IST WILLOW NOCH INTERESSANT FÜR DEUTSCHLAND?

Ein provokantes Interview mit kritischen Fragen junger deutscher Leiter, die dynamische Gemeinden bauen und fragen, ob Willow für sie noch relevant ist, warum sie Kongresse besuchen sollten und was Willow ihnen zu bieten hat.

Uli Eggers, der erste Vorsitzende von Willow Creek Deutschland hat sich in diesem exklusiven Interview des Esslinger Leiterforums den Fragen  gestellt. Hat sich „Willow“ abgenutzt? Kommen Impulse mehr aus der „Hillsong“ Ecke? Sollten neue Netzwerke und Impulsgeber gefunden werden? Warum sollte man den Leiterkongress „Zwischenland – Im Wandel Gottes Wege finden“ besuchen, zu dem sich schon über 6200 Leute angemeldet haben?

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Eggers, Ulrich Blog

Willow hat in den vergangenen 20 Jahren starke Impulse in die deutsche Gemeindelandschaft eingebracht. Für Jüngere scheinen heute andere Bewegungen und Gemeinden prägend zu sein. Klingt die Zeit von Willow hierzulande aus?

Ulrich Eggers: Die Antwort hat zwei Ebenen: Willow als Gemeinde in den USA stellt sich sehr erfolgreich und innovativ den gesellschaftlichen Veränderungen – die sind ja weltweit ein Thema. Als Gemeinde sind sie weiterhin enorm evangelistisch und fruchtbar und durchdringen auch ihre Umgebung mit dem Evangelium. Gerade wurde das neue „Care Center“ als Anbau an die Gemeinde eröffnet. Es fasst nun alles zusammen, was die diakonische Hilfe dieser Gemeinde umfasst – von Cars Ministry über Seelsorge, Suchthilfe, Arbeitslosenberatung und medizinische Versorgung oder Kleidung und Lebensmittel. Das „Care Center“ wurde übrigens bewusst auf das Gemeindegelände verlegt, weil man merkte, dass die Werkstätten und Beratungsstellen jenseits der Gemeinde nicht die ganzheitlich missionarische Wirkung hatten. Allein in diesem Punkt ist enorm viel von Willow zu lernen – angefangen vom Prozess, wie Diakonie und Evangelisation verbunden wurde, bis hin zum Ergebnis dieser Bemühungen.

Care Center Kleidung

Care Center Regal

Einblicke in das neue Care-Centre

 

Zum anderen: Willow hierzulande ist ja hauptsächlich ein Kongressformat, bei dem wir den Ansatz ganzheitlicher neutestamentlicher Gemeindearbeit abbilden wollen. Da gibt es immer wieder Vorurteile: gegen die USA, die Größe, alles was „mega“ ist. Auf den Kongressen erleben Menschen dann überrascht starke Inspiration und wichtige Themensetzungen. Wir verstehen uns da als eine Plattform für viele Innovationsansätze, die der Kirche gut tun.

Wie findet Willow Zugang zur nächsten Generation in ihrer Gemeinde, nachdem AXIS, die Arbeit unter jungen Erwachsenen, nicht zum Erfolgsprojekt wurde. Ist Willow auf dem Weg, eine „alte Gemeinde“ zu werden?

Das hat man als Problem erkannt – es ist ja das Problem jeder Altersgruppe, die in ein Biotop hinein arbeitet, siehe „Jesus-Freaks“. Wenn die dann alle mal Kinder kriegen, verändert sich das Bild, nichts bleibt wie es war. AXIS als Jugendkirche innerhalb der Kirche hat nicht so geklappt. Man hat es aber auch als Problem in sich gesehen, weil es Gemeinde sektoriert. Die Antwort ist heute eine deutliche „Verjüngung“ der gesamten Gottesdienstgestaltung. Das überzeugt nicht jeden und führt auch zu Kritik bei den Älteren. Man sieht aber – und das hat mich immer fasziniert bei Willow: Die Situation wird analysiert, man steuert um, lernt hinzu. Allein von diesen Erfahrungen, von dieser Flexibilität und Willigkeit sich zu verändern, kann man viel lernen. Willow hat in diesem Jahr bereits 800 Leute getauft – darunter ganz viele junge Menschen. Wer das sieht, muss zunächst mal den Hut ziehen und nachfragen, wie ihnen das gelingt.

Was ist das aktuelle „Alleinstellungsmerkmal“ von Willow in den USA und Europa, nachdem viele Gemeinden den Impuls von Evangelisation, gesellschaftlicher Relevanz, Exzellenz und Leitung von Willow dankbar aufgenommen haben?

Willow ist eine Art Lernwerkstatt für Gemeindeveränderung und selbst ständig dabei, sich zu korrigieren, den Kurs neu zu justieren. Sie halten dabei nicht nur ihr hohes Niveau, sondern erfinden sich immer wieder neu. Das bringt enorm viele Erfahrungen – Fehler und Erfolge – mit sich, die sie offen teilen. Zum anderen gibt es die Kongresse. Sie sind eine Plattform für Ermutigung, Inspiration und Diskussion weit über Willow hinaus. Willow ist der Anbieter, die Plattform – die Erfahrungen und Modelle kommen von überall her und müssen natürlich passen zum Spirit der Arbeit: dass die „Gemeinde die Hoffnung für die Welt“ ist – wenn sie so funktioniert, wie sie von Gott gemeint ist. Hier hat Willow weiterhin einen enormen Denk- und Praxisvorsprung, der einfach inspiriert.

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Vor dem Gottesdienst

 

Willow befindet sich in den USA in einer Umbruchphase. Wie können wir von dem Leitungs- und Generationswechsel lernen?

Das ist ja der Fokus des Leitungskongresses in Leipzig: Wir alle befinden uns derzeit im „Zwischenland“. Altes funktioniert oft nicht mehr, vieles wurde probiert, manche sind frustriert. Neues kommt, muss sich aber erst bewähren. Ein klarer Kurs fehlt oft noch. Wir sehen neue Modelle, die florieren – aber auch sie haben ihre Bewährungsprobe noch vor sich. Ich freue mich an all dem Neuen oder Jungen, was von Hillsong oder ICF oder sonstigen Impulsgebern kommt. Aber Willow ist diesen Weg bereits gegangen. Und dabei haben sie Antworten gefunden und einen riesigen Erfahrungsschatz gesammelt, der dringend in den Dialog kommen muss. Da ist enorm was zu holen, denn all das, was Willow bereits durchlebt hat, kommt ja in Kürze auf die Jungen zu. Und die Menschen und ihre Sehnsüchte und Fallgruben bleiben ja gleich. Hier voneinander zu lernen, bringt was. Der Generationswechsel bei Willow ist eingeläutet, aber noch nicht vollzogen. Damit gehen sie drüben sehr offen um, sprechen darüber mit der Gemeinde und auf den Kongressen.

Funktioniert die Willow-Gemeinde überhaupt ohne das Leitungsgenie Bill Hybels?

Das kann man heute noch nicht sagen. Aber es wird alles dafür getan, geplant und ausgewertet. Zugleich ignoriert diese Frage, was Willow wirklich ist: Klar, eine starke Leitung ist wichtig – aber die gibt es dort auf allen Ebenen. Anders würde die Gemeinde gar nicht funktionieren. Eine gute Leitung sorgt dafür, dass das System selbst gut läuft und auf Qualität achtet. Das geschieht dort seit langem. Wer Willow besucht hat, den fasziniert vor allem, dass sich in den normalen Gemeindeleuten oder Mitarbeitenden das wiederfindet, was das Herz des Ganzen ausmacht. Das alles auf Bill Hybels zu reduzieren, würde Leitung überschätzen. Sie ist wichtig, aber nur eine von mehreren Zutaten für einen erfolgreichen Kurs.

Hat Willow sich mit seinen Angeboten in Deutschland eher auf die Bedürfnisse der Landeskirchen konzentriert? Können junge dynamische Freikirchen, die etwa Hillsong-Konferenzen besuchen, auch vom Willow-Leitungskongress in Leipzig profitieren?

Interessant: Landeskirchler merken sofort, dass es sich bei Willow eher um ein freikirchliches Modell handelt. Aber sie haben zugleich entdeckt, dass jeder vom Willow-Ansatz lernen kann. Es ist eine naive Erwartung zu meinen, es müsse immer alles genau dem eigenen Kontext entsprechen, um etwas lernen zu können. Die wichtigsten Lernhilfen, die auf den Kongressen vermittelt werden, sind Herz, Haltung, Werte, Prinzipien, kluges Verhalten. Klar: Man kann sich auch woanders begeistern lassen, ein cooles Programm oder vielleicht noch bessere Musik erleben. Das ist völlig okay. Falsch wäre, wenn man verschiedene Modelle gegeneinander ausspielt – wir spielen im Konzert. Was Willow immer noch unschlagbar macht, ist die Mischung aus geistlicher Motivation, Leidenschaft, Durchdachtheit, Praxisrelevanz – gekoppelt mit Erfahrung in einem kirchlich extrem umkämpften „Markt“. Wer in den USA nicht überzeugt, verliert schnell seine Leute. Willow blüht und gedeiht seit fast 40 Jahren und hat das mit immer wieder frischer Leidenschaft und einer enormen Erfahrung geschafft. Das macht den Reiz aus: Vitalität und Reife kombiniert mit einem Mut, der ausspricht, was man für richtig hält. Ich habe noch nach jedem Kongress in Deutschland bedauert, dass nicht doppelt so viele Leute da waren…

Vielen Dank für die offenen Antworten!

 Die Fragen stellte Lothar Krauss, Pastor der VM Esslingen.

Hier geht es zur aktuellen Liste der Referenten, die sich attraktiv erweitert hat!

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Der Leadership Summit ist einer der wertvollsten Beiträge, die Willow international bereitstellt. Hier ein kleiner Video zum Event im Sommer. Der Leitungskongress ist die „deutsche Form“ vom Summit. DAS VIDEO

Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
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5 Antworten zu IST WILLOW NOCH INTERESSANT FÜR DEUTSCHLAND?

  1. Stefan Pahl schreibt:

    Sehr gute und kritische Fragen – und nicht minder offene Antworten. Aus unserer Arbeit werden wir mit über 40 Leitern dabei sein, viele junge aus unserem Mentoringprogramm – als Schulung, Fortbildung, Horizonterweiterung. Wir lernen von Willow seit vielen Jahren und übertragen, was für uns passt.

  2. Dr. Rosemarie Micheel schreibt:

    Wenn Wilow so innovativ und zeitgemäß sein will,dann frage ich mich mich, warum immer von Leitern gesprochen wird. Offensichtlich kommt darin das evangelikale Bild der Stellung der Frau zum Ausdruck: Leitendende Positionen stehen den Männern zu, die dienenden den Frauen!

    • David Andreas Roth schreibt:

      Sehr geehrte Frau Dr. Micheel,
      manches, was „offensichtlich“ erscheint, ist leider (nur) ein zu wenig reflektierter Umgang mit unserer Sprache.
      Gerade bei WillowCreek gibt es diese Trennung (Leiter hier und Dienerinnen da) nicht. Wichtige Impulse für meine Gemeindearbeit verdanke ich zum Beispiel einem Studientag vor einigen Jahren in der Schweiz, an dem Mitglieder des Ältestenkreises, zwei Frauen und zwei Männer, über ihre Zusammenarbeit berichtet haben – da habe ich mitbekommen, was es heißt, ohne irgendeinen Filter im Kopf (Alter, Herkunft, Geschlecht, Temperament…) gabenorientiert zu leiten. Das Büchlein „Gemeinschaft“ von Gilbert Bilezikian, dem theologischen Vordenker von WillowCreek, ist mir in der Auseinandersetzung mit sexistischen, rassistischen oder chauvinistischen Sichtweisen im biblizistischen oder traditionell-christlichen Umfeld zu einer wichtigen Quelle geworden.
      Wohl wahr ist es, dass wir unsere Worte gut prüfen müssen – mich stört das Wort „Leiter“ ebenso; im Titel des Forums genauso wie in vielen Beiträgen dürfte es geändert werden, ich fände das angemessen. Aber mich stört auch das Wort „offensichtlich“ in Ihrem Kommentar. Und womöglich stört sich jemand jetzt an einem Wort, das ich zu wenig reflektiert habe.
      Herzliche Grüße von Mensch zu Mensch
      Ihr David Andreas Roth

  3. Lothar Krauss schreibt:

    Sprachlich verbinde ich „LEITER“ in diesem Blog nicht mit einem Geschlecht, sondern habe immer MÄNNER und FRAUEN im Sinn. Mehr hineinzuinterpretieren kann ich nicht verhindern, lege aber Wert darauf, dass ich das so nicht tue. Im Impressum habe ich dazu kurz einen Hinweis eingefügt. Um sprachlich zumindest in einem Rahmen entgegenzukommen, der mein Sprachgefühl nicht ganz so strapaziert, habe ich den Untertitel gerne in „Impulse für Leitende“ geändert. Ein „Esslinger Leiter und Leiterinnenforum“ oder „Esslinger LeiterInforum“ oder „Esslinger Leitendenforum“ finde ich mühsam. So bleibt es aktuell mal beim „Esslinger Leiterforum“. Willow ist im Blick auf Frauen als Leiterinnen ein Wegbereiter. Sie zu verdächtigen ist sachlich nicht richtig in im Blick auf ihre historische Rolle nicht fair. Mit schablonenhaften Verdächtigungen zu argumentieren finde ich für mich bei dieser wichtigen Fragestellung nicht so hilfreich.

  4. Pingback: Best of Blog! Nach 18 Monaten … | Esslinger Leiterforum

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