Einen Veränderungsprozess gestalten: Wie? | Teil 7

WandelDie Rolle von Leitern zu stärken und zu fördern ist ein entscheidender Schritt im Veränderungsprozess, den ich im letzten Teil beschrieben habe. Nicht weniger wichtig ist es aber, dass auch alle anderen Begabungen, die in der Gemeinde sind, gefunden und entwickelt werden. Jedem sind Begabungen geschenkt. Auf niemanden kann verzichtet werden. Was ist zu verstehen, zu tun, wo doch in 15 Jahren das Ehrenamt aus unserer Gesellschaft weitgehend verschwunden sein soll?

Das Konzept!

Das Konzept, mit dem Gott seine Gemeinde baut und durch das das Potential einer Gemeinde wirksam wird, beschreibt der Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther: „Es gibt viele verschiedene Gaben, aber es ist ein und derselbe Geist, ´der sie uns zuteilt `. Es gibt viele verschiedene Dienste, aber es ist ein und derselbe Herr, ´der uns damit beauftragt `. Es gibt viele verschiedene Kräfte, aber es ist ein und derselbe Gott, durch den sie alle in ´uns `allen wirksam werden. Bei jedem zeigt sich das Wirken des Geistes ´auf eine andere Weise `, aber immer geht es um den Nutzen ´der ganzen Gemeinde.“ 1. Korinther 12,4-7 NGÜ

Keiner kann sich rausnehmen!
Was wir in Gifhorn besonders verstehen lernen wollen ist diese Passage: „Bei jedem zeigt sich das Wirken des Geistes ´auf eine andere Weise `, aber immer geht es um den Nutzen ´der ganzen Gemeinde.“

1. Jeder hat und jeder kann!

Zuerst: Niemand gehört zu unserer Gemeinde, der nicht beschenkt ist! Dabei gilt: Kein Ei gleicht dem anderen! Vergleichen gilt nicht! Dann: Niemand hat nichts, alle haben etwas! Jeder braucht den anderen. Jeder ist GEBER und jeder ist EMPFÄNGER. Wer nicht in diesen Kreislauf von GEBEN und EMPFANGEN einsteigt, kommt zu kurz. Es gibt niemanden in der FCG, der nur empfangen muss! Und niemanden, der nur zu geben hat. Wer nur gibt und nicht empfängt, schadet der Gemeinschaft! Wer nur empfängt und nicht gibt ebenfalls!

Ich bin schon zu alt. Zu krank. Zu beschäftigt. Zu unbegabt. Zu … Wer so denkt, denkt anders als Gott. Sollte Gott sich getäuscht haben? Ein Hudson Taylor hat auch vom Krankenbett aus mit seinen Gebeten, Gesprächen, Gedanken gegeben und empfangen!

Wer sich nicht einklinkt, stellt sich außerhalb der Gemeinschaft. Der macht sich zu etwas BESONDEREM. Was ist die Absicht? Um mich muss man sich besonders kümmern! Versorgt mich! Gebt mir Aufmerksamkeit. Ich bin so schwach … Oder aber so: Ich brauche euch nicht! Ich komme schon selbst klar! Zu mir spricht der Herr direkt. Ich mache alles mit meinem Herrn selbst aus. … Diese Haltungen passen nicht zum Grundkonzept von Gemeinde! Im Gegenteil! Sie belasten und beschädigen das Miteinander der Gemeinde. Leiter können ein Lied davon singen …

2. Es geht nicht um mich!

Die weitere Einstellung, die zum Konzept von Gottes Gemeinde gehört heißt: Es geht nicht um mich! Wer seine Gaben entdeckt und einbringt, braucht diese Einstellung. Es geht nicht um mich! Es geht um die Gemeinde! Um die Gemeinschaft. Wir dienen einander und miteinander.

Die wichtigere Frage lautet: Dient dir das? Dient das, was ich einbringe der ganzen Gemeinde? Lebt sie dadurch besser ihren Auftrag als „Salz und Licht“ in der Welt? Keine Angst, wir kommen nicht zu kurz! Warum? Weil Gott sich um uns kümmert, wenn wir uns auf gute Art um andere mühen und die Gaben nicht selbstsüchtig benutzen, unter dem Mantel des selbstlosen Dienstes! Mehr dazu unter „Helfersyndrom“. Geben ist seliger als Nehmen!

Wie wäre unsere Gemeinde, wenn … ?
… ALLE ihre Gaben entdecken und einbringen würden? Und alle mit der Einstellung mitmachen: „Es geht nicht um mich!“ Unrealistisch? Mag sein. Aber der erste europäische Leiter von Campus für Christus meinte einmal: Kleine Träume bringen uns um! Ich will groß träumen! Diesen Traum versuchen wir in der aktuellen Phase einzupflanzen. Ich sehe keine Alternative, auch wenn das Maximalziel nie erreicht wird.

Dieser Traum hat Feinde! Welche?

Falsches Bild von Gemeinde
Für viele Christen ist die Gemeinde eine Veranstaltung, zu der man geht. Meist nur der Sonntag. Und das auch nur noch 1 – 3 x im Monat, wenn gerade kein Geburtstag war, es am Vorabend nicht zu spät wurde und der Beruf nicht zu stressig ist. Eine Veranstaltung, bei der ich auftanken kann. Wo von mir nicht viel erwartet wird sondern mir die Menschen mit viel Verständnis begegnen, sich um meine Kinder kümmern, mir Angebote dann machen, wenn ich sie nötig habe …! Und bitte: Keinen Druck machen! Den habe ich schon genug. Gott muss sich auf mich einstellen, nicht ich auf Gott. Ach ja: ich gehe im Zweifelsfall auch dort hin, wo es „mir am meisten bringt“. Nicht dort, wo ich hingestellt wurde. Problematisch!

Falsche Prioritäten!
Im Prinzip finde ich das alles super gut. Ich träume mit von einer Gemeinde, die so lebt. Und ich wäre gerne auch ein Teil davon. Im Moment kann ich mich aber nicht weiter dafür engagieren. Ich muss erst … (und dann wird eine Liste geöffnet: Job, Studium, Beziehungen, Hausbau …)

Ein Ehepaar forderte einmal seinen Hauskreis sehr heraus, als es selbst in der Bauphase war. Keinen Hauskreis verpassten sie wegen ihrem Hausbau. Warum? Ihnen war das wichtig. Sie haben verheißungsorientiert gedacht: Matthäus 6,33. Gott sucht Menschen, die das glauben!

Verletzungen durch die Gemeinde
„Früher habe ich auch so gedacht“, sagte mir mal jemand sinngemäß! „Aber dann habe ich das und das mit der Gemeinde erlebt.“ Mit der Leitung. Mit Menschen … Jetzt bin ich vorsichtiger. … Man kann richtig mühsames Zeug in Gemeinden erleben. Das stimmt. Aber dürfen diese schwierigen Erfahrungen unsere Berufungen beschädigen? Die Begabungen einfrieren? Die Wirksamkeit in Gottes Plan lahm legen?

Verletzungen gehören so aufgearbeitet, dass man zwar die Narben wohl manchmal noch sehen kann, die Wunde aber verheilt ist. Auch ich bin in Gemeinde verletzt worden. Doch es ist meine Verantwortung wieder fit zu werden und mich an meine Bestform heranzukämpfen. Fußballer wie Holger Badstuber tun das sehr eindrucksvoll. Und bei uns geht es nicht nur um einen schönen Sport!

Das Helfersyndrom und seine Verwandten!
Und dann gibt es die ganz engagierten Menschen. Leiter sind oft dankbar für sie. Sie springen in alle Lücken, opfern sich auf, investieren über die Maßen, sind immer dienstbereit. Aber ist das die Lösung? Ist das gut? Das hängt vom Motiv ab! „Wozu mache ich das?“ ist die Frage, die zu stellen ist. Was ist mein „Gewinn“, wenn ich mich so reinhänge?  Fromme Antworten sind schnell zur Hand: Für den Herrn! Für die Gemeinde! Wenn der Mensch dann aber ausgebremst wird, eine Enttäuschung erlebt oder den (oft versteckten) Gewinn nicht bekommt, reagiert er oder sie ärgerlich, angreifend, eingeschnappt, mit Rückzug, kritisch, distanziert … Das ist für einen selbst schwer zu sehen und noch schwerer zu akzeptieren. Aber das ist real!

Selbstüberschätzung!
Andy Stanley spricht von der “If I don’t, it won’t!“ – Falle! Wenn ich es nicht mache, dann macht es niemand. Manche Gemeinde leidet daran, dass Einzelne sich so überschätzen! Die Folge: Es läuft zu viel bei ihnen zusammen. Sie haben zu viel Verantwortung auf sich gezogen! Tun zu viel. Zu viel Einfluss. Ihr Fleiß wird zum Problem. Manchmal werden sie von anderen in diese Rolle gedrängt. Es ist nämlich auch super bequem, wenn jemand viel übernimmt. Dann kann man sich selbst raushalten!

Machtbedürfnis!
Der Raum der Gemeinde ist ein idealer Ort für den Machtmissbrauch! Leiter, Hirten können ihre Macht missbrauchen. Mitarbeiter, Gemeindeleute, Schafe aber auch! Manchmal jagt die Herde sogar den Hirten! Das ist ein weites Feld! Über Macht habe ich schon hier geschrieben.

Weitere Punkte könnten sicher diese Liste ergänzen …

TEST der MOTIVE!

Es braucht Krisen, damit das Herz offenbar wird. Krisen offenbaren unser Herz. Josef im Alten Testament ist ein wunderbares Beispiel dafür. Er hatte nicht nur einen Test zu bestehen. Aber wie auch immer: die Gaben von Josef wurden gebraucht. Seine Motive passten. Einem ganzen Volk wurde gedient. Mach’s wie Josef, möchte ich den Gifhorner FCG’lern zurufen.

Kritische Frage:
Was wäre geworden, wenn Frauen und Männer Gottes ihre Gaben nicht so eingebracht hätten? Paulus nicht auf seine Missionsreisen aufgebrochen wäre, keine Briefe geschrieben hätte. Im Gefängnis in Selbstmitleid versunken wäre? Wenn Billy Graham sein Karriere verfolgt hätte, anstatt Evangelist zu werden. Bill Hybels das Familienunternehmen übernommen hätte, anstatt Willow Creek zu gründen. Die Liste kann beliebig fortgesetzt werden. Nun die Frage an uns in Gifhorn: Was wird verhindert, wenn wir uns mit unserer Begabung nicht zur Verfügung stellen?

Unser Traum:

Wir träumen davon, dass ganz viele unserer FCG’ler aus jesusmäßigen Motiven ihre Gaben leidenschaftlich und verantwortlich in die Gemeinde einbringen, zum Nutzen der Gemeinschaft. Dann wird die FCG ihr Profil entwickeln können. Als eine Gemeinschaft, die sich in unsere Stadt einbringt, dient und glaubwürdig zeigt, wer Jesus ist. Denn wir gehören zum Leib Christi. Wir sind Hände, Füße, Mund, Ohren … von Jesus. Jeder, wie er begabt wurde. Alle werden gebraucht. Keiner ist überflüssig. Gemeindeprozess 2.0. Schöne Ferien!

Foto: Gerhard & Lucia Jung

Bisherige Teile der Reihe: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6

Praxisbericht zu den Gemeindeabenden:
Praxis Teil 1: Der biblische Auftrag
Praxis Teil 2: Die Geschichte der FCG und ihre DNA
Praxis Teil 3: Das Bild der Zukunft, das uns begeistert – die VISION
Praxis Teil 4: Der Fahrplan – Wege in die Zukunft (Strategie, Methoden, Strukturen)
Praxis Teil 5: Strategien und Methoden

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Über Lothar Krauss

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2 Antworten zu Einen Veränderungsprozess gestalten: Wie? | Teil 7

  1. nachgelesen schreibt:

    „Was ist zu verstehen, zu tun, wo doch in 15 Jahren das Ehrenamt aus unserer Gesellschaft weitgehend verschwunden sein soll?“
    Gerade habe ich etwas anderes gelesen: „36 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren [ist ]längerfristig freiwillig engagiert“ „die Evangelischen Kirche liegt beispielsweise bei 1,1 Millionen Menschen“
    –>
    http://de.statista.com/themen/71/ehrenamt/

    • lotharkrauss schreibt:

      Da gubt es sicher unterschiedliche Studien. Der Bundestag z.B. bezieht sich auf die Studie der Sozialwissenschaftlerin Sibylle Picot „Jugend in der Zivilgesellschaft“, die die sie am Mittwoch, 26. Oktober 2011, vor dem Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorstellte. Das Ehrenamt ginge signifikant zurück! Gleiches lese ich auch an anderen Stellen. Die Vorstände von Vereinen bestätigen es von ihren „Felderfahrungen“. Sicher gibt es auch gegenläufige Beobachtungen.

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