Von Rainer Wälde. Vorab ein mutiges Bekenntnis: Ja, ich bin ein News-Junkie! Es fällt mir schwer, an einem Kiosk vorbei zu gehen, ohne mindestens zwei, drei spannende Zeitschriften zu kaufen. Meine Leidenschaft brennt für guten Journalismus und packende Reportagen – das inspiriert mich. Als langjähriger Fernsehjournalist habe ich auch eine gute Ausrede: Das ist mein Job, ich brauche das auch!
Meine Kreativität leidet unter der Nachrichtenflut
Im Sommer 2013 habe ich gemerkt, wie stark mich die vielen Informationen beeinträchtigen: Meine Konzentration ließ nach und auch die Kreativität litt unter der Flut der Nachrichten, die auf mich einrieselte. Nach reiflichem Überlegen habe ich mich entschieden, für ein Jahr sämtliche Zeitschriften abzubestellen. Ich wollte 2014 auf politische Magazine, Kultur-Zeitschriften, Pressedienste und auf alle Hauszeitschriften von Institutionen, die seit Jahren in meinem Briefkasten landeten verzichten. Auch auf Film-Gazetten und Kirchenblätter – rundum alles.
Wie gelingt es, up to date zu bleiben?
Zwei Frage haben mich bei diesem Experiment beschäftigt: Wie gelingt es mir, als Vortragsredner up to date zu sein, wenn der mediale Strom versiegt? Woher bekomme ich als Filmemacher neue Anregungen für künftige Projekte? Offen gestanden: Dieser Punkt hat mich ausgesprochen nervös gemacht. Doch ich wollte mich auf dieses bewusste Zeitschriften-Fasten einlassen.
Der Januar kam und der Briefkasten wurde zunehmend leerer, bis die Zeitschriftenflut ganz versiegte. Nun war ich gespannt, welche Gazetten mir wirklich fehlen würden? Offen gestanden: Eigentlich gar keine! Nun muss ich die Rahmenbedingungen meines Experimentes etwas genauer fassen: Im ersten Quartal war ich sechs Wochen zuhause und sechs Wochen auf Reisen. Die Filmproduktion in der Südsee hat natürlich ihre besonderen Regeln: Zum einen war ich auf einem Schiff unterwegs – zum anderen auch auf allen medialen Kanälen nicht erreichbar. Kein Fernsehen, keine Telefonanrufe, keine Mails – und keine Zeitschriften.
Einzige Ausnahme: Mein Kindle
Natürlich war ich mit Arbeit gut versorgt und hatte von daher auch keine Langeweile. Als einzige Verbindung zur Heimat blieben SMS und mein Kindle. Was in dieser Zeit politisch in Deutschland passiert ist? Keine Ahnung – bis auf ein paar Schlagzeilen, die bis zum Pazifik durchdrangen. Nach zwei Wochen auf hoher See packte mich dann doch irgendwann das Heimweh und ich begann, auf meinem kindle zumindest “Die Zeit” zu lesen. Wow – was für eine journalistische Geschmacksexplosion – fern der Heimat. Nun ist die kindle-Ausgabe visuell sehr reduziert, doch die Qualität der Hintergrund-Berichte hat mich fasziniert. Dieses hochwertige “Brain-Food” hat mich sehr angeregt und auch bei meiner Reise durch das größte Meer der Welt zunehmend fasziniert.
Was vermisse ich wirklich?
Zuhause hat mich ein Rest-Stapel meines Stern-Abos erwartet. Nichts ist so langweilig wie uralte Magazine – ein routiniertes Durchblättern, dann ab in die Altpapier-Tonne. Ich merke als langjähriger “Zeitschriften-Junkie”, dass mich nur der aktuelle Stoff wirklich anmacht. Olle Kamellen sind nicht mein Ding. Was vermisse ich wirklich? Stern, Spiegel – nicht wirklich. Darauf konnte ich auch in den kommenden Monaten gut verzichten. Nur “Die Zeit”, die mir in der Südsee zur lieben Reisebegleiterin wurde, die fehlte mir wirklich.
Training der eigenen Aufmerksamkeit
In den kommenden Monaten war meine eigene Beobachtungsgabe noch mehr gefragt: Ich entdeckte ein spannendes Training in Sachen Aufmerksamkeit: Wenn die fertig zubereiteten „Medien-Häppchen“ wegfallen, muss ich noch mehr selbst anpflanzen, gießen und düngen, bis ich „ernten“ kann. Wie bei jedem Fasten wurden 2014 meine Geschmacksnerven neu sensibilisiert.
In Teil 2 beschreibt er, welche Erfahrungen er dabei gemacht hat.
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