Die ELIM in Hamburg ist eine der großen freikirchlichen Gemeinden. Seit Jahren wächst sie und erreicht in ihren 5 Gottesdienste an 3 Standorten 1150 Erwachsene am Sonntag. Viele Kinder und Jugendliche kommen noch dazu. Eine Erfolgsgeschichte! Und doch sieht sich die Gemeinde beständig herausgefordert, weiter Veränderungsprozesse zu gehen. Warum ist der ELIM das wichtig und wie gestaltet sie diese Prozesse? Jens Martin Rauen, Pastor in der ELIM und Leiter der Verwaltung gibt Einblick in das „Change Management“ der „Multi-Site-Kirche“.
Veränderungen sind nötig. Auch in der (Frei-)Kirche!
Jens Martin Rauen: Im Gemeindekontext ist es immer wieder notwendig, Veränderungen anzustoßen. Der Grund ist nicht, dass wir Veränderung mögen oder einfach verändern um der Veränderung willen.
Es gibt gute Gründe!
Ein Grund liegt darin, dass die Gemeinde auf die gesellschaftlichen Entwicklungen reagieren sollte, um weiterhin relevant zu sein. Die Botschaft ändert sich ja nicht. Aber wie sie transportiert wird, den Menschen in dieser Zeit erreicht, sollte immer wieder überdacht werden.
Ein anderer Grund bei uns liegt darin, dass anscheinend Ehrenamtliche weniger Zeit haben, als das Früher der Fall war. Und in der Tat reichen ihre beruflichen Verpflichtungen auch in die Abendstunden und ins Wochenende. Das berührt die Art, wie wir Gemeinde leben können.
Ein für uns positiver Grund ist das gesunde Wachstum der Gemeinde. Darauf müssen wir reagieren. Unsere Strukturen müssen mitwachsen, damit die Gemeinde sich weiter entwickeln kann.
Veränderung ist unbequem und herausfordernd!
Veränderung ist oft unbequem und fordert uns heraus. Erfahrungsgemäß wünscht sich nur ein sehr kleiner Teil der Gemeinde wirklich Veränderung. Für uns bleibt die Frage dennoch wichtig und aktuell: Wie können wir Veränderung angehen und möglichst alle auf den Weg mitnehmen, auch wenn der Weg uns viel kostet?
GROW – PROZESS
Wir haben für uns das GROW-Prozess entdeckt. Es zeigt in vier verständlichen Schritten, wie wir unsere Mitarbeiter gut in Veränderung leiten können. Wichtig dabei ist, einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Nie einen Schritt zu übergehen oder zwischen den Schritten zu springen. Um das einzuhalten ist es uns sehr wichtig, dass wir viel Zeit und Geduld für jeden einzelnen Schritt mitbringen.
G – GOAL (Ziel)
Das ist das Ziel, zu dem einen die Reise bringen soll. Wohin? Wohin genau? Die Antwort muss SMART ausfallen. Es ist nicht SMART zu sagen: „Ich möchte, dass unsere Gemeinde einfach besser läuft“. Konkreter wird es schon wenn wir sagen: „Wir wollen einen Gottesdienst, der für Gäste einladend ist und indem sie Gott begegnen können.“
Wichtig ist es aber dann gemeinsam zu definieren, was für uns „einladend“ heißt. Wann merken wir, dass sich Gäste wohl fühlen? Woran merken wir, dass sie Gott begegnet sind? Erst wenn wir vorher wissen was wir wirklich wollen, ist nachher das Ziel auch messbar.
R – REALITY (Realität)
Im zweiten Schritt wird zusammen festgehalten, wie die Lage aktuell empfunden wird. Oft decken wir den Frust mit der Decke der christlichen Liebe mühsam zu. Bei diesem Treffen packen wir aus: „Unsere Erstbesucher fühlen sich als Fremdkörper. Das ist mir peinlich Freunde mitzubringen. Der Lobpreis schreckt doch nur ab. Wir verwenden Worte, die nur langjährige Christen verstehen…“
Gehen nicht nach so einem Termin alle frustriert nach Hause? Genau das Gegenteil ist unsere Erfahrung. Warum? Man konnte endlich mal die Wahrheit sagen, die man ja denkt! Vor allem geht jeder von dem Treffen mit dem Bewusstsein: Veränderung ist notwendig! ABER: Eine gute Moderation des Abends ist hier unerlässlich. Die Emotionen, die hier aufkommen, sollen in einen positiven Veränderungswillen überführt werden. Nur so haben wir genug Energie die Veränderung später auch wirklich anzustoßen.
O – Options (Optionen)
Im dritten Schritt werden alle Optionen gesammelt, die einen Weg von der Realität zum Ziel sein könnten. Man darf ruhig träumen und kühne Optionen nennen. Alles darf gesagt werden. Wir entscheiden später zusammen, was nicht möglich ist.
Was wären möglich Optionen für uns?
- Wir bauen ein Team zur Gestaltung des Gottesdienstes auf. Sie erhalten die Kompetenz alles anders machen zu dürfen.
- Jede Sitzung nehmen wir uns Zeit über die Gästefreundlichkeit der Gottesdienste zu reflektieren.
- Wir bieten am Ende jedes Gottesdienstes einen Aufruf an.
- …
W – Way Forward (Weg)
Um eine Option auf ihre Machbarkeit zu durchleuchten hilft es, sich konkrete Actions Steps zu überlegen. Wie könnte man die Option Wirklichkeit werden lassen?
Schließlich ist es Zeit, sich für eine Möglichkeit oder auch eine Kombination von Optionen zu entscheiden.
Final muss noch festgehalten werden:
- Wer macht was bis wann.
- Wer muss noch in den Veränderungsprozess hineingenommen werden?
- Wer muß zumindest informiert werden?
- Wann treffen wir uns wieder, um unseren Fortschritt zu messen?
Ist das alle beschlossen, steht der Veränderung nichts mehr im Weg!
Wie setze ich das alles in der Praxis um?
Am besten nimmt sich das Team für jedes Treffen nur einen GROW-Schritt vor. So ist genug Zeit, um ausführlich zu sprechen und alle Gedanken aufzunehmen. Wenn das Team sich dann für einen Weg entschieden hat überlegt es, wie die geeigneten Personen zu den Action Steps am besten mit hineingenommen werden. Sprich: Verantwortliche außerhalb des Teams, die von der Veränderung betroffen sind, müssen nun gewonnen werden . Es hilft dabei ungemein, wenn die einzelnen Ergebnisse der Schritte in Kurzform klar beschrieben werden können. Das Verständnis bei allen Beteiligten wächst und es wird auf diesem Weg „unser Projekt“!
Was ist wenn sich ein „Way Forward“ entwickelt, den ich als Leiter gar nicht wollte?
Das kann schon passieren. Aber vielleicht ist der Weg, den das Team zusammen entwickelt hat vielleicht besser, als den Weg den ich mir als Leiter bisher gedacht hatte. Das wäre doch gut! Wir suchen gemeinsam die beste Perspektive für die Gemeinde!
Alle Beteiligten bringen von Beginn an unbedingt diese Offenheit mit. Das ist unverzichtbar. Denn das Ziel könnte auch anders, vielleicht sogar noch besser erreicht werden. Wenn wir uns als Team nicht ergebnisoffen auf den Prozess einlassen, macht der GROW Prozess keinen Sinn.
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