Jeder, der Verantwortung übernimmt begegnet ihnen. Unvermeidlich. Ungeliebt. Aber unumgänglich: KONFLIKTE. Irgendwann steckt man mittendrin, weiß manchmal nicht wie einem geschieht, erlebt sich total ungerecht behandelt und muss doch durch! Astrid Eichler hat etliche schwierige Konflikte erlebt, manche haben sich auflösen lassen, etliche aber auch nicht. Wie geht es jemanden, der das erlebt? In einem erstaunlich offenen Buch berichtet sie in ihrer schönen Sprache ehrlich darüber.
Konflikte an den Hörnern packen …
Für die aktuelle Ausgabe von AUFATMEN hatte ich die Gelegenheit Astrid zu ihrem neuen Buch zu befragen. Hier ist es:
LK: Es gibt schon viele hilfreiche Bücher zum Thema Konflikte. Auch aus der christlichen Perspektive. Was ist das Besondere an Deinem Buch?
AE: Es geht von biblischen Konflikten aus und nimmt diese in den Blick. Meine Entdeckung, die dem Buch vorausging war die, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt. Was mich aber fasziniert ist, dass in den biblischen Konfliktgeschichten ganz, ganz viel, vielleicht sogar alles, was die zeitgenössischen Psychologen und Konfliktfachleute beschreiben, dort schon da ist. Und diese Geschichten bearbeite ich in meinem Buch. Ich würde mich ja nicht trauen mich in eine Reihe mit all den fitten Fachleuten zu stellen. Mir geht es um die uralte Botschaft der Bibel, die hochaktuell ist.
In Deinem Buch schreibst Du, dass die Frage nach der eigenen Identität ist ein Katalysator in vielen Konflikten ist. Viele wissen und spüren das. Welche Hilfen hast Du dazu gefunden?
Die erste Hilfe liegt schon darin, dass mir etwas bewusst wird. Ich glaube tatsächlich, dass die Wurzel der Identität in vielen Konflikten nicht bewusst ist. Wenn mir das bewusst wird, zum Beispiel indem ich das in dem Buch gelesen habe, ist ein erster Schritt getan. Wenn mir bewusst wird, welche zerstörerische Wurzel in der unklaren Identität liegt und wenn mir bewusst wird, dass ich etwas Großes bin, ein Kind Gottes, komme ich auf einen guten Weg. Meine These ist die: je mehr wir das verinnerlichen und uns das wirklich erfüllt, je weniger haben wir es nötig, mit anderen Leuten in den Ring zu steigen. Wir entdecken bei Jesus eine große Gelassenheit, die aus dem tiefen Wissen entsteht, wer er ist, woher er kommt und wohin er geht. Dem Wissen, dass Gott ihm alles in die Hand gegeben hat. Wenn auch wir davon durchdrungen sind gewinnen wir ein ganz anderes „Standing“, eine Gelassenheit.
Wie komme ich dahin?
Das ist ein sehr persönlicher Prozess mich verwurzeln zu lassen in der Identität, die Gott mir gibt. Das braucht vielleicht seelsorgerliche Begleitung und es braucht immer wieder eine Entscheidung. Die Entscheidung, dass ich aus allen anderen „Nicht-Identitäten“ aussteige. Jesus sagt: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Nämlich die Wahrheit über uns selbst, dass wir von Gott gewollt sind, von ihm geliebt, erwählt und berufen.
Du sprichst in Deinem Buch verschiedene Möglichkeiten an, wie auf einen Konflikt reagiert werden kann. Wann aber ist welche Konfliktreaktion angemessen und richtig?
Als erstes hilft es schon zu wissen, dass es verschiedene Wege in Konflikten und aus Konflikten heraus gibt. Und eben nicht nur den einen Weg, den ich schon immer gegangen bin. Gerade dieses Thema Vergebung, als dem einzigen christliche Weg aus dem Konflikt, birgt viele Missverständnisse. Vergebung ist ein unverzichtbarer Bestandteil. Aber nicht, um den Konflikt zu lösen, sondern eigentlich erst nachdem der Konflikt gelöst ist. Oder auch dann, wenn es keine Lösung gegeben hat. Das ist dann sehr herausfordernd. Wenn ich die Vielzahl der möglichen Wege vor Augen habe kann ich überhaupt erst die Frage stellen, was in der konkreten Konfliktsituation dran ist.
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Konfliktklärung ist die Übung. Und für Übung brauche ich Zeit. Ich halte es für ganz wichtig in einem Konflikt immer extra Zeiten einzuplanen. Für mich selbst, um so wenig wie möglich gegenüber dem Anderen im Affekt zu reagieren. Also: vor der nächsten Attacke mindestens bis 10 zählen! Noch besser ist es eine Nacht darüber zu schlafen, weil ich dann vielleicht am nächsten Morgen viel besser die anderen Möglichkeiten vor Augen habe.
Eine dritte Hilfe liegt darin, Begleitung zu suchen. Entweder persönlich, dass mir der Begleiter vor Augen führt, was bei welchem Weg die Folgen sein können. Jemanden also haben, mit dem man weiter denkt. Oder dass sich die Konfliktparteien einen Begleiter suchen. Der Blick von außen zeigt, dass es nicht nur die meine Möglichkeit gibt, die ich schon immer gesehen habe, die ich schon immer gewählt habe. In Konfliktzeiten mache ich mir Notizen, um den Konflikt später zu reflektieren. Wenn der Konflikt dann vorbei ist kann ich mir so noch einmal alles anschauen und sehen, was ich jetzt gelernt habe.
Warum ich das Buch hilfreich finde …
Mir hat an Astrid Eichlers Buch besonders ihr Ansatz gefallen, von biblischen Konflikten auszugehen. Gleichzeitig nimmt sie uns Leser in ihre eigenen Konfliktsituationen mit. Und die haben es so richtig in sich! Das ist eine große Stärke des Buches. Leiter, die in Spannungen und Konflikten stehen, an der Ausweglosigkeit mancher Konflikte leiden, werden sich sehr abgeholt und verstanden fühlen. Behutsam hilft Eichler ihren Lesern aber doch Schritte aus dem Dilemma zu sehen und zu denken. Auf die „Vergebungskeule“ (man muss doch nur vergeben oder wie man es Kindern sagte: Gebt euch die Hand und vertragt euch!) geht sie in einem eigenen Schlusskapitel ein und zeigt, wann Vergebung sinnvoll und geboten ist und wann es nicht der angemessene Weg in einem Konflikt sein kann.
sehr cool. gleich auf mein amazon Wunschzettel gestellt 🙂 Lg James