Kirche der Zukunft: Eine Gemeinde – viele Standorte?

„Multi-Site-Churches“ haben einen starken Aufwind in den USA. Multi-Site, das ist eine Gemeinde mit mehreren Standorten. Ist das auch eine sinnvolle Ergänzung unserer Kirchenlandschaft für Deutschland? Darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Am letzten Wochenende war ich in der ELIM Hamburg als Gastsprecher an ihrem „Visionstag für Mitarbeiter“ und zu den Gottesdiensten am Sonntag eingeladen. Diese Gemeinde mit ihrer tollen Dynamik hat sich auf den Weg gemacht eine Gemeinde mit vielen Standorten zu werden. Die 620 Mitarbeiter am Visionstag waren begeistert.

Schon in der Geschichte der ELIM Hamburg, die 1926 begann, ist die Idee der Multiplikation angelegt. Stationsgemeinden, Tochtergemeinden, Zweiggemeinden, ethnische Gemeinden … Findet ihre Geschichte mit diesem Ansatz jetzt seine Fortsetzung? Was könnte der Nutzen von „Multi-Site“ für die ELIM sein, wenn er denn in unsere deutsche Kultur passt? Auch andere deutsche Gemeinden denken im Moment über diesen Ansatz nach und treffen Vorbereitungen, erste Versuche zu wagen. Welche Hoffnungen verbinden sich damit? Werfen wir zuerst einen Blick in die neueste Studie zum Thema aus den USA.

Was sind die Vorteile von „Multi-Site“?

Warren Bird, der Direktor für Research und Intellectual Capital Development des Leadership Network hat Anfang März die aktuellen Ergebnisse ihrer Studie zur Multi-Site Bewegung veröffentlicht: Demnach kann man schon 8000 Sites, also Standorte, jetzt in den USA antreffen. Was sind die Vorteile einer Gemeinde mit mehreren Standorten? Hier die Hauptpunkte laut der Studie:

Gemeinden mit mehreren Standorten

  • wachsen schneller,
  • beziehen mehr Ehrenamtliche ein und
  • erreichen mehr Nichtchristen.

Und die Prognose: Mehr Kirchen in den USA werden das Multi-Site Modell in den nächsten Jahren übernehmen. Nicht allein als ein Mittel zum Wachstum, sondern um die Kirche „zu den Menschen“ zu bringen. Gesunde Gemeinden sollen sich auch in andere Stadtteile und Regionen vervielfältigen, sagt Bird. Einer von 10 Christen in den USA besucht bereits eine „Multi-Site-Gemeinde“.

In den letzten 10 Jahren hat diese Form der Kirche das stärkste Wachstum erfahren. Wobei immer die Frage gestellt werden muss, ob der Trend vor allem dadurch begründet ist, dass Christen die Gemeinde gewechselt haben, oder ob Menschen, die keinen Kontakt zu Gott hatten, das Wachstum ausmachen. Eine US-Gemeinde, die zum „Multi-Site-Modell“ wechselt, hat im Schnitt 850 Gottesdienstbesucher, wenn sie den Schritt geht.

Von „Multi-Service“ zu „Multi-Site“?

Zurück nach Deutschland, zurück zur ELIM. Die Gemeinde gehört zu den Pionieren des Themas in unserer Kultur. Etliche Jahre schon ist sie mit mehreren identischen Gottesdiensten am Sonntag (9.45 h | 11.30 h | 19.00 h) unterwegs. Ganz identisch sind sie aber bewusst nicht, um so der großen Bandbreite der Generationen der Gemeinde besser zu dienen. Sie variieren zum Beispiel mit der Intensität im Lobpreis, der Möglichkeit zur persönlichen Segnung und der Lautstärke der Musik.

„Eine Gemeinde – mehrere Gottesdienste“?

Eine Gemeinde – mehrere Gottesdienste? Was vor wenigen Jahren noch eher die Ausnahme war, ist heute auch in immer mehr deutschen Gemeinden eine Normalität! Die Idee liegt in allen Varianten vor: Die gleiche Predigt, unterschiedliches „Rahmenprogramm“. Die gleiche Predigt, das gleiche „Rahmenprogramm“, aber unterschiedliche Uhrzeiten. Die Friedenskirche Braunschweig hat meines Wissens fast die größte Bandbreite an Gottesdienstformen, mit der sie seit Jahren experimentiert. Hier geht es zur aktuellen Übersicht. Auch sie ist auf dem Weg eine Gemeinde mit vielen Standorten zu werden. Gerade junge Gemeinden bieten Sonntags zwei oder mehr Gottesdienste an.

Ist der Schritt zu einer „Gemeinde mit vielen Standorten“ vielleicht die konsequente Weiterentwicklung von „Eine Gemeinde – viele Gottesdienste“? Auf dem Weg zur „Multi-Site-Gemeinde“ sehe ich noch viele Fragen, die eine gute Antwort brauchen. Aber in der Idee stecken große Chancen, auf die ich später an dieser Stelle eingehen will.

Fragen, die gut beantwortet werden müssen:

  • Warum sollte eine Gemeinde überhaupt viele Standorte haben?
  • Warum sind viele Gemeinden an vielen Orten nicht der bessere Weg, statt eine Gemeinde an vielen Standorten?
  • Fördert das Modell nicht einen ungesunden Starkult (Bühne, Licht, Leinwand, übergroße Präsentation des Predigers, der Bands …)?
  • Muss die Predigt im „Multi-Site-Modell“ per Videoübertragung an allen Standorten kommen, damit es eine Gemeinde bleibt?
  • Was muss in allen Gemeinden gleich sein, damit es „Eine Gemeinde mit vielen Standorten“ ist?
  • Wie lebt eine Gemeinde der Form „ihre Identität“? Wie findet und teilt sie „ihre DNA“? Wie verfolgt sie einen Auftrag?
  • Welche anderen Formen von „Multi-Site“ gibt es noch?
  • Muss es einen Standortleiter (Campus-Pastor) geben?
  • Was braucht es an den Standorten an Struktur und Personal, damit der Standort als eine vollwertige Gemeinde erlebt wird?
  • Werden Standorte nicht doch einfach nur Veranstaltungen werden, statt echte Standorte einer Gemeinde?
  • Wie werden sich die Unterschiede von Stadtteilen, Regionen … im Stil des Standortes niederschlagen?
  • Können unterschiedliche Standorte einer Gemeinde andere Milieus ansprechen und erreichen, als die Gemeinde an anderen Standorten es tut?
  • Welche andere Formen von „Eine Gemeinde – viele Standorte“ könnte es noch geben?

Welche Fragen sind dir im Bewusstsein? Nutze die Kommentarfunktion.

Fortsetzung folgt!

Über Lothar Krauss

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5 Antworten zu Kirche der Zukunft: Eine Gemeinde – viele Standorte?

  1. Marc Strunk schreibt:

    Ich habe in den USA das sog. „Multi-Site Modell“ nur in Form von Campus-Gemeinden kennengelernt und fand es richtig doof, die Predigt auf einer Leinwand zu sehen!

    • Lothar Krauss schreibt:

      Alles klar. Ich hab‘ einen Sack voll Alternativen miterlebt! Dazu schreib ich bald was. Das „Leinwandmodell“ bekommt immer mehr spannende Alternativen!!!

  2. immanuelafl schreibt:

    Das ICF Stuttgart, versucht ja mit ca. 200 Leuten von Stuttgart aus gleich zwei Standorte hoch zu ziehen, in HN und in Schorndorf … also eher der langsame und mühselige Wege … postmodern gesprochen … langsames Wachstum ist gutes Wachstum – mal sehen ob es gelingen kann.
    Das ICF Karlsruhe hat bei der ersten Eröffnung ihrer zweiten Location gleich mal 500 Leute im Gottesdienst (Karslruhe hatte zum dem Zeitpunkt 1000) und innerhalb der ersten Gottesdienste waren es über 250 Leute in Bretten – im Kraichgau. Allerdings ganz klar von Steffen Beck, dass er Gemeinden gründen will, damit die Freunde der Christen, die Jesus noch nicht kennen, nicht so weit bis nach Karlsruhe fahren müssen. Aber gerade Steffen Beck ist mit seinem Leitungsteam natürlich nicht gerade der typische Verträter des ICF Pastors (gerade kein Star-Kult), er hat ja auch schon vorher „allein“ begonnen und sein Herzensanliegen ist „Menschen für Jesus“ gewinnen.
    Das ICF München versucht seit Jahren eine zweite Location zu gründen (auch 1000 Leute jeden Sonntag) und kann über sich selbst lachen, als Location-loser.

  3. Lothar Krauss schreibt:

    Eine interessante Meldung von IDEA zum Thema “Starkult”:
    Dallas (idea) – Thomas Dexter (T.D.) Jakes, Gründungspastor und Bischof einer der größten
    Gemeinden in den USA, hat jetzt öffentlich bekannt, was er am meisten an „Megakirchen“ hasst. Ihn nerve der Personenkult, dem manche Leiter von Großgemeinden ausgesetzt seien, sagte er der Internetzeitung „Huffington Post“. Der 56 Jahre alte Afro-Amerikaner hat 1996 die Gemeinde „Potter’s House“ (Haus des Töpfers) in Dallas (Bundesstaat Texas) gegründet. Heute hat die unabhängige Gemeinde etwa 30.000 Mitglieder. Anscheinend brauchten manche Pastoren eine Art von Vergötterung, sagte Jakes der Publikation. Er aber hasse das und scheue davor zurück. Er sehe sich vielmehr als einen „normalen“ Menschen. Der Druck, allzu hohen Erwartungen gerecht werden zu müssen, sei für ihn frustrierend. Die Größe einer Gemeinde sollte seiner Meinung nach nicht die Persönlichkeit des Pastors bestimmen. Er sei noch derselbe Mensch, der einst eine Gemeinde mit 50 Besuchern am Ostersonntag geleitet habe. Wenn eine Kirche wachse, müsse sich lediglich das Management ändern. Jakes, der sich auch als Fernsehprediger und Buchautor einen Namen gemacht hat, nahm ferner zu Vorwürfen Stellung, dass er ein „Wohlstandsevangelium“ verkündige. Zwar glaube er, dass Gott auch finanziellen Segen schenken könne, aber das sei nicht die Botschaft, die die Gemeinde hören müsse. Jakes zählt zu den einflussreichsten Geistlichen der USA und wurde mehrfach von Präsident Barack Obama ins Weiße Haus eingeladen. © 2014 idea e.V. – Evangelische Nachrichtenagentur

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