„Der erste Mensch, der Führung benötigt, bin ich selbst!“ schreibt Swen Schönheit. Recht hat er. Bevor man in der Lage ist andere Menschen anzuleiten, muss man sich selbst leiten lernen. Experten meinen, dass das anfänglich und dauerhaft die schwierigste Führungsaufgabe ist, die einem Leiter, einer Leiterin begegnet. Beruft Gott nur diese „Superleiter“ in die Verantwortung, die sich selbst sehr gut leiten und alles im Griff habe? Gibt es „in echt“ überhaupt solche Superleute, außer in Biografien? Der zweite Teil der Sommerreihe wendet sich direkt dieser Herausforderung zu:
Selbstleitung – Lektionen aus der Jugend
Die ersten Lektionen unseres Lebens beginnen bereits im Kinderzimmer: Räumt Papa die Spielsachen weg oder lernt es die kleine Lena? Lernt Max irgendwann sein Bett zu machen, oder gewöhnt er sich an den Rundum-Service im „Hotel Mama“? Als Schüler gilt es dann, selbstständig aufzustehen, rechtzeitig den Bus zu erreichen und frühzeitig für die Mathearbeit zu lernen. Irgendwann gibt es das erste Taschengeld und schließlich ein eigenes Handy, und der junge Mensch muss das Haushalten lernen. Bald entwickeln sich erste Umrisse eines Lebensstils: Werden Absprachen eingehalten, Mails beantwortet, Bücher und DVDs zurückgegeben? Kommt er oder sie pünktlich und zählt ihr Wort? Angefangen vom Geschwisterkind und Beziehungen in Kindergarten und Grundschule lernen wir bald die Lektion: „Ich bin nicht allein auf der Welt. Ich muss Dinge teilen und anderen Aufmerksamkeit geben. Ich muss mich auf mein Gegenüber einstellen. Ich muss lernen mich auszudrücken und zuzuhören.“ Unser Charakter gewinnt seine Stärke vor allem im Umgang mit andersartigen Menschen und Konfliktsituationen. Wenn Max und Lena oder Felix und Laura sich irgendwann befreunden, müssen sie lernen für zwei zu denken. Die gemeinsame Zeit muss gestaltet werden. Wer gibt die Richtung vor? Verantwortung ist gefragt, nicht nur Lust und Laune. Kurz gesagt: Von Jugend auf sind wir herausgefordert, einen gesunden Lebensstil zu entwickeln und Leitung im Kleinen zu lernen. Ein Leben aus dem Moment heraus führt uns am Ende nicht weit …
Leiten heißt: sein Leben gestalten
Manchen Menschen fällt es von Natur aus leicht, ihr Leben zu strukturieren und klare Prioritäten zu setzen. Andere sind mehr spontan veranlagt und wirken ziemlich oft „verplant“. Das Vorbild der Eltern prägt uns nachhaltig und meist viel stärker, als uns recht ist. Wenn unsere Eltern kein gutes Vorbild für gegenseitigen Respekt und Rücksichtnahme boten, ist unser Weg zu einer ausgeglichenen Persönlichkeit natürlich länger. Ohne die klare Struktur eines intakten Familienlebens fällt es uns natürlich schwerer, unseren Alltag zu meistern und einmal einen gesunden Lebensstil zu entwickeln. „Persönliche Verantwortung für unser Verhalten zu übernehmen, zuverlässig zu werden und die natürlichen Konsequenzen für unser Handeln zu tragen ist überaus wichtig für die Charakterentwicklung“, schreiben die Psychologen Frank und Catherine Fabiano. Wenn die Entwicklung während der Pubertät „gut gegangen ist, verlassen wir diese Zeit mit einem klaren sozialen Vertrag. Er besteht im Wesentlichen darin, dass ich ‚im Leben Dinge tun muss … ob ich will oder nicht … ob ich mich danach fühle oder nicht … dass sich die Welt nicht allein um mich dreht.’ Leider gibt es viele Menschen auf dieser Welt, die solche Einsichten noch nicht gewonnen haben.“[i]
In einem großen Berliner Kulturkaufhaus stehe ich immer wieder vor einer ganzen Regalwand mit hunderten von Buchtiteln über „Führung, Management, Strategie“ usw. So gehört Literatur über „Selbstmanagement“ inzwischen zum Standardprogramm. Die Erkenntnis ist einfach: Der erste Mensch, der Führung benötigt, bin ich selbst! Wir können andere Menschen nur wirkungsvoll anleiten, wenn wir gelernt haben uns selbst zu leiten. Wir müssen zuerst unserem eigenen Leben Richtung geben, wenn wir auch anderen den Weg weisen wollen. Selbst wenn deine Zeit im Elternhaus problematisch war und du kaum gute Vorbilder hattest, solltest du dich nicht entmutigen lassen. Die gute Nachricht der Bibel heißt: Über all unser Bemühen hinaus hält Gott eine Menge an Gnade für uns bereit! Er ist jederzeit in der Lage, unsere Persönlichkeit positiv zu verändern, wie schwer die Altlasten auch wiegen mögen! Paulus spricht einmal davon, dass gerade diejenigen, „die Gottes Gnade und das Geschenk der Gerechtigkeit in so reichem Maß empfangen, in der Kraft des neuen Lebens herrschen“ werden (Röm 5,17 | NGÜ). Mit anderen Worten: Wer durch Christus eine lebendige Beziehung zu seinem Schöpfer gefunden hat, wird auch befähigt, sein eigenes Leben unter die Füße zu bekommen. Er wird auf grundlegende Weise seine Lebenstüchtigkeit zurückgewinnen.
Ein ehrlicher Rückblick auf meine bisherige Lebensführung:
- Wo habe ich bereits Verantwortung übernommen und wie sah das Ergebnis aus?
- Wie bin ich bisher mit Enttäuschungen oder Versagen umgegangen?
- Wie habe ich auf Kritik und Korrektur, aber auch auf Lob und Ermutigung reagiert?
- Wann habe ich gelernt, Konflikte auszutragen? Wann/wieso bin ich daran gescheitert?
- Welche Menschen kennen und lieben mich so gut, dass sie mir die Wahrheit sagen
- Wie weit habe ich gelernt, im Leben gezielt zu agieren anstatt nur zu reagieren?
- Wie gut kenne ich meine natürliche Begabung einschließlich meiner Begrenzung?
Charakterfragen? Unsere Akzeptanz steht auf dem Spiel
Unser gesamtes Leben hindurch befinden wir uns in der Schule Gottes. Als liebender Vater möchte Gott in uns bestimmte Qualitäten hervorbringen, die wir für den Job in der Welt ebenso brauchen wie für den Dienst in der Gemeinde. Unternehmen legen inzwischen zunehmend Wert auf „soziale Kompetenzen“ und „Soft Skills“, also nicht nur Leistungen im Sinne von guten Noten. Wer zwar ein Super Abiturzeugnis vorlegt, doch das Einmaleins des Sozialverhaltens nicht beherrscht, hat schlechte Chancen in verantwortliche Positionen zu kommen. Doch ab einer bestimmten Ebene verlieren Führungskräfte allzu oft die Bodenhaftung, werden selbstgefällig und basteln nur noch an ihrer Karriere. Unzählige Arbeitsnehmer auf den unteren Ebenen sind dann die Leittragenden.
Aus der Sicht der Bibel ist die Arbeit an unserem Charakter kein Luxus! Vielmehr steht die simple Frage auf dem Spiel, ob Menschen uns innerlich akzeptieren und uns folgen werden, sobald wir Leitung übernehmen. Gott kann keine Leiter gebrauchen, die Machtmittel gebrauchen, sondern die aufgrund ihrer Persönlichkeit überzeugen. Nicht die Position macht uns zu Leitern, sondern die innere Qualifikation macht uns anziehend für andere. Deshalb steht am Anfang unserer Entdeckung von „geistlicher“ Leitung zunächst ein ehrlicher Blick auf unsere „natürliche“ Fähigkeit, das Leben zu gestalten. Jeder Dienst, den Gott uns einmal anvertraut, braucht einen gesunden Unterbau in unserer Persönlichkeit.
Ganzheitlichkeit ist gefragt!
„Wer in den kleinen Dingen treu ist, wird auch in großen treu sein. … Wenn ihr bei weltlichem Besitz nicht vertrauenswürdig seid, wer wird euch die wahren Reichtümer des Himmels verwalten lassen?“ (Lk 16,10-12 | NLB) Mit diesem Wort spricht Jesus nicht nur unser Verhältnis zum Geld an. Unser gesamtes Verhalten im Blick auf die irdischen Dinge ist gefragt, denn hier liegt die Bewährungsprobe für unsere Qualifikation im Reich Gottes! Anders gesagt: Wer sich im Alltag nicht als guter Leiter bewährt, der taugt auch für den Sonntag nicht. Gute Leiter dienen Christen wie Nichtchristen mit derselben Hingabe. Gott legt an unseren Aufgabenbereich in der Gemeinde dieselben Maßstäbe wie an unsere Verantwortung im weltlichen Beruf. Denn Treue ist in jedem Fall eines der wichtigsten Merkmale guter Leitung.
[i] Frank und Catherine Fabiano, Mut zur Reife, Asslar (1999), S. 169-170
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Swen Schönheit ist seit 1989 Pfarrer an der Apostel-Petrus-Gemeinde im Märkischen Viertel in Berlin. Als Gründungsmitglied des Netzwerks „Gemeinsam für Berlin“ engagiert er sich seit vielen Jahren für die Einheit der Christen in der Stadt und die Förderung jüngerer Leiter. Seit November 2012 ist Swen Schönheit mit einer viertel Pfarrstelle bei der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung Deutschland als theologischer Referent tätig. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.
Menschen mit Format, Leiten lernen von Jesus, Swen Schönheit, Asaph-Verlag, 320 S., € 17,95 | eBook: € 14,95
Die Kurzrezi zu „Menschen mit Format“ auf dem Leiterblog gibt es hier.
- Flyer zum Seminar mit Swen Schönheit zu Führungsthemen
- Flyer zum Seminar „Im Team leiten“ mit Swen Schönheit
Ein sehr guter Beitrag!
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