Stefan Vatter: Aus dem Horizont der Ewigkeit leiten

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Stefan Vatter

Während ich gerade in meinem Büro über einen passenden Beitrag für „Leiter am Donnerstag“ nachdenke, finde ich mich in einer spannungsreichen Situation vor. Zum einen in der Fülle zahlreicher diesseitiger Aktionen zum anderen auf dem Sprung zur Beerdigung einer jungen Frau die vor einigen Jahren in unserer Gemeinde zum lebendigen Glauben fand und nun als Mutter und Ehefrau mit nur 36 Jahren gestorben ist. Ich frage mich wie die Realität aller Realitäten von Tod und Ewigkeit mein Leben als Leiter prägen. Mich bewegen folgende Gedanken:  

Ewigkeit stellt die Frage des Horizontes weit über die Zukunft hinaus. Es gibt eine Vielfalt von unterschiedlichsten Zukunftsbeschreibungen. Astrologen, Wahrsager wollen Zukunft erklären. Futurologen analysieren Zukunft und entwerfen Visionen. Terroristen wollen ihre Vorstellung von Zukunft erzwingen und andere Zukünfte nicht zulassen und ausschalten. Die meisten Ideologien versprechen eine blühende Zukunft. Viele Menschen wollen uns in ihre Vorstellung von Zukunft mitnehmen. Welcher Zukunft vertrauen wir uns an? Welche Zukunft hat Zukunft? Welche Ewigkeit ist ewig?

Gefangen im Diesseits     

Lebe ich im Horizont der Ewigkeit oder lasse ich mich von dem Hier und Jetzt völlig vereinnahmen? Durch eine Art „Abschaffung der Ewigkeit“ ist unsere Lebensperspektive kurz und unsere Hoffnung arm geworden. Falsche Fortschrittsgläubigkeit konzentriert uns immer mehr auf die Immanenz (Diesseitigkeit) und schwächt unser Bewusstsein für die Transzendenz (Jenseitigkeit). Der Mensch verliert dadurch seine Ganzheitlichkeit. Unser  Denken wird zunehmend von einer Geazentrik und einer Art gottlosen Religionsfreudigkeit beeinflusst. Beides ist konsequent immanent. Unsere tieferen Wünsche können jedoch in der Sphäre der Immanenz nicht gestillt werden. Der Schöpfer hat den Menschen eine Sehnsucht nach Ewigkeit ins Herz gelegt, die wir mit noch so viel Irdischem nicht werden füllen können (vgl. Prediger 3,11).  

Ein Leben, das alles aus dem Irdischen zu pressen versucht, ist nicht Leben, sondern gehetztes Getriebensein. Mark Twain sagte einmal: „Als wir das Ziel aus den Augen verloren, verdoppelten wir unsere Geschwindigkeit.“ Wer nicht weiß, wohin er geht, wird auch keinen Frieden finden, wenn er seine Lebensgeschwindigkeit verdoppelt. Auch viele christliche Leiter haben die Ewigkeitsdimension, als ein bestimmendes Momentum ihres Lebens, verloren und kommen unter die Räder einer getriebenen Welt. Was wundert es da, wenn Christen und Gemeinden oftmals seelisch erschöpft und geistlich leer wirken. Was haben wir einer Welt anzubieten, wenn wir selber als getriebene Zahnräder der Zeit fungieren?  

Leben wir aus der Perspektive der Ewigkeit? Wenn wir diese Wirklichkeitsdimension in unser Herz lassen, werden wir ein Leben mit einer unerschütterbaren Hoffnung führen. Dies ist keine fromme Vertröstung, sondern eine alltäglich wirksame Lebensqualität. Die Maxime unseres Lebens ist nicht irdisches Glück und Wohlergehen, sondern am Ziel des Lebens anzukommen. Mit IHM zu leben, jetzt und in der Ewigkeit. Eine umfassende Zielperspektive des Lebens ohne Ewigkeitsdimension ist Selbstbetrug. Wenn uns Bücher, mögen sie auch christlich sein, antreiben, so viel wie möglich aus unserer irdischen Lebensspanne herauszuholen und die Ewigkeit darüber verdrängen, ist das Wesentliche verloren gegangen. Lebe ich als Gefangener oder als Befreiter des Diesseits?

Hat das Ziel mich?   

Es geht letztlich nicht darum, ob ich irgendwelche Ziele verwirkliche, sondern ob sich das Ziel in mir verwirklicht. Die entscheidende Frage lautet nicht: „Habe ich ein Ziel?“, sondern: „Hat das Ziel mich?“ Wir können alle irdischen Ziele erreicht haben und haben doch das Ziel verfehlt. Das Ziel schlechthin ist unsere himmlische Berufung Gottes in Christus Jesus. Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, sagte dazu treffend, bei seiner Abschiedsansprache, des durch Selbstmord ums Leben gekommenen Torwarts, Robert Enke: „Fußball darf nicht alles sein… Den wirklichen Siegespreis werden wir auf Erden nicht empfangen.“ Die Perspektive der Ewigkeit gibt uns die Kraft, auch auf hoher See inmitten einer orientierungslosen Gesellschaft, Kurs auf das Ziel hin zu halten. „Darum sollen wir desto mehr achten auf das Wort, das wir hören, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben“ (Hebr 2,1). Bin ich Getriebener meiner Ziele oder hat das Ziel mich?

In der Welt und zugleich frei von der Welt   

Jesus Christus hat Wohnung genommen in einem jeden Menschen, der sich ihm übereignet hat (Eph 3,17). Unsere biografischen und seelischen Defizite oder schmerzvolle innere Leere werden nun mit dem in uns wohnenden Christus in Berührung gebracht und verwandelt. Der Ewige lebt in und unter uns. Ein Stück Himmel ist bereits in uns!  

Aus der Perspektive der Ewigkeit zu leben bedeutet nicht abgedreht und weltfremd zu sein. Der Blick auf die Ewigkeit schenkt uns Wertschätzung für das Jetzige. Im Jetzigen werden die Entscheidungen getroffen, die für die Ewigkeit von Bedeutung sind. Hier sind wir aufgerufen, Licht und Salz zu sein. Hier sandte Gott seinen einzigen Sohn. Hier lebte Jesus. Hier starb er am Kreuz. Hier ist er auferstanden. Hier wirkt er heute und jetzt. Gott hat die Menschen der Welt nicht aufgegeben. Diese Erde hat uns Gott zugewiesen. Als Menschen der Ewigkeit verachten wir das Irdische nicht, sondern sehen darin unseren Auftrag der Hoffnung.

Von der Ewigkeit geprägt zu leben bedeutet aber auch, die Welt als gefallene Schöpfung zu sehen. Diese Welt ist nicht identisch mit dem Reich Gottes. In ihr ist auch Wirksamkeit des Widersachers. Diese Welt wird vergehen und ist im Abbruch begriffen (vgl. 1Kor 7,29ff). Ewigkeitsmenschen wissen sich mit Paulus im Aufbruch: „Ich jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung“ (Phil 3, 14). Wer die Ewigkeit im Blick hat, lässt sich nicht vom Wesen der Welt gefangen nehmen oder benebeln, sondern lebt in einem gesunden Abstand zu dieser Welt. Auch Enttäuschungen, Verletzungen und Nöte bekommen durch das hereinbrechende Licht der Ewigkeit ihre Platzanweisung. Der im Horizont der Ewigkeit lebende Mensch ist wirklich frei. Frei von dem verzweifelten Streben aus dem irdischen Leben etwas schlagen zu müssen, das es im Hier und Jetzt nicht gibt.

Vom Glück der Ewigkeitsmenschen  

Von dem Blickpunkt der Ewigkeit her zu leben, gibt uns echten Frieden. Gerade auch im Anblick des Alterns, wenn unsere körperlichen und seelischen Potenziale im Schwinden begriffen sind. Die zwanghaften und oft makabren Versuche, das Altern zu überdecken und aufhalten zu wollen, können Menschen der Ewigkeit mit einer Gott geschenkten Gelassenheit entgegen sehen. Für sie ist der Tod kein Untergang, sondern Heimgang. Viele Menschen werden erst, wenn sie gestorben sind, merken, dass sie nie gelebt haben. Wer das Irdische auf Teufel komm raus gewinnen will, wird schließlich alles verlieren. Unsere Ewigkeitserwartung ist eine begründete und durch und durch hoffnungsvolle Zukunftserwartung. Diese Hoffnung trägt ganz wesentlich zu einer ausgeglichenen Lebensorientierung bei. Sie ist ein Geschenk Gottes an den Menschen, der ihm vertraut. Wir brauchen nicht zu verzweifeln. Kann ich mich im Diesseits auf das Jenseits freuen?

Orientierung ist ohne den Blick hinter den Horizont des Irdischen, nicht möglich. Es ist unabdingbar, immer wieder einen Blick in das Letzte aller Dinge zu werfen. Ewigkeit, die kein Ende besitzt und die unabhängig von dem ist, was wir Zeit nennen. Die Ewigkeit, in der Gott alles in allem sein wird. „Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem“ (1Kor 15,28). Mit dieser inneren Ausrichtung werde ich nun mit Freuden auf die Beerdigung eines noch so jungen Menschen gehen, der dort angekommen ist, wo ich auch einmal sein werde. Unter diesem Horizont der Ewigkeit will ich im Diesseits als Leiter leiten.  

Stefan Vatter - klein

Stefan Vatter, 48, war nach seinem Studium der Theologie in Krelingen, Basel und Südafrika zwanzig Jahre als Hauptpastor der Evangelisch- Freikirchlichen Gemeinde in Kempten tätig. Seit 2012 ist er Leiter der Geistlichen-Gemeinde-Erneuerung im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (www.ggenet.de) und Vorsitzender der Initiative Gebet (www.initiativegebetallgaeu.de). Er ist als Berater für Kirchengemeinden und Unternehmen tätig, Autor und Konferenzsprecher. Stefan lebt mit seiner Frau Kirsten und zwei Töchtern in Kempten/Allgäu (www.stefanvatter.de). Sein neuestes Buch „Finden, fördern, freisetzen“ ist gerade im Neufeld Verlag erschienen und beschäftigt sich sehr kompetent mit der Gabe des apostolischen Dienstes.

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Über Lothar Krauss

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