderroute ...

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Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
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2 Antworten zu Warum »Nichtstun« gut ist. Manchmal.

  1. autorenseite schreibt:

    Genau so ist es.
    Ich bin immer gern in den Bergen unterwegs und da kommen mir die besten Ideen.
    Aber auch das völlige Faulenzen ist wichtig:
    https://autorenseite.wordpress.com/2019/03/22/heute-ist-der-tag-des-faulenzens-gluecks/

  2. Christa ohlsen schreibt:

    Ja, das stimmt
    Ich bin im prophetischen Dienst in meiner
    Gemeinde
    Nur in diesen totalen Ruhephasen höre
    Ich sehr genau, was Gott mir mitteilen will.
    Und es ist eine Kraftquelle
    LG Christa ohlsen

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