Mario Wahnschaffe ist Pastor einer internationalen Gemeinde in Bonn. Jeden Sonntag versammeln sich fast 600 Menschen aus ca. 70 verschiedenen Nationen. Jeder Gottesdienst wird in 4-6 Sprachen simultan übersetzt. Wie muss man sich Leitung in so einer internationalen Gemeinde vorstellen? Mario war so großzügig, für den Leiterblog seine Erfahrungen zu schildern. Wir bringen seinen ausführlichen Bericht in mehreren Teilen. Heute der 2. Teil:
Jesu der Leiter: Vorbild für einen internationalen Leitungsstil
Am Beispiel von internationalen Studenten, die wir in unsere Gemeinde integrieren wollen, werden kulturelle Unterschiede im Verständnis von Beziehungskultur deutlich. Wir können von diesen Beispielen lernen, wie wir Internationale besser verstehen und integrieren können.
Lily Arasaratnam (2014) führt weiter aus, wie internationale Leiter im Studentenbereich rekrutiert werden. Weil internationale Studenten sehr hart arbeiten müssen, um ihr Studium zu schaffen, (damit sie ihre Visafristen einhalten können) müssen wir flexibel mit ihnen sein, was unsere Ansprüche als Leiter angeht.
Uns sollte bewusst sein, dass die Leitungskultur in anderen Ländern nicht von Kindheit an so erlernt wird, wie es in westlichen Ländern üblich ist. Jeder, der Internationale für den Leitungsdienst gewinnen möchte steht vor der Herausforderung Leiter wirklich kennenlernen zu wollen. Erkennen, wo sich jeder geistlich in der Beziehung mit Jesus befindet. Und sie dann praktisch herauszufordern zu wachsen. Dabei ist es gut zu beachten, dass es kulturelle Unterschiede gibt.
Beziehungsorientiert leiten
In der westlichen Kultur wird erwartet, dass man sich öffnet und verletzlich macht und explizit kommuniziert. In anderen Nationen, besonders in asiatisch-afrikanischen Nationen, wird implizit kommuniziert. Offene und direkte Kommunikation wird als unhöflich verstanden.
Von Jesus als Leiter können wir lernen, dass er vor allen Dingen beziehungsorientiert geleitet hat. Er und seine Jünger aßen, reisten und teilten ihr Leben gemeinsam.
„Sie aber verließen sogleich das Boot und ihren Vater und folgten ihm nach.“ | Matthäus 4:22
Diese Lektion ist besonders für unsere kulturell westlich und individualistisch geprägten Leiter schwierig zu lernen. Die westliche Kultur verleitet uns dazu, Arbeitsziele von den Beziehungen unter Leitern zu trennen. Für internationale Studenten, die fern ab von ihren Familien studieren und arbeiten, ist eine Beziehungskultur unter Leitern existenziell.
Die erste Gemeinde praktizierte dieses Prinzip genauso.
„Täglich verharrten sie einmütig im Tempel und brachen zu Hause das Brot, nahmen Speise mit Jubel und Schlichtheit des Herzens, lobten Gott und hatten Gunst beim ganzen Volk. Der Herr aber tat täglich hinzu, die gerettet werden sollten.“ | Apostelgeschichte 2:46-47
Wie wir Internationalen helfen können …
Jenn West, Direktor derselben internationalen Studentenorganisation, schreibt in ihrem Blog-Artikel über die wichtigen Voraussetzungen, um internationale Leiter und deren Teams geistlich wachsen zu lassen. Ihre Gedanken dazu habe ich hier ins Deutsche und auf unsere deutsche Kultur übertragen:
„Sei demütig: Unser westlicher Weg, Dinge zu lösen und anzugehen, mag nicht immer der einzig Richtige sein. Gott liebt es, sein Wesen in allen Nationen und Kulturen auszudrücken. Bitte deine internationalen Geschwister um Vergebung, wenn du sie durch deinen Mangel an Demut und Verständnis verletzt hast.
Studiere Jesus: Öffne Deine Augen für die Werte, die Jesus bei Leiterschaft besonders geschätzt hat. Jesus erwählte Leiterpersönlichkeiten, die ungebildet waren, aber eine Willigkeit besaßen, zu vertrauen, zu glauben, zu dienen und Jesus zu folgen.
Dienstbereitschaft: Viele Deutsche dienen und unterstützen gern unaufgefordert, wo sie eine Not sehen. Besonders westlich geprägte Leiter, die gern lösungsorientiert arbeiten, sollten den „Mut zur Lücke“ entwickeln und dafür in Geduld und Beharrlichkeit Internationale zum Dienst einladen und sie ermutigen, Verantwortung zu übernehmen.
Erlaube Unvollkommenheit: Wir sollten Geduld aufbringen und „unfertigen“ Leitern Zeit geben, sich in ihrer Leiterschaft und Performance im Dienst entwickeln zu können, da wir berücksichtigen müssen, dass sie mit fremder Sprache und fremder Kultur zu kämpfen haben.
Bleibe hingegeben im Gebet: Es gibt viele geistliche Hindernisse und auch menschliche Enttäuschungen, die uns davon abhalten wollen, ein internationales Leitungsteam aufzubauen. Hier ist das Gebet und die Fürbitte entscheidend, um geistliche Hindernisse wegzuräumen.
Keine falsche Romantik!
Es tun sich viele Schwierigkeiten auf, wenn man sich nach einem internationalen Dienst und Kooperation in der Gemeinde ausstreckt: Viele Konflikte müssen bewältigt werden. Viele davon können nicht gelöst werden, da die sprachlichen und kulturell bedingten Missverständnisse einfach zu groß sind. Die Vision scheint zwar dieselbe zu sein, aber die Wege und Ideen, wie die Erfüllung der Vision erreicht wird, sind einfach zu verschieden.
Es ist hart aber gut, zu lernen, dass „der gute alte westliche Weg“, Probleme zu lösen oder geistliches Leben zu gestalten, nicht immer der Beste ist. Gott kann auch durch andere kulturelle Wege wirken. Genauso hart aber wichtig ist es auch zu lernen, wie wir anderen Nationen mit Demut dienen dürfen und sie gleichzeitig höher schätzen dürfen, als uns selbst oder unsere Kultur.
Dennoch sollten uns diese Schwierigkeiten nicht abhalten, das schönste Abenteuer der internationalen Kooperation zu wagen. Zu wunderbar und fruchtbar sind die Ergebnisse (!): Gerade in der internationalen Arbeit kann die Kunst und die Vorteile der Partnerschaft gelernt werden. Wir können lernen, unseren Egoismus sterben zu lassen und wirklich zu lieben, auch wenn wir durch unsere Brüder und Schwestern verletzt werden sollten. Wir können lernen, um Vergebung zu bitten, auch wenn wir denselben kulturellen Fehler zum zehnten Mal gemacht haben und damit unabsichtlich unsere internationalen Geschwister verletzt haben sollten.
Investiere in einfache Leute …
Jesus als Leiter studieren: Wenn wir Jesus in seiner einzigartige Art zu leiten studieren, werden wir den Wert dessen wieder ganz neu schätzen lernen. Jesus war willig, in einfache Menschen zu investieren. Bevor wir uns in zukünftige Leiter investieren, tendieren wir dazu, nach der „Creme de la Creme“ Ausschau zu halten. Aber Jesu Jünger waren ungebildete Fischer und hatten vielleicht nicht viel Etikette.
Wenn wir die Evangelien studieren, dann stellten seine Jünger für Jesu Mission eher ein Hindernis dar, als dass sie ihn unterstützt hätten. Wie oft haben sie miteinander gestritten oder an Jesu Worten gezweifelt. Manchmal haben sie noch nicht einmal verstanden, was Jesus eigentlich meinte, wenn er sie lehrte. Dennoch hatten sie zwei entscheidende Eigenschaften, die Jesus dazu bewegten, sie zu seinen Jüngern und Cochees zu machen:
- Sie vertrauten und glaubten Jesus, auch wenn sie gleichzeitig zweifelten oder gerade nicht verstanden, was Jesus sagte. Das zeigt uns, dass es für Jesus ok ist, wenn wir als Leiter manchmal Zweifel und Fragen haben. Er sieht unser Grundvertrauen.
- Sie hatten eine Entschlossenheit und Willigkeit ihrem Meister zu folgen.“
Quellen: Lily Arasaratnam (2014), http://ism.intervarsity.org/resource/building-international-student- leadership-teams-0, letzter Zugriff am 28.02.2015.
Fortsetzung folgt! Grundsatzartikel zur interkulturellen Leitung sind hier zu finden. Teil 1 ist hier zu lesen.
Mario Wahnschaffe ist Pastor des CLW Bonn. Nach einem Bibelschulbesuch in England begann er 1989 seinen Dienst als Jugendpastor des CLW Bonn. Seit 1995 ist er der leitende Pastor der Gemeinde. Die Gemeinde ist durch ihre starke Internationalität geprägt, hat einen Kindergarten, eine überkonfessionelle Grundschule und zwei Lebensmittelausgaben für Arme und Drogenabhängige.
Mario hat eine besondere Liebe für Menschen aus der islamischen Welt. Sein YouTube Kanal für Muslime ist sehr stark aufgesucht. Hier die Links, um mit Marios Arbeit in Berührung zu kommen:
Youtube Channel für Muslime: https://www.youtube.com/channel/UCQuNhvkibRyKAbm-B6R7eug
Marios Blog: http://www.mariowahnschaffe.de
BÜCHER von Mario Wahnschaffe: