7 Wochen experimentiert die bekannte Autorin, Unternehmerin, Pionierin … Kerstin Hack damit, ohne Multitasking auszukommen. Sie studiert und reflektiert das Thema und testet es im Selbstversuch. Hier ihre neuesten Erfahrungen und Einsichten: „Gleich zu Beginn meines Experiments 7 Wochen ohne Multitasking bin ich grandios gescheitert. Das fing damit an, dass ich am ersten Tag zwei Termine um 9.00 Morgens gelegt hatte. Einen außerhalb. Und einen zweiten mit einem Filmteam in meinem Büro. Selbst mit dem besten Multitasking aller Zeiten kann man nicht an zwei Orten gleichzeitig sein!
Lektion Nr. 1:
Unruhige Termine am Morgen bringen mich für den ganzen aus dem Takt. Wenn möglich Termine, die viel Reagieren erfordern auf einen späteren Zeitpunkt legen.
Das Scheitern ging damit weiter, dass es mir einfach nicht gelingen wollte, mir während der Arbeit das schnelle Wegspringen zu etwas anderem abzugewöhnen. Mein Rekord: 5 x Abwandern am Samstag Morgen. Eigentlich wollte ich nur einen Stift holen, um mir Gedanken aus einer Zeit der Stille zu notieren. Neben den Stiften entdeckte ich dann meinen unfertigen Plan für die nächste Woche, den ergänzte ich kurz. Dabei fiel mein Blick auf ein Buch und ich fragte mich, ob ich meinem Grafiker einen bestimmten Layouthinweis gegeben hatte. Ging kurz in mein Mailprogramm um das zu überprüfen. Und entdeckte in Facebook eine berührende Nachricht einer Frau, auf die ich reagierte…bevor ich schließlich mit dem Stift zurück zu meinem Stille Ort ging. Puh!
Lektion Nr. 2:
Alle benötigten Werkzeuge bereit legen, bevor man mit einer Aufgabe beginnt, verhindert oder reduziert die Gefahr des Abwanderns. Mit meinem Versuch, 7 Wochen auf Multitasking zu verzichten, bin ich also bisher grandios gescheitert. Doch ich finde das wunderbar! Es ist wohl das erste Mal in meinem Leben, dass ich über Fehler so richtig glücklich bin.
Die andere Perspektive auf Fehler: Glück!
Das hat mit der Perspektive auf Fehler zu tun. Über Fehler glücklich zu sein habe ich von Robert Kiyosaki gelernt. Er beschreibt in dem Buch Rich dad, poor dad, wie er als Verkäufer von Xerox Großkopierern extrem erfolglos war. Er hatte pro Tag nur etwa drei Kundenkontakte und verkaufte fast nie ein Gerät. Er war der schlechteste Verkäufer auf ganz Hawaii.
Sein Mentor riet ihm: Du lernst zu langsam. Du musst die Geschwindigkeit, mit der du Fehler machst, erhöhen, um zu sehen, was nicht funktioniert und was vielleicht doch.
So nahm er zusätzlich noch einen Job als Telefonverkäufer an. Er hatte viel mehr Gelegenheit, Fehler zu machen. Dutzende von Gesprächen pro Tag. Doch nach einer Weile entdeckte er Muster: Das funktioniert, das nicht. Und natürlich wurde er immer besser…
Von daher bin ich richtig glücklich über meine Fehler. Sie zeigen mir: Ich bin am Lernen. Das ist wunderbar. Wäre es so einfach, dass man sich das Multitasking per Beschluss abgewöhnen könnte, bräuchte man nichts zu lernen. Und ich will lernen. Ich will den Mechanismen, die mich und andere zu ungesunden Multitasking verführen, auf die Schliche kommen.
Weitere Einsichten von Kerstin zum Multitasking
Ihr ist in der Woche deutlich geworden, dass sie ihr Verhalten nur ändern kann, wenn sie die dahinter liegenden Bedürfnisse ihres „Multitaskingverhaltens“ versteht. Die berechtigten Bedürfnisse brauchen Alternativen, um auf eine gute Art und Weise erfüllt zu werden. So fasst sie für sich zusammen:
Folgende Bedürfnisse ahne ich hinter dem Multitasking:
- Entspannung und Anregung: Müdigkeit ist der Killer. Je müder ich bin, desto mehr neige ich dazu, mich ablenken zu lassen. Multitasking oder das Abschweifen zu leichteren Aufgaben scheint also – zumindest kurzfristig – Erholung zu bringen. Oder einen kleinen Kick durch eine neue Anregung. Das erlebe ich auch, wenn ich eigentlich wach bin:Wenn eine Aufgabe schwierig ist, ich bei einem Text nicht mehr weiter weiß, suche ich wir Entspannung…etwa indem ich schnell mal auf eine Website gehen…das ist leichter als am Konzept weiterzuarbeiten.
- Sicherheit: Manchmal hat das Multitasking vielleicht auch etwas mit der Sehnsucht nach Sicherheit zu tun: Ich will Bescheid wissen, was in meiner Welt los ist. In Zeiten finanzieller Herausforderung schaue ich viel öfter auf den Kontostand als wenn alles im grünen Bereich ist.
- Erfolgserlebnisse: Wissenschaftler haben bestätigt: Bei kurzzeitigen Erlebniskicks – etwa durch fünf neue Nachrichten auf Facebook oder ein paar coole Bilder auf Tumblr, schüttet das Gehirn Dopamin ausschüttet, eine körpereigenen süchtig machende Substanz. Man wird regelrecht süchtig nach den schnellen Kicks – und brauchen erst mal Entzug.
- Prestigegewinn: Es ändert sich langsam, aber lange Zeit war „ich bin voll im Stress“ das Synonym für „Ich hab´s drauf! Ich bin wer! Ich bin wichtig!“ Ich glaube das betrifft mich nicht so sehr, aber andere sagen mir, dass das für sie ein Faktor ist
- Verbundenheit: Man will dazugehören, mit allem und jedem verbunden sein, hat Sorge etwas zu verpassen, wenn man nicht ständig erreichbar ist. Man will wissen, wie beliebt man ist, wieviele Likes man hat, wie oft der Artikel, die Studie, das Video schon abgerufen wurde. Man verspricht sich offensichtlich emotionalen, sozialen Gewinn davon. Die reale Gefahr ist, dass Beziehungen verflachen.
Als kreativer Kopf hat Kerstin noch einiges mehr entdeckt und in ihrem Blogeintrag beschrieben. Hier ist es zu finden. Nächste Woche hören wir weiter von der Berlinerin. 🙂
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