INTERVIEW TEIL 2: Bill Hybels spricht darüber, wie Willow die Nachfolgeregelung des Hauptpastors handhabt.
- Kann der ehemalige Hauptpastor bleiben, oder sollte er die Gemeinde verlassen?
- Wird Bill bei Willow bleiben?
- Kann überhaupt jemand gefunden werden, der den Anforderungen dieser Führungsrolle gerecht wird, oder stehen weitreichende „Umbaumaßnahmen“ bei Willow an? Aber hören wir Bill selbst …
Teil 1 des Interviews ist hier zu lesen.
Sollte der ehemalige Pastor die Gemeinde verlassen oder kann er Teil der Gemeinschaft bleiben?
Da gibt es ganz viele Konstellationen. Einige sind der Meinung, dass der Pastor oder die bisherige Führungsperson am Tag der Amtsübergabe die Gemeinde für immer verlassen sollte, um dem Nachfolger den nötigen Freiraum zu geben. Andere sind überzeugt, das ein Jahr Auszeit reicht. Dann kann er oder sie zurückkommen. Viele entscheiden sich für eine Art Emeritus-Status. Das heißt, mit der ehemaligen Leitungsfigur wird für die Zeit nach dem Rücktritt eine klar definierte Rolle in der Gemeinde oder Organisation abgesprochen. Die aber außerhalb von jedweden Leitungsgremien ist. Wir haben beschlossen, dass ich 12 Monate lang den Sonntagsgottesdiensten fern bleibe. Danach kann ich als ehrenamtlicher Mitarbeiter zurückkommen – vorausgesetzt, ich kehre in die Gegend zurück.
Worauf achtete Willow bei der Auswahl des Nachfolgers? Du sprichst oft von vier zentralen Kategorien: Charakter, Kompetenz, Chemie und die Übereinstimmung der „Kultur“.
Wir suchen nach der vierten Person der Dreieinigkeit.
Und – schon fündig geworden?
Wir haben zunächst die Aufgabenbeschreibung präzise formuliert. Er soll begeisternd predigen können, eine erstklassige Führungspersönlichkeit sein, sensibel und zugleich direkt das Thema Finanzen vor der Gemeinde ansprechen können, und mit einem komplexen Mitarbeiterstab klarkommen. Wenn man sich die Liste anschaut, fragt man sich: wieviele Menschen können das erfüllen? Uns wurde klar, dass der Nachfolger ganz anders sein wird, als sein Vorgänger. Das ist auch in Ordnung. Die entscheidende Frage ist: Besitzt die Person die für uns richtigen Werte?
In unserem internen Auswahlverfahren – wir schauen zuerst in den eigenen Reihen nach einem Kandidaten – stellen wir uns auch die Frage, ob es klüger ist, die Aufgabenbeschreibung der Person anzupassen als andersherum. Wir haben viele
starke Führungskräfte in unseren Reihen, dass für uns ein guter Prediger sinnvoller ist, als eine weitere Top-Führungsperson. In einer anderen Gemeinde kann das genaue Gegenteil der Fall sein.
Was ist für dich die wichtigste Eigenschaft, die ein Pastor haben sollte?
Zwei Dinge fallen mir ein. Das erste: er sollte in seinem geistlichen Leben authentisch sein. Wenn die Gemeinde ihren Pastor anschaut und sich fragt: „Lässt er oder sie sich überhaupt von Gott leiten?“ – dann ist das ein Riesenproblem. Egal, ob man eine Führungspersönlichkeit sein will oder nicht – man muss als Nachfolger von Jesus ihm auch im Alltag nachfolgen. Man muss darin wachsen wollen, spirituell lebendig sein. Genauso wichtig ist die Frage, die ich gerade mit meinem möglichen Nachfolger bespreche: „Kann diese Person unsere Gemeinde wirklich lieben?“ Auch das muss im Vorfeld völlig klar sein. Es ist doch so: was Gott auf dieser Welt am wichtigsten ist, sind die Menschen. Deshalb sollte man den zukünftigen Gemeindeleiter fragen: „Ist dir klar, dass diese Menschen Gottes größter Schatz sind? Werden sie dir genauso wichtig sein? Wirst Du deine Predigten nach dem Wohlbefinden dieser Menschen ausrichten, die dir anvertraut sind? Wirst du mit ihnen beten und reden? Wirst du auf ihre E-Mails antworten?“ In diesem Punkt ist unsere Messlatte sehr hoch. Wenn diese Liebe nicht vorhanden ist, macht es keinen Sinn.
Vor ein paar Jahren hat ein Redner beim Leadership Summit über das Risiko gesprochen, „Stars“ zu verpflichten. Er sagte: 70% dieser externen Top-Führungspersonen haben im neuen Unternehmen keinen Erfolg. Wie denkst du darüber?
Als erstes würde ich immer nach einem internen Kandidaten schauen. Dabei ist es mir egal, wie gut man einen externen Kandidaten zu kennen meint. Ihr wahres Gesicht zeigt er oder sie erst, wenn die Person ein, zwei Jahren mitgearbeitet hat. Erst dann fallen einem all diese entscheidenden Kleinigkeiten auf. Einige der Kandidaten, die wir uns bei Willow vorstellen können, kenne ich persönlich. Wir haben viele Jahre eng zusammengearbeitet. Ich weiß, wer sie sind. Mir ist es viel lieber, jemanden der Gemeinde zu präsentieren, den ich aus eigener Erfahrung kenne, als jemanden, der aus der Entfernung gut zu passen scheint, dann aber doch negative Überraschungen in sich birgt.
Sicher: manchmal stellt die Position so hohe Anforderungen, dass sich kein interner Kandidat finden lässt. Dann muss man natürlich jemanden von außerhalb holen. Ashish Nanda, der von dir erwähnte Sprecher, hat aber folgenden guten Rat: „Schauen Sie genau auf die Umstände, die die Person in ihrem bisherigen Umfeld so erfolgreich gemacht hat.“
Man sollte sich dann ehrlich fragen: Sind diese Umstände, diese Rahmenbedingungen bei uns vergleichbar? Passt unser Team genau so gut zu ihm, sodass er oder sie hier genauso gute Arbeit leisten kann?“ Wir haben uns bei Willow übrigens für eine risikoreiche Variante entschieden. Wir werden sehr transparent sein, was die Nachfolge angeht. Das habe ich auch den Ältesten gesagt. Es soll nichts im geheimen Kämmerlein ablaufen.
Wissen die internen Kandidaten, dass sie zur engeren Wahl gehören und im Hinblick auf deine Nachfolge beurteilt werden?
Wir haben in unserem erweiterten Leitungsteam gesagt: „Wenn ihr mit uns darüber sprechen wollt, ob ihr als Nachfolger in Frage kommt, sprecht mich an.“ Einige haben das Angebot wahrgenommen und von denen stehen auch einige zur Disposition. Ich wollte das Signal geben, dass wir offen damit umgehen – und auch niemanden übersehen.
Wie lange dauert der gesamte Prozess – vom ersten Gespräch bis zu dem Zeitpunkt, wo ihr sagt: Jetzt haben wir die Lösung.
Ich würde mindestens 5 Jahre veranschlagen, eher sogar 7. Frühzeitig anzufangen ist also wichtig. Wenn jemand 72 ist und die Gesundheit versagt, kann das nur schiefgehen – und eine ganze Gemeinde oder Organisation in Gefahr bringen. Ich bind dankbar, dass wir auf Kurs sind. Dennoch: so ein Prozess kann immer auch durch Unvorhergesehenes auseinanderfallen. Es ist also noch zu früh, um schon zu feiern.
TEIL 1 ist hier zu lesen.
Das Interview führte Jim Mellado und erschien auf deutsch zuerst im im Willow Creek Magazin 2/2014. www.willowcreek.de Verwendung mit freundlicher Erlaubnis!
Bill Hybels ist im Februar live in Hannover auf dem Leiterkongress zu erleben.
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