Der Leiter ist anders! Und einsam! | Teil 3

Nachdem wir in Teil 2 die vier Dimensionen der These von Prof. Manfred Josuttis, „Der Pastor ist anders“ vorgestellt und die ersten beiden Richtungen der Aussage (als eine FESTSTELLUNG und (s)eine ABSICHT) in Stichworten behandelt haben, folgen nun die beiden weiteren Richtungen, in denen diese These gedacht werden kann: Nämlich als eine FORDERUNG und VORWURF.

Forderung

  1. Es wird erwartet, dass Pastoren anders sind! Wenn der Pastor (oder seine Frau) eine ausgesprochene oder unausgesprochene Erwartung „verletzt“, wird das deutlich! (Vorher ist es dem Gemeindemitglied oft gar nicht klar, dass er/sie diese Erwartung an den Pastor hatte!)
  2. Sie sind eine Projektionsfläche für Idealisierung durch die Gemeinde(leute)
    1. Er soll die Normen und Werte und das geistliche Ideal der Nachfolge Jesu mit seinem Leben einlösen, für die die Gemeinde steht und die verkündigt werden!
    2. Er soll die Normen und Werte und das geistliche Ideal der Nachfolge Jesu mit seinem Leben einlösen, die andere nicht „bruchlos“ in ihre Existenz integrieren können. (Pastor müsste man sein … Der hat leicht predigen …)
    3. Idealisierungsdruck: ER hört Gott im Alltag, ER geht reif mit Anfechtungen um, ER behält auch im Erfolg die Demut (gut, da könnten wir ihm helfen ;-)), ER bleibt motiviert auch in Phasen der Erfolglosigkeit, ER kann gut mit bescheidenem Gehalt leben …
  3. Seine Menschlichkeit, Gebrechlichkeit und Versuchlichkeit bleiben in vielen Forderungen unberücksichtigt!
  4. Forderung an den konkreten Pastor im Vergleich mit anderen Pastoren: Du solltest sein wie … Ich würde hier mehr mitmachen, wenn er wäre wie …

Vorwurf

  1. Der konkrete Pastor ist anders, als das eigene Bild des „idealen“ Pastors. Das führt zu verdeckten aber auch offenen Vorwürfen im kleinen – manchmal auch im großen Kreis.
  2. Du Pastor bist nicht so wie die anderen Leute in der Gemeinde!
    1. Der Vorwurf kommt gerne, wenn ein Pastor über seine Situation klagt (Anfänger im Pfarrdienst bekommen ausdrücklich gesagt, dass sie das ja nicht tun sollen …)
    2. Immer wieder auch eine Reaktion von Leuten die genervt sind von anderen Leuten der Gemeinde, die den Pastor auf ein Podest stellen … (ihn besonders achten, besonders ehren … Denen ein Besuch im Krankenhaus vom Pastor mehr bedeutet als vom Gemeindemitglied xy. „Das Pastor ist SOGAR gekommen.“ Ich werde nie vom Pastor besucht … Der Pastor hat nicht gegrüßt …)
    3. Auch eine Reaktion auf den Dienst des Pastors, wenn er z.B. den „Finger in die Wunde legt“, motivieren will zur Mitarbeit, andere Prioritäten anmahnt … (Sei doch mal entspannt – wir sind es doch auch …)
  3. Wenn er seine Situation als besonders (schwierig, belastend …) betrachtet hört er den Vorwurf. (Wir haben auch unseren Stress im Beruf, müssen auch vielen Aufgaben nachgehen, für die wir nicht vorbereitet sind …)
  4. Man will die Handlung des Pastors (Weihnachten, Hochzeiten, Kindersegnungen, Beerdigungen …), nicht die Worte und den Anspruch des Evangeliums durch ihn haben.
  5. Begeisterte „Fans“ des Pastors provozieren den Widerspruch derer, die von dieser „übermäßigen Begeisterung“ genervt sind. Es kommt zu Vorwürfen.

Der PASTOR IST ANDERS. Etliche Fakten der beruflichen Rahmenbedingungen legen das fest. Ein Pastor will das aber auch so! Er soll auch anders sein wie andere Leute der Gemeinde und schließlich wird es zum Vorwurf an ihn, dass er anders ist oder sein will.

Soweit mal die Thesen von Manfred Josuttis, ergänzt mit einigen weitergehenden Anmerkungen (von mir). Prof. Josuttis arbeitete am Lehrstuhls für praktische Theologie der Uni Göttingen, den er bis zu seiner Emeritierung 1991 inne hatte.

Fragen über Fragen …

Die Diskussion ist nun schon leicht in Gang gekommen. So ist das gedacht.

  • Wir fragen: Muss das so sein, wie Josuttis das beschreibt und viele hauptamtliche Leiter in Gemeinden es bestätigen?
  • Gibt es echte Alternativen in der dauerhaften Praxis?
  • Halten wir als Gemeinden (Hauptamtliche und Ehrenamtliche) die Forderungen von Idealen durch?
  • Wann kann es gelingen, wo liegen die Grenzen?

Kommentare willkommen!

  • Schön wäre es, wenn auch erfahrene hauptamtliche Pastoren aus der Deckung kommen und ergänzende Erfahrungen aus ihrer Praxis über die Kommentarfunktion mit einbringen.

In einem letzten Teil werde ich noch Thesen von Karl Barth beleuchten, Gedanken von Bill Hybels weitergeben und weitere Gedanken vorstellen.

Über Lothar Krauss

Ehemann | Vater | Pastor | Blogger | Netzwerker
Dieser Beitrag wurde unter Die Person des Leiters, Fitness für Leiter, Lothars Leiterpost, Speziell für Pastoren abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Der Leiter ist anders! Und einsam! | Teil 3

  1. Silvia W. schreibt:

    Als ich diesen Text las, musste ich erst einmal mit dem Kopf schütteln. In meinem folgenden Kommentar werde ich aus der Sicht eines einfachen Gemeindemitglieds aufschreiben, welche Alternativen es geben könnte und darlegen welche Verantwortung sowohl der Pastor als auch das Gemeindemitglied haben, um solche problematischen Erwartungshaltungen erst gar nicht entstehen zu lassen, weil dadurch Konflikte vorprogrammiert sind. (Ich durfte schon zu viele solcher Konflikte beobachten und einmal selbst erleben um zu wissen, wovon ich rede.) Meine erste Frage an den Pastor lautet, ob er überhaupt gewillt ist, alle dieser unausgesprochenen Anforderungen zu erfüllen. Dies ist doch unmöglich, weil jedes Gemeindemitglied andere hat. Die Alternative ist, sein eigenes Profil transparent zu machen! So habe ich z. Bsp. einmal einen Pastor erlebt, der im Gegensatz zu seinem übermäßigem engagierten Vorgänger, von Anfang an konsequent auf seinen pünktlichen Feierabend bestand, weil er drei kleine Kinder hatte. Viele schimpften darüber, für mich war er ein Vorbild. Das Bild der braven zuhörenden Pastorenfrau, die ihrem Mann den Rücken frei hält und der Kinderarbeit vorsteht, ist im Zeichen der Emanzipation der Frau (die ganz langsam auch die patriachalen Gemeindestrukturen durchbricht) sowieso überholt.
    Die Idealisierung eines guten Pastors bleibt leider nicht aus, weil das durchschnittliche Gemeindemitglied diesen nur sonntags im Gottesdienst erlebt und man nicht weiß, ob er sich im Privatleben komplett anders verhält.
    Es liegt aber am Pastor, ob er diese albernen Idealvorstellungen seiner Gemeinde fördert oder unterbindet. In meinem Studium habe ich gelernt, dass gute SozialarbeiterInnen sowohl ihre/n AuftraggeberInnen als auch ihre KlientInnen ent-täuschen müssen. Damit ist gemeint, dass sowohl die jeweiligen Verantwortlichkeiten als auch die notwendigen Mittel, die zur gewünschten Veränderung führen sollen, klar verteilt und benannt werden müssen, damit nicht alles an der pädagogischen Fachkraft hängen bleibt und diese dadurch scheitert.
    Ich denke, dass Pastoren das auch tun müsse: So war ich am Anfang meiner Zeit in Esslingen schwer beeindruckt, als du deine Herzkrankheit transparent gemacht und die Gemeinde mit deiner Arbeitsreduzierung konfrontiert hast.
    Ich finde es sehr ungesund, wenn Pastoren es für ihr Selbstwertgefühl notwendig haben, um sich herum einen Kult und eine Fangemeinde aufzubauen, wie ich es einmal in einer anderen Gemeinde erleben durfte. Wer sagt denn, dass ein Pastor immer und ständig die Stimme Gottes hören und seine Predigten komplett leben muss, nur weil er sich diesen Job gewählt hat?
    Er kann in seinen Predigten die Gemeinde so ansprechen, dass deutlich wird, dass er auch auf dem Weg ist und nicht heilig über den normalen Niederungen des Lebens schwebt.
    Im Gegenzug hat er aber keine Möglichkeiten zu überprüfen, inwiefern seine Schäfchen nach seinen Predigten leben. Er kann aber seine segenspendende Anwesenheit verweigern, wenn er bei gesellschaftlichen Anlässen den Eindruck hat, dass die ihn einladenden Personen ansonsten kein Interesse an Glaubensthemen haben. So weigerte sich einmal ein evangelischer Pfarrer eine Kindstaufe durchzuführen, weil er Zweifel hegte, dass die Eltern ihr Kind wirklich christlich erziehen würden, wie es bei diesem Anlass versprochen wird.
    PS Auch wenn ich dich mag, möchte ich keinesfalls von dir im Krankenhaus (wo ich hoffentlich nie hin muss) besucht werden, weil ich mir die Peinlichkeit, dass du mich ungeschminkt im Nachthemd sehen könntest, ersparen möchte!

  2. Silvia W. schreibt:

    PPS Ich möchte betonen, dass ich bei dir nicht den Eindruck habe, dass du in irgendeiner Weise die Idealisierung deiner Person oder eine Fangemeinschaft um dich herum förderst.
    Und einem Fanclub würde ich entgegen meiner Einstellungen sogar beitreten…..

  3. Pingback: Der geheime Schmerz eines Pastors (3) | DER LEITERBLOG

Kommentare sind geschlossen.